Aida, Tui Cruises und Co Die verrückten Ideen der Kreuzfahrt-Reeder

Kreuzfahrten boomen. Aber nicht jede Tour ist automatisch ein Erfolg. Um Kunden anzulocken, setzen die Reedereien auf immer verrücktere Konzepte wie Heavy-Metal-Kreuzfahrten und Yoga-Reisen - oder auf noch mehr Luxus.

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Metal-Kreuzfahrt, Gay-Cruise und Star Wars-Tag auf hoher See Quelle: Presse

Das beste Kreuzfahrtschiff der Welt hat einen Wellnessbereich mit Sauna und Eisbad, acht Restaurants und sechs Bars, einen Helikopter-Landeplatz, einen Golfsimulator und ein Spinning-Raum. Abends singt Roger Cicero. Der größte Luxus auf der "Europa 2" ist jedoch ein anderer: „Wir haben das größte Raumangebot pro Passagier und ein exzellenten Service", sagt Karl J. Pojer, Geschäftsführer von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, zu deren Flotte die Europa 2 gehört.

Auf jedes Crew-Mitglied kommen 1,4 Passagiere. Die Kabinen sind mindestens 28 Quadratmeter groß - mehr Platz als in vielen Studentenbuden. Das hat Douglas Ward, berühmtester Kreuzfahrer und gefürchtetster Kritiker der Branche anscheinend überzeugt. Die Europa 2, schwärmte der Brite im Berlitz Guide, sei "die schönste Yacht der Welt".

Kreuzfahrten boomen. Keine andere Art des Urlaubes hat in den vergangenen Jahren so viele Gäste gewonnen: Rund zwei Millionen Deutsche haben 2015 ihren Urlaub auf dem Meer verbracht, schätzt Helge Grammerstorf, Direktor des Kreuzfahrtverbandes CLIA. Damit sind die Deutschen Europameister der Kreuzfahrten.

Die spektakulärsten Kreuzfahrten
Oviation of the Seas Quelle: Presse
Seabourn Encore Quelle: Presse
Yoga-TourAuch deutsche Kreuzfahrtunternehmen haben die Sport-Kreuzfahrten für sich entdeckt: Tui Cruises startet dieses Jahr mit der ersten Yoga-Fahrt. Fußball-, Tauch- oder Golfreisen gibt es schon lange. Der Hamburger Fußballclub St. Pauli nutzt Kreuzfahrtschiffe als Trainingscamp für Kinder. Quelle: Presse
Gay-Cruise Quelle: Presse
Cougar-Kreuzfahrten Quelle: Fotolia
Full Metal Cruise Quelle: obs
FKK-KreuzfahrtenLiebhaber der Freikörperkultur (FKK) können das Nacktsein auch auf bestimmten Kreuzfahrten ausleben. Und das in einem ganz besonderen Ambiente: Der Royal Clipper ist ein 135 Meter langes 5-Mast-Segelschiff, das Platz für 227 Passagiere bietet. Auf dem Vier-Sterne-Luxus-Kreuzfahrtschiff fallen alle Hüllen: diese FKK-Kreuzfahrt ist nur für Nudisten, Paare und Singles ab 18 Jahren ausgelegt. Entlang der Adria werden sechs Länder mit FKK-freundlichen Häfen angesteuert: Slowenien, Kroatien, Montenegro, Albanien, Griechenland und Italien. Neben den zahlreichen Landausflügen gibt es drei Swimmingpools und Liegestühle, ein Spa- und Fitness Center, eine Bibliothek und eine am Heck befestigte Wassersportplattform. Die Kabinen sind in acht verschiedenen Kategorien buchbar. Die nächste Abfahrt ist Ende Mai dieses Jahres. Quelle: Presse

Den Reedereien reicht das noch lange nicht. Schließlich hat erst jeder 45. Deutsche in seinem Leben eine Kreuzfahrt unternommen – in den USA hat bereits jeder 23. seinen Urlaub mindestens einmal so verbracht. Die Kreuzfahrt-Unternehmen wollen noch mehr Urlauber aus den All-Inclusive-Ressorts am Mittelmeer auf ihre Schiffe locken. Und auch Städtereisende, Abenteuer-Urlauber und Festival-Besucher sollen auf den Kreuzern ihr neues Paradies finden.

Noch scheint die Nachfrage ungebrochen: "Die Passagierzahlen steigen an, wenn neue Schiffe auf den Markt kommen", sagt Kreuzfahrt-Experte Helge Grammerstorf. 45 Kreuzfahrtschiffe sollen bis 2022 zu Wasser gelassen werden, ermittelte CLIA. Das wären fast zehn Prozent mehr Schiffe als derzeit auf den Weltmeeren unterwegs sind.

