Air Berlin "Das ist kein Autoverkauf, den man an einem Tag abwickelt"

Die Insolvenzexperten Lucas Flöther und Frank Kebekus sollen bei der Fluglinie retten, was zu retten ist. Sie wehren sich gegen Vorwürfe, Lufthansa würde als Bieter bevorzugt, setzen auf einen schnellen Verkauf - und auf die Überzeugungskraft von Schokoherzen.

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Wer am Bieterrennen um Air Berlin teilnimmt
Ein Lufthansa Airbus A319 Quelle: REUTERS
Auch die britische Fluggesellschaft Easyjet möchte sich an Air Berlin beteiligen. Quelle: dpa
Der ehemalige LTU-Mehrheitsgesellschafter Hans Rudolf Wöhrl auf einer Pressekonferenz. Quelle: dpa
Ein Condor-Passagierflugzeug auf dem Weg nach Mallorca. Quelle: dpa
British Airways British Airwaysäußert sich nicht offiziell zum Interesse an Air Berlin. Die British-Airways-Mutter IAG hat Insidern zufolge aber ein Angebot abgegeben und gehört nach Ansicht von Branchenexperten und Analysten zusammen mit der Lufthansa zu jenen Airlines in Europa, die am ehesten eine große Übernahme stemmen können. Quelle: AP
Utz Claassen Der ehemalige Energie-Topmanager interessiert sich einem Medienbericht zufolge ebenfalls für Air Berlin. Offiziell will er sich dazu aber nicht äußern. Das "Handelsblatt" berichtete, Claassen habe ein 17-seitiges "Angebot zur Komplettübernahme und expansiven Sanierung der Air Berlin" vorgelegt. Demnach biete der Manager einen Kaufpreis von 100 Millionen Euro und wolle bis zu 600 Millionen Euro zusätzlich an Liquidität zur Verfügung stellen. Die Namen der beteiligten Investoren aus den USA, Großbritannien, Singapur und Deutschland benenne er darin nicht, so das Blatt weiter. Claassen verspreche die Übernahme der gesamten Belegschaft "unter der Voraussetzung angemessener wettbewerbsgerechter Vergütungsstrukturen". Quelle: dpa
Link Global LogisticsDer chinesische Unternehmer Jonathan Pang von der Betreibergesellschaft des Flughafens Parchim in Mecklenburg-Vorpommern hat am Donnerstag ein verbindliches Angebot abgegeben. Dies bestätigte sein Anwalt Helmut Naujoks, ohne sich zu Details zu äußern. Einem Insider zufolge bietet Pang rund 600 Millionen Euro und will alle rund 8000 Air-Berlin-Mitarbeiter übernehmen. Unklar blieb zunächst, ob sich der Gläubigerausschuss die Offerte noch anschaut. Die eigentliche Frist für Bieter war am 15. September abgelaufen. Ein Air-Berlin-Sprecher hatte bereits damals betont, die Frist gelte für alle. Pang würde bei einer erfolgreichen Übernahme eine Kooperation seiner Logistikfirma Link Global Logistics mit der Fluggesellschaft ausloten, hieß es zuletzt. Dazu könnten auch Air-Berlin-Flugzeuge nach Parchim verlegt werden. Pang hatte 2007 den ehemaligen Militärflughafen in Parchim gekauft, rund 160 Kilometer nordwestlich von Berlin. Das EU-Recht sieht allerdings vor, dass die Mehrheit des Eigentums und die Kontrolle der Airline von Europäern gehalten wird. Quelle: dpa

Die Maschine setzt sanft in Berlin Tegel auf. Die Anschnallzeichen erlöschen, Gedränge im Gang, schnell noch das Air-Berlin-Schokoherz gegriffen und raus. Im Slalomkurs geht es Richtung Ausgang, vorbei an Rollkoffern und Taschen. Eigentlich alles wie immer. Wer derzeit mit Air Berlin fliegt, spürt nicht unbedingt, wie es um die Fluglinie steht. Im Hauptquartier von Air Berlin, nur eine Busstation entfernt vom Flughafen, sieht es anders aus. Seit das Management Mitte August ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung angemeldet hat, herrscht hier Hochbetrieb, wird Tag und Nacht verhandelt, um zu retten, was zu retten ist. Zwei Juristen sind jetzt die Herren des Verfahrens. Der Düsseldorfer Sanierungsexperte Frank Kebekus steuert Air Berlin durch die Untiefen des Insolvenzrechts und begleitet den Verkaufsprozess. Lucas Flöther beaufsichtigt als vorläufiger Sachwalter die Rettungsmission und soll die Interessen der Gläubiger wahren. Beide zählen zu den renommiertesten Insolvenzrechtlern des Landes und tauchen regelmäßig im Ranking der führenden Insolvenzverwalter auf.

