Ärger mit Paketdiensten Die Service-Illusion

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Wer mehr Service will, muss dafür zahlen

Dabei sind genau diese Fälle noch immer der Hauptgrund für die Klagen der Verbraucher. „Empfänger von Paketen waren zunehmend darüber verärgert, lediglich eine Benachrichtigungskarte im Briefkasten vorzufinden, obwohl sie nachweislich zuhause waren“, schreibt etwa die Bundesnetzagentur in ihrem gerade veröffentlichten Tätigkeitsbericht.

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Die Paketdienste empfehlen deshalb immer wieder, dass Kunden sich ihre Pakete direkt an Paketshop oder Packstation liefern lassen sollen. Doch im stressigen Weihnachtsgeschäft geraten auch diese Lösungen an ihre Grenzen. „Wir bekommen gerade in der Weihnachtszeit häufig die Rückmeldungen, dass die Fächer der Packstationen voll sind“, berichtet Iwona Husemann. Es werden einfach zu viele Pakete bestellt. Und wenn sie dann einmal im Fach liegen, hat der Kunde keine Eile. Viele holen ihr Paket erst am Ende der einwöchigen Frist ab. Solange sind die Fächer für andere Pakete blockiert. Und die Zusteller müssen weiter zur nächsten Filiale fahren – auch wenn der Kunde genau das nicht wollte.

Auch die Zustellung am Wochenende sorgt immer wieder für Probleme. Am Samstag seien Lieferprobleme neun mal wahrscheinlicher als an anderen Wochentagen, ergab sogar eine Studie im Auftrag des Bundesverbands Onlinehandels im vergangenen Jahr.

So brechen Paketboten alle Rekorde
Immer billigerSo günstig war der Pakettransport für Versender seit 2003 nicht mehr. Gerade einmal 5,85 Euro kostete 2016 der Versand im Durchschnitt – wobei sogar die teureren Express- und Kuriersendungen mit eingeschlossen sind. Die Preise fielen gegenüber dem Vorjahr um ein Prozent. Das hat der Bundesverband Paket- und Expresslogistik (BIEK) nun in einer Studie herausgefunden, die dem Handelsblatt vorab exklusiv vorliegt. Zu ihren Glanzzeiten vor neun Jahren hatten die Transporteure ihre Aufträge noch zum Durchschnittspreis von 6,22 Euro abgerechnet. Seither geht es fast ohne Pause mit den Erlösen pro Sendung nach unten. Die weiteren Trends im Überblick.Quelle: Bundesverband Paket- und Expresslogistik Quelle: PR
Schallmauer durchbrochenErstmals fanden in Deutschland mehr als drei Milliarden Warensendungen ihren Adressaten. 10,1 Millionen Pakete lieferten DHL, UPS und Co. 2016 im Schnitt an jedem Werktag aus, was aneinandergereiht einer täglichen Schlange von Oslo bis Teneriffa entsprechen würde. Weil vor allem der Online-Versand rund um Weihnachten das Geschäft befeuerte, wuchs das Sendungsvolumen um 7,2 Prozent – und damit um 1,3 Prozentpunkte stärker als 2015. Quelle: dpa
Kräftiges UmsatzwachstumInsgesamt 360 Millionen Euro investierten die Pakettransporteure 2016 in Deutschland – und steigerten damit ihren Umsatz um 1,1 Milliarden Euro. Unterm Strich bedeutete das einen Anstieg um 6,2 Prozent auf 18,5 Milliarden Euro. Weil es aber insbesondere die günstige Paketzustellung an Privathaushalte ist, die das Wachstum bringt, während die weitaus teureren Kurier- und Expressdienste nur verhalten zulegten, stieg der Umsatz nicht in gleicher Weise wie das Transportvolumen. Quelle: dpa
Klein, aber feinZwar dominieren die nationalen Paketversender wie DHL, DPD, Hermes und GLS das Straßenbild. Tatsächlich setzten sie im gesamten Zustellmarkt aber nur 10,2 der insgesamt 18,5 Milliarden Euro um. Auf immerhin 4,3 Milliarden Euro kamen 2016 in Deutschland die Expressanbieter, von denen es mit DHL, UPS und Fedex nur noch drei wesentliche Anbieter gibt. Sie organisieren einen weltweiten Übernachtversand und garantieren verbindliche Zustellzeiten. Die restlichen vier Milliarden Euro Umsatz entfielen auf Kurierdienstleister wie Go!. Sie befördern ihre Lieferungen meist auf direktem Wege vom Absender zum Adressaten, die meist regional operierenden Anbieter verlangen für die „begleitete“ Zustellung aber deutlich höhere Preise. Quelle: obs
Trautes HeimErstmals wurden 2016 mehr Paket an Privathaushalte abgegeben als an den Firmentoren. Express- und Kurierdienste mitgerechnet, stand der sogenannte B2C-Markt für 48 Prozent der Sendungen. Lieferungen von Firmen untereinander (B2B) kamen dagegen nur noch auf einen Anteil von 47 Prozent. Pakete zwischen Freunden und Bekannten (C2C) standen für die restlichen fünf Prozent. Quelle: dpa
Brummender Jobmotor10.000 neue Jobs gab es 2016 in der Branche, weitere 40.000 sollen laut Schätzungen des Bundesverbands BIEK bis 2021 hinzukommen. Damit wird der Paketversand zu einer Jobmaschine. 219.400 Beschäftigte gab es 2016 bei den Transportunternehmen selbst, einschließlich der Vorleistungsunternehmen summierte sich die Zahl auf 450.000. Seit 2002 wuchs die Anzahl der Jobs jährlich um 2,3 Prozent, die Zahl der Sendungen allerdings mit 4,3 Prozent fast doppelt so schnell. Von der höheren Produktivität profitieren allerdings auch die Mitarbeiter. Pro Beschäftigtem zahlten die Unternehmen 2016 im Schnitt 32.000 Euro, 2002 waren es gerade einmal 23.937 Euro. Quelle: dpa
Neue WachstumsfelderZwar sind es mit einem Warenanteil von 21,2 Prozent immer noch Bekleidungsartikel, die den Löwenanteil des Versandhandels bestreiten. Und auch Elektroartikel halten sich mit 16,6 Prozent nahe an der Spitze. Doch bislang unterrepräsentierte Warengruppen holen auf, darunter laut Handelsverband HDE Uhren und Schmuck, aber auch Baumarktartikel und Sportbedarf. Den zukünftig größten Wachstumsschub erwarten Experten allerdings durch den Lebensmittelhandel im Internet. Neben Anbietern wie Rewe ist auch Amazon seit wenigen Wochen mit seinem „Fresh“-Dienst in Deutschland aktiv. Quelle: dpa