Doch nicht jedes Schiff ist automatisch ein Erfolg: So tat sich Hapag-Lloyd Kreuzfahrten anfangs schwer, ihr neues Flagschiff Europa2 auszulasten – trotz der Auszeichnungen der Kritiker. Das Schwesterschiff Europa setzt noch auf Traditionen und Rituale wie das Kapitänsdinner, auf der Europa 2 geht es wesentlich ungezwungener zu. „Eine deutliche Differenzierung der Schiffe und eine schärfere Herausstellung war notwendig“, sagt Pojer. Damit schaffte die Tui-Tochter nach Verlusten im Vorjahr nun auch die wirtschaftliche Wende.

Diese Nationen verreisen am meisten

Das Problem: Mit jedem neuen neuen Schiff im Markt steigt der Druck auf die Reeder: Die Schiffe braucht ein Alleinstellungsmerkmal, der Wettbewerb um die Gäste ist hart. Und wer sich keine neuen Schiffe leisten kann, muss sich etwas anderes einfallen lassen, um im Markt aufzufallen.

Elf neue Ozeanriesen sollen alleine dieses Jahr auf Jungfernfahrt gehen. Mit dem Mein Schiff 5 bringt Tui Cruises, die Kreuzfahrt-Tochter des Hannoverschen Tourismusriesen Tui, ein neues Schiff auf den deutschen Markt. Kosten: Ein mittlerer dreistelliger Millionenbetrag. Konkurrent Aida bringt 2016 endlich die Aida Prima nach Deutschland - nach dem der Liefertermin wegen Problemen der Werft schon mehrfach verschoben werden musste. Wo genau die Ursache lag - ob bei dem gläsernen Spazierweg entlang der Bordwand, dem Klettergarten oder der Wasserrutschen-Landschaft, ist nicht bekannt.

Schlager-Reisen und Metall-Festivals

125 Jahre ist es her, dass ein Schiff von Hamburg aus zur ersten Kreuzfahrt in See stach: Die Augusta Victoria der Reederei Hapag beförderte eigentlich im Sommer Reisende und Auswanderer von Hamburg nach New York. Doch im Winter galt die Atlantiküberquerung als zu unbequem und gefährlich. Reedereibesitzer Albert Ballin ärgerte sich darüber, dass das Schiff untätig im Hafen liegen sollte. Also schickte er die Auguste Victoria los zu einer Spazierfahrt durch das Mittelmeer. 57 Tage reisten die 174 Passagiere und die 245 Crew-Mitglieder von Hamburg bis zum ägyptischen Alexandria. Die Tour wurde ein voller Erfolg.

Fast ein Jahrhundert lang änderte sich daraufhin an dem Konzept kaum etwas: Die Schiffe wurden etwas größer, moderner, luxuriöser. Doch das Publikum blieb das gleiche: Vermögend, gebildet, anspruchsvoll, luxusorientiert, und meist im Rentneralter. Erst zur Jahrtausendwende veränderte die Aida den deutschen Markt.

Das Schiff mit dem roten Kussmund brachte das All-inclusive-Prinzip in die deutschen Häfen: Kreuzfahrt, aber bitte mit Rundum-Sorglos-Paket, und das auch bei der Unterhaltung. Fortan interessierte es die Reisenden nicht mehr, ob sie beim Dinner einen Sitzplatz neben dem Kapitän ergattern können - solange in der Disco an Bord gute Stimmung ist.

Heute verspricht Aida, mittlerweile Teil der britischen Carnival Cooperation, dass Passagiere bei einer normalen Kreuzfahrt im Durchschnitt 14 Stunden Show und mehr als 70 Stunden Livemusik erleben können. Zu dem Abendprogramm gehört nicht nur eine Variante von "Wer wird Millionär" mit Passagieren, sondern auch die bordeigene Casting-Show "The Voice of the Ocean". Noch lieber holen sich die Reedereien einfach Stars an Bord: Nena oder Helene Fischer sind Stammgäste auf den deutschen Kreuzfahrtschiffen, Udo Lindenberg hat sogar seine eigene Fan-Kreuzfahrt.