Flöther und Kebekus betreten einen Konferenzraum in der sechsten Etage der Air-Berlin-Zentrale. Das Duo wirkt hochkonzentriert und gibt sich kämpferisch. Bisher haben sie es geschafft, dass der Flugbetrieb trotz Insolvenz weitergeht. Die Politik macht Druck, Wettbewerber wähnen eine Verschwörung und auch die 20-Stunden-Schichten fordern langsam ihren Tribut. Vor allem aber kämpfen sie gegen die Zeit, denn „Air Berlin verbrennt Cash“, sagt Kebekus. „Zudem ist ein Insolvenzverfahren nicht gerade die beste Werbung für eine Fluggesellschaft“. So seien die Buchungen rückläufig. „Bei den kurzfristigen Buchungen liegen wir derzeit nur rund sechs bis sieben Prozent unter Vorjahr. Bei Buchungen für Flüge, die in ein paar Monaten stattfinden, sind die Kunden zurückhaltender. Das betrifft vor allem die Langstrecke“, sagte Kebekus. „Es besteht die Gefahr, dass uns das Geschäft wegbricht, falls der Verkauf zu lange dauert.“

Entsprechend zügig laufen die Verhandlungen, auch wenn Kebekus nicht davon ausgeht, dass es noch in diesem Monat konkrete Lösungen geben wird. „Vor September wird es höchstwahrscheinlich keine großen Deals geben“, sagt Kebekus. „Das ist kein Autoverkauf, den man an einem Tag abwickelt“, so Kebekus. Man dürfe die Komplexität solcher Transaktionen nicht unterschätzen. „Es ist nicht so, dass wir nur den Stift zücken müssten, um die Verträge zu unterschreiben.“

Air Berlin: Das Ringen um die Flughafen-Slots

Der Sanierungsexperte verhandelt derzeit mit verschiedenen Interessenten über Streckennetze und Start- und Landerechte, sowie über Tochterunternehmen wie den Ferienflieger Niki und die ausgelagerte Air Berlin Technik. Vor allem die Lufthansa galt früh als aussichtsreichste Interessentin und hat ihr "Interesse am Erwerb von Teilen" der Air Berlin inzwischen mit einem Gesamtkonzept konkretisiert, wie der Konzern am Mittwochabend erklärte. Doch entschieden ist noch nichts. Außer Lufthansa sind Easyjet und Tuifly sowie die Thomas-Cook-Tochter Condor als Interessenten bekannt. Auch Ryanair und der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl wollen die Linie nach eigenem Bekunden übernehmen, haben aber massive Kritik am Verkaufsprozess geäußert. Dieser, so der der Tenor ihrer Vorwürfe, diene nur dazu, Fakten zu schaffen und Lufthansa als Käufer durchzusetzen. Kebekus weist das entschieden zurück. „Wir haben einen offenen Verkaufsprozess“, sagt er. „Jeder seriöse Kandidat, der nachhaltiges Interesse an Air Berlin zeigt, erhält Zugang zum Datenraum und kann ein Angebot abgeben.“ Das einzige Problem sei der Zeitdruck. „Ein Player wie die Lufthansa, die schon vor dem Insolvenzantrag am Tisch saß, hat damit automatisch einen Informationsvorsprung. Daran können wir aber nichts ändern, und das hat auch nichts mit einem abgekarteten Spiel zu tun.“ Egal, wer letztlich den Zuschlag für die lukrativen Teile der Fluglinie bekommt, für die Aktionäre und Anleiheinvestoren des Unternehmens wird wenig bis nichts übrig bleiben.

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