Deutsche Telekom Telekom-Skandale: Die Ermittlungsakten der Staatsanwälte

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Telekom-Finanzchec Timotheus Quelle: dpa

Richtig hohe technische Hürden, damit der automatisierte Abruf unmöglich wird, hat die Telekom laut Aussage von Brancheninsidern lange Zeit nicht errichtet – aus welchen Gründen auch immer. „Das ist in etwa so, als wenn eine Bank die Tür zu ihrem Geldtresor nur anlehnt und dann nach einem Diebstahl argumentiert, das sei doch verboten gewesen“, sagt ein Kenner der Callcenter-Szene, der ungenannt bleiben will. Seiner Einschätzung nach haben sich noch bis ins Jahr 2009 hinein viele Callcenter weitgehend ungehindert aus dem Datenschatz der Telekom bedienen können.

Die Telekom selbst widerspricht diesem Verdacht entschieden. Sie habe verschiedene Sicherheitssysteme für Kundendaten aufgebaut und kontinuierlich verbessert. Aufsichtsbehörden hätten dies geprüft. Wie leicht Daten tatsächlich von Telekom-Partnern abgerufen werden konnten, zeigt allerdings das Beispiel Sedi Media. „Und das ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagt der frühere Vertriebschef eines Callcenters, der ungenannt bleiben will. Vor allem nachts und am Wochenende wurden deutschlandweit im großen Stil Datenmengen abgezogen, berichten Insider und bestätigen damit Aussagen, die der Staatsanwaltschaft Bonn vorliegen.

Konzernmitarbeiter geraten ins Visier der Fahnder

Besonders heikel werden solche Aussagen für die Telekom, weil sie zugleich Konzernmitarbeiter ins Visier der Fahnder bringen. Denn auch als die Konzernzentrale den Zugang zu ihrer Kundendatenbank verschärft, bedienen sich viele Callcenter offenbar weiter des Telekom-Datenschatzes, und zwar über persönliche Kontakte zu Telekom-Mitarbeitern. Einer von ihnen, das geht aus den der WirtschaftsWoche vorliegenden Ermittlungsakten der Bonner Staatsanwaltschaft hervor, ist Markus P.* aus St. Augustin bei Bonn, der bis Sommer 2009 Manager beim Telekom-Vertriebspartner Sedi Media war. Bis Ende 2007 hat P. zwölf Jahre lang auf verschiedenen leitenden Positionen im Vertrieb der Deutschen Telekom gearbeitet. Dass P. über Hintermänner bei der Telekom verfügt, erfahren die Ermittler durch eine breit gefächerte Telefon-Abhöraktion bis Mitte 2009.

Einen der überaus vorsichtig agierenden Hintermänner hat die Staatsanwaltschaft Bonn inzwischen ermittelt: Murat K.*, der bis Ende 2008 Leiter eines Telekom-Shops in Köln war und zuletzt Geschäftskunden der Niederlassung Köln von T-Mobile betreut. Über Murat K. will Markus P. bestimmte Verträge abrechnen, für die K. im Gegenzug einen Teil der Provisionen erhalten soll. Weiterhin soll K., so der „dringende Tatverdacht“ der Staatsanwaltschaft, der „kriminellen Vereinigung“ um P. die Zugangsdaten zum T-Mobil-Portal verschaffen.

Die Akten der Staatsanwaltschaft zeigen, dass K. der Telekom offenbar bereits als Filialleiter aufgefallen ist: So soll es schon im Jahr 2008 Ungereimtheiten bei der Abrechnung von 300 Handygeräten gegeben haben, die nach einer missglückten Verkaufsaktion auf der Telekom-Hauptversammlung in der KölnArena plötzlich in T-Shops in Kölner Vororten auftauchten, die Verwandten von K. gehören und dort zu Sonderkonditionen angeboten wurden. Entsprechenden Hinweisen geht die Staatsanwaltschaft Bonn nach. Die Telekom jedenfalls will die Nebengeschäfte ihrer Vertriebsmanager künftig genauer kontrollieren und mit Abmahnungen ahnden.

Köln, Mitte Juli 2007. In der Magnusstraße 11 im Herzen der Domstadt gegenüber dem Marriott-Hotel, wo zufällig auch die Unternehmensberatung McKinsey arbeitet, sitzen die beiden Callcenter-Firmen SCP und ICC von Peter Olewe. Der 57-Jährige, der seit mehr als 30 Jahren im Vertrieb arbeitet, wähnt sich auf der Überholspur. Angelockt von Provisionen in Höhe von bis zu 165 Euro pro Vertragsabschluss, die die Telekom von oben in die Vertriebspyramide schüttet, will auch Olewe dicke Geschäfte machen.

40 Euro pro Abschluss sollen bei ihm, in der dritten Vertriebsebene unterhalb der Telekom, hängen bleiben. So lautet das Angebot seines Vermittlers. „Das klang wie ein todsicheres Geschäft, schließlich ging es nicht um Verkauf, sondern eine Tarifumstellung bei Bestandskunden – und das für ein Unternehmen wie die Telekom“, sagt Olewe heute.

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