Die Verbraucherzentrale führte deshalb einen Markttest durch und schickte Pakete durch ganz Deutschland, mit dem Wunsch einer Zustellung am Samstag. Der Test lieferte ähnliche Ergebnisse: „Es ist nicht besonders zuverlässig, ob das Paket tatsächlich am Samstag ankommt“, sagt Verbraucherschützerin Husemann.

Einige Paketdienste bieten keine Wochenendzustellung mehr an

Das größte Problem ist dabei die Personalknappheit. Schon das Jahr über haben die Paketdienste Probleme, ihre freien Stellen zu besetzen. Etwa 6000 Zusteller fehlen, schätzt die Branche selbst. Vor Weihnachten potenziert sich das Problem: In den Monaten vor dem Fest sucht alleine DHL 10.000 zusätzliche Zusteller. Bei den vier größten Konkurrenten sind es in Summe etwa 13.000. Doch die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist niedrig. Und es gibt nicht viele, die für wenig Geld bei Kälte und Nässe die Straßen entlang hetzen und immer wieder an Haustüren klingeln wollen, die niemand öffnet. Erst Recht nicht an einem Samstag.

Dabei müssen die Post und ihre Konkurrenten Briefe am Samstag sogar laut Gesetz zustellen. Bei Paketen ist das anders. Einige Paketdienste – wie zum Beispiel GLS – bieten sogar nur in wenigen Städten überhaupt eine Wochenendzustellung an. Hinzu kommt, dass die Samstags-Touren auch noch schlechter planbar ist. Weil weniger Personal im Einsatz ist, müssen die Zusteller größere Gebiete abdecken. Diese Routen können jedoch variieren. Deshalb kennen sich die Paketboten nicht so gut aus. Das gleiche Problem haben die vielen Aushilfen, die in den Weihnachtstagen zum Einsatz kommen.

Die Probleme vergrößern sich mit der steigenden Zahl der Pakete nur, klagt die Bundesnetzagentur. Doch den Verbrauchern fehle ein wirksamer Hebel, um sich gegen schlechten Service zu wehren. Die Bundesnetzagentur fordert deshalb nun die Einführung von Bußgeldern. Die sollen bei mangelhaften Leistungen gegen die Anbieter verhängt werden. „Solche Bußgelder sieht das Gesetz nicht vor“, sagte Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur. Bis zu zehn Prozent des Umsatzes könnten Unternehmen zahlen müssen, schlug Achim Wambach, Chef der Monopolkommision, vor. So hohe Strafen müssen auch Kartellsünder zahlen.

Doch hilft die Angst vor Strafen, die Probleme zu lösen? Paketdienste wie Hermes gehen einen anderen Weg. Die Tochter des Hamburger Otto-Konzerns hat in diesem Weihnachtsgeschäft erstmals Mengenbegrenzungen eingeführt. „Das heißt, wir haben mit unseren Kunden feste Kontingente verabredet“, sagte Frank Rausch, Geschäftsführer von Hermes in Deutschland. Nächstes Jahr will er noch einen Schritt weitergehen und erstmals die Preise für die Zustellung erhöhen. „Ich halte es für fahrlässig, dass der Handel den Kunden suggeriert, dass alles zu jeder Zeit und an jedem Ort lieferbar ist und das auch noch umsonst“, sagt er. Vielleicht müsse der Verbraucher umdenken, sagt Rausch. Wer mehr Service will, müsse dafür auch zahlen.

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