Die beliebtesten Reiseziele weltweit
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Tower Bridge, London Quelle: REUTERS
Karlsbrücke, Burg in Prag, Tschechien Quelle: dpa
Pfirsichblüte, Hanoi, Vietnam Quelle: REUTERS

Doch selbst Udo Lindenberg kann nicht mit dem Erfolg der "Full Metal Cruise" mithalten. Zum vierten Mal schifft Tui Cruises einen Haufen Metall-Fans über das Meer, dieses Jahr geht es nach Norwegen. Mit an Bord: Ein Tatöwierer, ein Currywurst-Imbiss und mehrere tausende Liter Bier. Mit dem Angebot für die mehrheitlich langhaarigen Schwarzträger hat Tui Cruises die gesamte Branche überrascht. "Es haben nur wenige Branchenkenner daran geglaubt, dass Metaller Kreuzfahrten machen wollen", sagt Experte Grammerstorf. "Bei der ersten Kreuzfahrt war die Angst noch groß, dass man danach das Schiff renovieren müsse.“ Bestätigt hat sich das nicht.

Golfplatz an Bord

Hinter dem Versuch steht die Strategie, neue Zielgruppen für Kreuzfahrten zu begeistern. Denn wer keine Lust auf die klassische Mittelmeer-Spazierfahrt hat, hat vielleicht doch an einem Festival an Bord Interesse? Oder an einer Sport-Tour? Mittlerweile gibt es Kreuzfahrten für Fußballer, Taucher oder Rennradfahrer. Tui Cruises startet dieses Jahr zur ersten Yoga-Kreuzfahrt. Und bei Hapag-Lloyd gibt es selbst für Golfspieler Touren, bei denen das Schiff von Golfplatz zu Golfplatz schippert. "Der Sport passt einfach gut zu unserer Zielgruppe", sagt Karl J. Pojer, Geschäftsführer von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten.

Die Urlaubs-Trends 2015

Unterwegs können die Sportler dann mit einem Golf-Profi und im Golf-Simulator an ihrem Schwung üben, oder sich sogar ihren Schläger reinigen lassen. Die amerikanische Reederei Celebrity Cruises, eine Tochter des Marktführer Royal Caribbean, legt noch eins drauf: Auf ihren Schiffen können Golfer sogar auf 2000 Quadratmeter Echtrasen auf dem Schiff proben. Möglich wird das erst, weil eine amerikanische Universität extra für die Kreuzfahrtindustrie eine Grassorte herangezüchtet hat, die auch Salzwasser und die gnadenlose Karibik-Sonne verträgt.

Richtung Amazonas und Nordpol

Erfolgsversprechend sind vor allem die Themenfahrten, die sich an eine homogene, gut vernetzte Gruppe richtet. So wie zum Beispiel die Schwulen-Szene. Im nächsten Jahr will der Frankfurter Reiseveranstalter Dertour, eine Tochter der Rewe-Gruppe, zur ersten deutschen Gay Cruise aufbrechen, nur für schwule Männer. Fast zum selben Zeitpunkt plant Tui Cruises die erste "Rainbow Cruise", die sich an die gesamte lesbische, schwule und Transgender-Szene richtet. Konkurrent Dertour warf Tui daraufhin vor, die Idee gestohlen zu haben. Dabei gibt es in den USA schon längst entsprechende Reisen.

Andere Reedereien setzen auf Luxus und exklusive Routen, um Kunden an Bord zu locken. In der Karibik haben sich die meisten Reedereien mittlerweile eigene Inseln zugelegt, um ihre Gäste mit unbekannten Zielen und besonderem Luxus zu locken. Ein Urlaub, wie es sonst nur Stars wie Johnny Depp, Shakira oder David Copperfield erleben.

Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, der deutsche Anbieter im Luxussegment, setzt auf exotischere Ziele: Mit seinen Expeditionsschiffen fährt die Reederei den Amazonas hinauf oder vorbei an Eisbergen an der Nord-Ost-Passage in der Arktis. „Unser großer Vorteil ist, dass unsere Schiffe auch die Routen fahren können, für die andere viel zu groß sind“, sagt Geschäftsführer Pojer. Statt Musical-Abenden können die Passagiere sich abends mit Experten unterhalten. „Wer den Amazonas lang fährt, möchte auch etwas über die Natur und die Völker dort erfahren“, sagt Pojer.

Sollte den Gästen das noch nicht außergewöhnlich genug sein, Hapag-Lloyd hat noch ein weiteres Angebot in seiner Liste: Eine Rundreise im Privatjet, auf den Spuren des legendären Diamanten Koh-i-Noor, der die Krone der britischen Queen Mary schmückte. Der Preis für eine zwölftätige Reise, von London über den mittleren Osten bis nach Indien: Rund 37000 Euro.

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