Deutschlands Top-Unternehmer Vom Bierbrauer-Lehrling zum millionenschweren Schmuckhändler

Seinen Job als Manager warf er hin, auf regelmäßiges Gehalt verzichtete er - und wurde Vollblutunternehmer. Mit Erfolg. Heute verkauft Roland Förster Modeschmuck, auf den Mediziner schwören. Ein Vorbild für Existenzgründer.

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Unternehmer Roland Förster Quelle: Klaus Weddig für WirtschaftsWoche

Roland Förster ist angekommen: 68 Mitarbeiter, 25 Millionen Euro Jahresumsatz, dazu mehrere Tausend freie Vertriebspartner – von der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator bis nach Lissabon. Wenn der 49-Jährige zum Treffen seiner Händler einlädt, muss er die Mainzer Rheingoldhallen anmieten.

Dabei startete Försters Firma namens Energetix mit Sitz in Bingen am Rhein erst vor gut acht Jahren. Im laufenden Jahr steigt die Auflage seines Verkaufskatalogs erstmals auf über eine Million. Rund 60 Prozent des Umsatzes macht Energetix inzwischen im Ausland.

Das Produkt, dem Förster seinen Höhenflug verdankt, wäre kaum der Rede wert, stünde es nicht für einen einschneidenden Schritt im Leben des gebürtigen Hessen – vom angestellten Manager im Einzelhandel zum Vollblutunternehmer.

Statt regelmäßig Gehalt in abhängiger Stellung zu beziehen, verdient Förster heute gutes Geld als Inhaber einer Schmuckfirma. Die Ohrringe, Halsketten und Armreifen sind kein herkömmlicher Modeschmuck, sondern magnetisiert. Weil Alternativmediziner darauf seit über 200 Jahren schwören, fahren in Zeiten wachsenden Gesundheitsbewusstseins, lauter Kritik am herrschenden Heilsystem und häufigen Hangs zum Übersinnlichen immer mehr Leute darauf ab.

Dass diese Ware einmal sein verborgenes Unternehmer-Gen voll entfalten sollte, war bei Förster nicht von vornherein ab-zusehen. Als Sohn eines Schreiners und Nebenerwerbsbauern wuchs er bei Lauterbach auf, einer 14 000-Seelen-Gemeinde in tiefster hessischer Provinz hinter dem Vogelsberg, zwischen Marburg und der früheren DDR-Grenze.

Zwar erwies sich der Heranwachsende schnell als Aufsteiger. Nach dem Besuch der Haupt- und der Handelsschule begann Förster im Alter von 15 Jahren eine Lehre als Bierbrauer bei der örtlichen Burgbrauerei. Danach holte er das Abitur nach und studierte gegen den Willen der Eltern Betriebswirtschaft in Gießen.

Doch bis zur Entscheidung, Unternehmer zu werden, brauchte es noch einige Etappen. Die erste war aus heutiger Sicht seine Diplomarbeit. Die verstand er geschickt zu Geld zu machen, indem er die Logistik seiner Lehrbrauerei zum Thema machte und umorganisierte. Dem Unternehmen ersparte er mit seinen Vorschlägen umgerechnet mehr als 50 000 Euro. Dafür erhielt Förster, wie versprochen, eine Prämie von rund 5000 Euro.

Die eigentliche Grundlage für den Wechsel ins Unternehmerlager legte Förster während seiner 15 Jahre beim Südableger des Lebensmitteldiscounters Aldi. Förster machte die ganze Ochsentour für Nachwuchsmanager: an der Kasse sitzen, Gemüse auspacken, Paletten befördern, Artikel durchzählen. Danach wurde er zuerst Bezirksleiter im Verkauf, Anfang der Neunzigerjahre baute er das erste Großlager mit Tiefkühlabteilung bei Aldi auf und leitete es.

Unternehmer Roland Förster Quelle: dpa/dpaweb

Bei dem Discounter spürte der Bauernsohn, was sonst noch in ihm steckte. „Ich hatte zu tun und konnte gestalten – fast wie ein Unternehmer.“ Karl Albrecht wurde ihm während der Aldi-Jahre zum Held. Der noch lebende der beiden Aldi-Gründer und Aldi-Süd-Patriarch sei bescheiden geblieben, habe immer gewusst, wann er mit Traditionen brechen musste, sagt Förster. Und er habe fast jede Filiale auf der Welt besucht.

