In Hannover, Wien, Würzburg und Zürich kann die Zukunft der Mittelklasse-Hotelmarke Mercure schon besichtigt und gebucht werden: Die Mercure-Häuser Hannover-City, Wien-Zentrum, Würzburg am Mainufer und Stoller Zürich haben bereits den Standard, den der französische Accor-Konzern bis Ende kommenden Jahres auch in den übrigen gut 730 Hotels in 50 Ländern weltweit einführen will. Der Markenrelaunch soll die Wachstumspläne unterstützen: Bis 2018 will Accor global rund 1000 Mercure-Häuser betreiben, in Deutschland soll die Zahl der Hotels bis 2015 von derzeit 112 auf 150 steigen.
Das „Rediscover Mercure“-Programm ist notwendig, um ein generelles Problem zu lösen: „Die Mittelklasse-Hotellerie steht heute besonders unter Druck“, sagt Volkmar Pfaff, der für Mercure in Zentraleuropa zuständige Accor-Geschäftsführer. „Von unten gibt es einen zunehmenden Qualitätsdruck durch ein sich zunehmend modernisierendes Economy-Segment, von oben spüren wir den Preisdruck des immer erschwinglicheren Upscale-Segments.“ Mittelsegment-Marken wie Mercure drohen zwischen den beiden Bereichen zerrieben zu werden, wenn sie ihr eigenen Produkt nicht up-to-date halten.
Hinzu kommt ein hausgemachtes Problem: Die von Accor-Chef Yann Caillere als unzureichend eingestufte Marken-Präsenz von Mercure: Trotz 90.000 Zimmern weltweit, davon über 17.000 in Deutschland, Österreich und der Schweiz kann hierzulande nur jeder zweite potenzielle Hotelkunde etwas mit der Marke Mercure anfangen.
Damit sich das ändert, hat Accor-Chef Caillere seiner Mittelmarke neue Qualitätsstandards verpasst. Anders als angelsächsisch geprägte Marken wie Holiday Inn, Sheraton oder Marriott verzichtet Accor bei Mercure ganz bewusst auf eine weltweit einheitliche Innenarchitektur. „Wir setzen auf ein emotionales Konzept mit nationalen Akzenten“, sagt Pfaff.
So verzichten die runderneuerten Mercure-Häuser künftig auf die traditionelle Lobby, der als Barriere zwischen Gast und Rezeptionspersonal empfundene Empfangstresen soll verschwinden, die Gäste stattdessen an kleinen Gästetischen eingecheckt werden. Wie die neue Lobby-Architektur farblich gestaltet wird und welches Mobiliar dort steht, wird aber je nach Standort stark variieren.
Das gilt auch für die Zimmer und die Restaurants. In den geräumigen Gästezimmern der bereits modernisierten Mercure Hotels dominieren kräftige Farben, in den Bädern wird zwar in der Regel zugunsten einer Dusche auf eine Badewanne verzichtet, die Ausstattung ist aber stylisch und modern. Breite Doppel-, teilweise auch Einzelbetten mit bequemen Matratzen, geräumige Arbeitsplätze und WLan gehören überall zum Standard. Zusatzleistungen wie etwa eine kostenlose Minibar oder Kaffee- und Espresso-Maschinen werden dagegen nicht in allen Häusern angeboten.
Das EasyWork-Angebot
Auch in den Restaurants verzichtet die Accor-Zentrale auf detaillierte Vorgaben. Statt dessen sollen die Mercure-Restaurants den „glokalen“ Ansatz des Modernisierungskonzepts unterstreichen: „Die Speisekarte besteht mindestens zu 20 Prozent aus regionalen Speisen und bietet saisonale Aktionswochen mit regionalen Produkten“, kündigte Mercure-Geschäftsführer Pfaff an.
Ein Alleinstellungsmerkmal der Marke ist das Weinangebot, die sogenannten Grand Vins Mercure – eine exklusive Auswahl aktueller, regionaler Spitzenweine mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis, die auch außer Haus verkauft werden. Was auf den jährlich wechselnden Weinkarten in den Restaurants angeboten wird, entscheiden die Mercure-Mundschenke, speziell ausgebildete Weinfachleute, und Stammgäste, die dazu zu speziellen Verkostungen eingeladen werden.
Um auch den Service zu verbessern, wurden in der Pariser Accor-Zentrale 96 Punkte ausgearbeitet, die sicherstellen sollen, dass alle Hotel-Gäste vom Einchecken bis zum Auschecken unabhängig vom Standort des Hauses gleich gut behandelt werden. „Dieses einheitliche Service-Versprechen wollen wir bis Ende kommenden Jahres weltweit überall einlösen“, verspricht Pfaff.
Drittes Element neben der neuen Architektur und dem verbesserten Restaurant-Konzept ist das sogenannte EasyWork-Angebot: Vollständig eingerichtete und auch für kleine Teams geeignete Arbeitsplätze, die stunden- oder tageweise angemietet werden können. Das EasyWork-Angebot, das im Mercure Gare de Lyon in Paris bereits erfolgreich getestet wurde, ist nicht an eine Zimmerbuchung gebunden. EasyWork-Arbeitszonen sollen künftig vor allem in Hotels in Flughafen- oder Bahnhofsnähe eingerichtet werden.
Damit potenzielle Kunden von dem neuen Konzept erfahren, hat Mercure eine 20 Millionen Euro teure Werbekampagne mit TV-Spots und Anzeigen in Zeitungen und Magazinen aufgelegt. Die Kampagne läuft in Deutschland, Italien, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und in Brasilien. Wann das angekündigte Modernisierungsprogramm in den einzelnen Häusern realisiert wird, entscheidet allerdings nicht die Zentrale, sondern der Eigentümer der Hotelimmobilie. Nur knapp die Hälfte aller Mercure-Hotels in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind von Accor gepachtet, 47 Prozent gehören Franchise-Nehmern.
Dieses Betreiber-Konzept hat für Accor zwar den Vorteil, dass der Kapitaleinsatz für den Konzern sehr gering ist, der Nachteil ist aber, dass der Eigner über die Investitionen und deren Zeitpunkt entscheidet. Mercure-Manager Pfaff beziffert den Investitionsaufwand für das „Rediscover“-Programm auf rund 15.000 Euro pro Zimmer – bei dem im weltweiten Vergleich relativ niedrigen Preisniveau der deutschen Hotellerie ist das eine ganze Menge.