Deutscher Fernsehpreis Eklat: Reich-Ranicki lehnt Auszeichnung ab

Eklat bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises: Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki hat bei der Gala am Samstagabend in Köln den Ehrenpreis für sein Lebenswerk abgelehnt. „Ganz offen gesagt, ich nehme den Preis nicht an“, sagte der 88-Jährige. „Es ist schlimm, dass ich das erleben musste.“ Er habe viele schöne Fernsehabende, zum Beispiel bei Arte, verbracht. „Aber nicht diesen Blödsinn.“

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Das war so gar nicht Quelle: dpa

Die drei Stunden bei der Kölner Verleihungsfeier seien „überflüssig“ gewesen. Auch am Sonntag blieb er bei seinem vernichtenden Urteil: „Das war empörend“, sagte Reich- Ranicki der Deutschen Presse-Agentur dpa in Frankfurt. Moderator Thomas Gottschalk, der durch die Gala führte, war bei der Verleihung von der Reaktion des 88-Jährigen überrascht worden. In dessen Ablehnung stecke aber eine gewisse Logik: „Wenn er eine halbe Stunde lang eine wild gewordene Horde Teenager sieht, Atze Schröder in einer weißen Paradeuniform, Richterin Salesch und zwei Köche mit idiotischen Texten erleben muss, ist es für ihn in der Tat konsequent zu entscheiden: Ich habe hier nichts verloren“, sagte Gottschalk der „Süddeutschen Zeitung“ (heutige Ausgabe).

Gottschalk hatte Reich-Ranicki noch in der Show angeboten, eine „gemeinsame Sendung mit ihm und einigen TV-Verantwortlichen zu machen“. Ein ZDF-Sprecher sagte dazu am Sonntag, dass in den nächsten zwei Wochen ein Konzept erarbeitet und ein Sendeplatz gesucht werde. Gottschalk erklärte der „Süddeutschen Zeitung“, dass es dabei um die Qualität des Fernsehens gehen soll: „Wir wollen das Gespräch so schnell wie möglich aufzeichnen...“ Reich-Ranicki habe zugesagt.

Beifall erhielt der Literaturkritiker von Elke Heidenreich. Die Moderatorin der ZDF-Sendung „Lesen!“ schrieb am Sonntag bei „faz.net“: „...Ich dachte, was für eine Zumutung diese armselige, grottendumme Veranstaltung für ihn sein müsse.“ Die meisten nominierten Filme und Serien seien „jämmerlich“, sagte Heidenreich. Bei der Gala hatte Gottschalk die Situation mit dem Angebot gerettet, die Trophäe an Reich-Ranickis Stelle zu übernehmen, „damit wir nicht mit leeren Händen nach Hause gehen“. „Ich akzeptiere das. Mal sehen, was daraus wird“, sagte Reich-Ranicki.

Schließlich nahm TV-Produzentin Katharina Trebitsch, die Reich-Ranickis Biografie derzeit für die ARD verfilmt, den Plexiglas-Obelisken in die Hand. Danach nahm der Literaturkritiker noch ein Glas Rotwein zu sich und ließ sich nach Hause fahren. Anschließend sei die Show mit lockeren Sprüchen weitergegangen, schrieb Heidenreich, die an der Gala als Zuschauerin teilgenommen hatte: „Klar. Der Kritiker, der Spielverderber ist weg, nun ziehen wir unsere hirnlose Scheiße durch bis zum Schluss.“

Das ZDF gehört zusammen mit der ARD, Sat.1 und RTL zu den Stiftern des Fernsehpreises. Nach Ansicht von Heidenreich ist es möglich, einen „unterhaltenden Abend für intelligente Menschen“ zu machen - „aber eben nicht bei ZDF, ARD, Sat.1 und RTL“.

Verärgerung auf der einen Seite, große Freude bei den anderen Preisträgern: Für Schauspielerin Veronica Ferres hat es im zweiten Anlauf mit dem Fernsehpreis geklappt. Nach einer Nominierung im vergangenen Jahr wurde die 43-Jährige für ihre Rolle in dem ARD-Drama „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ mit der Auszeichnung bedacht. Sie setzte sich gegen ihre Kolleginnen Katharina Wackernagel, die für den ARD-Zweiteiler „Contergan“ nominiert war, und Claudia Michelsen (für den ARD-Film „12 heißt: Ich liebe dich“) durch. Ihre Tochter Lilly sei um fünf Euro reicher, weil sie noch am Morgen auf ihre Mutter gewettet habe, fügte Ferres an.

Misel Maticevic (38) erhielt als bester Schauspieler des Jahres den Preis für seine Auftritte in den Filmen „Die dunkle Seite“ (RTL), „Das Gelübde“ (WDR) und „Die Todesautomatik“ (ZDF). Er behauptete sich gegen Benjamin Sadler („Contergan“ und der RTL-Abenteuerfilm „Die Jagd nach dem Schatz der Nibelungen“) und Devid Striesow („12 heißt: Ich liebe dich“).

In der Kategorie bester Fernsehfilm bekam „Contergan“ den Fernsehpreis. Der Zweiteiler hatte unter anderem konkurriert mit „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ und „Die Jagd nach dem Schatz der Nibelungen“. Als beste Serie des Jahres stufte die Jury die RTL- Produktion „Doctor's Diary“ ein. In der Senderwertung schnitt RTL mit neun TV-Preisen am erfolgreichsten ab. Dahinter folgten die ARD (6), das ZDF (5), ProSieben (2), die dritten ARD-Programme, 3sat, Arte, Sat.1 und Eurosport mit jeweils einer Ehrung. Den Deutschen Fernsehpreis für die beste Dokumentation bekamen die Autoren Eric Friedler und Barbara Siebert für ihren Film „Das Schweigen der Quandts“ über die Rolle der Unternehmerfamilie im nationalsozialistischen Deutschland.

Die beste Show war in den Augen der neunköpfigen Jury die RTL-Reihe „Deutschland sucht den Superstar“. Nominiert waren in dieser Kategorie auch „Das weiß doch jedes Kind! Das Promi-Special“ mit Cordula Stratmann als Moderatorin und Heidi Klums ProSieben-Laufstegwettbewerb „Germany's next Topmodel“. Der Sportsender Eurosport holte sich als Außenseiter die Trophäe für seine Übertragungen von den Olympischen Spielen. Deutschlands beste TV-Regisseurin heißt in diesem Jahr Connie Walther - sie drehte das Stasi-Drama „12 heißt: Ich liebe dich“.

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