Deutsche Telekom Sorgenkind T-Systems soll von Krise profitieren

Letzter Versuch für das Telekom-Sorgenkind T-Systems: wie die IT-Sparte von der Krise und vom Sparzwang der Konzerne profitieren will.

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T-Systems: Das schwächelnde Unternehmen auf den Kopf stellen und ganz auf den Gewinn von Großaufträgen im Ausland ausrichten.

Das Allerheiligste firmiert unter dem Codenamen GBDC. Eigentlich darf niemand erfahren, was die hier eingeschlossenen T-Systems-Manager bis tief in die Nacht diskutieren und in ihre Computer tippen. Ein drei Meter hoher Zaun schirmt das schneeweiß gestrichene Gebäude von den Nachbarn ab. Überwachungskameras leuchten jeden Winkel aus. Anstelle der Eingangstür versperrt eine elektronische Sicherheitsschleuse den Weg. Die extradicken Schallschutzscheiben sind verspiegelt. Auch aus der Ferne, etwa mit einem Teleskop, soll kein Spion der Konkurrenz die streng vertraulichen Präsentationen einsehen können.

Willkommen im Fort Knox von T-Systems. Hier, an einem bis dato geheimen Ort, hat die Telekom-Tochter T-Systems ihre neue Kommandozentrale eingerichtet, das Global Big Deal Center (GBDC). Rein darf nur, wer an vorderster Front um IT-Großaufträge von mindestens 100 Millionen Euro kämpft und sich gute Chancen auf den Einzug ins Finale ausrechnet. T-Systems-Manager und Experten aus allen Bereichen ziehen dann ohne Sekretärin für mehrere Tage oder Wochen ins GBDC ein. Und kehren erst wieder in ihre Büros zurück, wenn der Vertrag unterschrieben ist. „Jedes Jahr sollen neue Großaufträge im Wert von zwei Milliarden Euro hereinkommen“, verrät der für das Center zuständige Vertriebsvorstand Joachim Langmack.

T-Systems, der wenig bekannte IT-Ableger der Deutschen Telekom, ist bisher nur in Deutschland Marktführer. 400 Großunternehmen, darunter alle Dax-Konzerne, sind mit dem größten IT-Dienstleister in Deutschland verbunden. Gerade erst hat der Industriekonzern Linde seine Rechenzentren an T-Systems ausgelagert. Knapp 20 Prozent des Telekom-Umsatzes von über 60 Milliarden Euro stammen von T-Systems. Allein in Deutschland sorgen mehr als 25 000 Mitarbeiter an 125 Standorten vor allem dafür, dass das digitale Arbeiten in den inzwischen völlig vernetzten Konzernen reibungslos funktioniert.

Clemens will der Konkurrenz die Big-Deals wegschnappen

Ausgerechnet jetzt, da viele Unternehmen tiefer in die Krise rutschen und ihre IT-Budgets kürzen, will T-Systems-Chef Reinhard Clemens der Konkurrenz die heiß umkämpften Big Deals wegschnappen. Bis Ende 2010 will Clemens – zuvor Manager bei IBM und der Hewlett-Packard-Tochter EDS – aus der vorwiegend in Deutschland aktiven, seit Jahren mit rückläufigen Umsätzen und mageren Gewinnen operierenden Geschäftskundensparte „den größten europäischen Dienstleister für IT und Kommunikation“ formen. So steht es in der internen, sehr ehrgeizigen Mittelfristplanung.

Um dieses Ziel zu erreichen, stellt Clemens die gesamte IT-Sparte auf den Kopf. Die WirtschaftsWoche besuchte die größten Baustellen.

Ortstermin Global Big Deal Center, Frankfurt-Niederrad, Hahnstraße 46. T-Systems öffnet die Sicherheitsschleuse – und die WirtschaftsWoche darf einen Blick hinter die Kulissen dieses ansonsten hermetisch abgeriegelten Komplexes werfen. Misstrauisch werden wir beäugt, die auf drei Etagen verteilten „War Rooms“ mit den Namen von Hauptstädten aus aller Welt hat noch kein Journalist betreten.

Zurzeit werden zwei Schlachten geschlagen. Im Raum Tokio im Erdgeschoss ist ein zehnköpfiges Team eingezogen, um aus Spanien einen Millionenauftrag zu holen. Eine Etage höher feilen drei IT-Spezialisten an den Details für ein Regierungsprojekt aus Deutschland. Jeder hat seinen Laptop aufgeklappt, immer wieder werden Charts an die Wand geworfen, um Punkte aus den meist mehrere Hundert Seiten dicken Angeboten zu diskutieren. Danach ziehen sich die Teams zum Nacharbeiten in den Arbeitsraum zurück. Oder sie gönnen sich eine Pause beim Kickern oder an der Dart-Scheibe im Kaffeeraum.

Bis zu 150 T-Systems-Manager kommen hier zusammen, wenn Big Deals in die heiße Phase gehen. Oft entscheiden Kleinigkeiten über Gewinn oder Verlust eines Großauftrags. Preis, Servicezusagen, Sicherheitsanforderungen, Beschäftigungsgarantien – die Teams gehen alles noch einmal durch. „Früher hat es viel zu lange gedauert, bis internationale Projektteams professionell arbeitsfähig waren“, sagt Center-Koordinator Harald Heppner. „Oft fehlte dann später die Zeit, schriftliche Angebote in der bestmöglichen Qualität abzugeben.“

Rund 30 Big Deals werden jedes Jahr vergeben. Öfter als zuvor will T-Systems als Sieger aus solchen Ausschreibungen hervorgehen. „Wir wollen eine neue Gewinnerkultur schaffen und endlich wieder Erfolg spüren“, setzt Clemens seine Führungskräfte unter Druck. Wer Zweifel hegt, den erinnert er an erfolgreichere Zeiten Ende der Neunzigerjahre. „Als ich bei IBM war, war T-Systems unser Angstgegner. Dort müssen wir das Unternehmen wieder hinbringen.“

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