Den entscheidenden Impuls, sich aus der abhängigen Beschäftigung zu -lösen, erhält Förster schließlich beim Mülheimer Handelskonzern Tengelmann („Kaisers“, „Obi“). Nach seiner Aldi-Zeit heuerte Förster dort als Logistikchef an – in einer Phase, als das Unternehmen im ständigen Umbruch war. Der Ex-Aldi--Manager räumte auf, schloss 11 von 25 -Lagern und strich mehr als 1200 von 4500 Arbeitsplätzen. Als er damit fertig war, durfte auch er gehen – allerdings mit einer dicken Abfindung, die ihm er-möglichte, den inzwischen gereiften Traum zu verwirklichen: selbst Unter-nehmer werden.

Wie Tupperware

Dass er der Typ dazu ist, bewies Förster zunächst auf ungewollte Weise. Geprägt von den Jahren als Krämer gründet er 1999 mit einem deutsch-chinesischen Partner in Hongkong eine Firma, die Werbeartikel anbietet, die Fusion Ltd. Abnehmer sind vor allem Fluglinien. „Das lief richtiggut“, erzählt Förster, „bis zum 11. September 2001.“ Dann blieben von heute auf morgen die Bestellungen aus. Försterist froh, sich ohne Blessuren zurück-ziehen zu können.

Andere hätten danach das Unternehmertum aufgesteckt – nicht so Förster. Der zweite Wurf klappte besser: Eine Kusine seiner Frau hatte Magnetschmuck in England verkauft, war dann aber wegen zu großer Lagerhaltung in den Konkurs geschlittert. Der Hesse, der über das notwendige Gründerkapital verfügte und die jahrelange Erfahrung als Manager in Handel und Logistik, war der ideale Partner für den Neustart.

Die Vertriebsidee: Der Schmuck wird wie Tupperware oder Avon-Kosmetik auf Hauspartys den Kunden von meist nebenberuflichen Beratern vorgestellt. Inzwischen ist Förster Alleininhaber. Die Partnerin wollte schnelles Wachstum. Der ehemalige Handelsmanager bestand auf den planmäßigen Ausbau von Verwaltung und Logistik. Man trennte sich 2006.

Heute verkauft der Unternehmer den Magnetschmuck längst nicht mehr nur an Esoteriker. Vor allem in der Golfszene tragen viele Spieler ein Magnetarmband, weil es angeblich den zielsicheren Schlag fördert. Der Schmuckriese Bijou Brigitte, Versandhäuser wie Otto und Amazon, ja selbst das Luxuslabel Montblanc bieten inzwischen Magnetschmuck an.

Förster schätzt, dass die Hälfte der Energetix-Kunden den Schmuck schlicht wegen des Aussehens und der Qualität trägt und nicht wegen seiner magnetischen Kräfte. „Magnetschmuckliebhaber tragen den Schmuck oft Tag und Nacht“, sagt Förster, „wegen der Beanspruchung müssen wir besondere Qualität bieten.“ Ausschlaggebend für die wachsende Nachfrage sei jedoch, dass Energetix den Magnetanhängern ein hübsches Design verpasst habe. „Das waren früher oft klobige Dinger, Hauptsache magnetisch“, sagt Förster.

Den Konjunktureinbruch vor zwei Jahren hat Förster denn auch blendend überstanden. Im Krisenjahr 2009 stiegen die Umsätze um 25 Prozent, 2010 um 15 Prozent auf 25 Millionen Euro. In schlechten Zeiten, so Försters Beobachtung, entdecken viele Menschen die Möglichkeit des Direktverkaufs, wollen mit den Schmuckpartys dazuverdienen.

Am Ende der Nachfrage sieht sich der zum Unternehmer erwachte Ex-Manager noch lange nicht. In fünf Jahren will er die Umsatzschwelle von 50 Millionen Euro überschreiten. In etlichen Ländern Asiens, in Süd- und Nordamerika ist Energetix kaum präsent. „Es gibt da noch etliche weiße Flecken“, sagt Förster, „und damit jede Menge Chancen für uns.“

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