Air Berlin Das steckt hinter dem Börsen-Trubel der Airline

Ein Bericht über den möglichen Börsen-Rückzug von Air Berlin lässt die Aktie einbrechen. Deutschlands zweitgrößte Fluglinie wirkt angeschlagener denn je. Das steckt dahinter.

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Aktie auf Talfahrt: Air Berlin überlegt Rückzug von der Börse. Quelle: dpa Picture-Alliance

Dass 2016 kein leichtes Jahr für Stefan Pichler wird, war klar. Die WirtschaftsWoche kürte den Air-Berlin-Chef deshalb schon zum Jahreswechsel als Manager mit dem härtesten Job. Tatsächlich kommt es derzeit knüppeldick.

Was ist passiert?

Air Berlin kommt einfach nicht aus der Krise. Jetzt wird offenbar der Rückzug von der Börse durchgespielt, berichtet das „Handelsblatt“. Die Großaktionäre, allen voran die arabische Fluglinie Etihad, diskutieren Modelle, wie sie Air Berlin von der Börse nehmen können, heißt es in dem Bericht unter Berufung auf Insider. Air Berlin soll zukünftig enger mit Alitalia Airlines zusammenarbeiten, an der Etihad ebenfalls beteiligt ist. Kommentieren wollten Air Berlin und Etihad das bislang nicht. Die Aktie brach am Dienstag dennoch zeitweise um mehr als 20 Prozent ein.

Die Chronik von Air Berlin

Warum der Rückzug von der Börse?

Seit dem Allzeithoch von über 20 Euro im Frühjahr 2007 ist die Air-Berlin-Aktie tief gefallen. Am Dienstag notiert sie bei unter 80 Cent. Die Aussichten auf einen plötzlichen Kurssprung sind gering. "Air Berlin von der Börse zu nehmen, scheint sinnvoll", sagt der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. "Schließlich bekommt das Unternehmen dort kein Kapital mehr." Gleichzeitig setzt die Publizitätspflicht Air Berlin zu - schließlich ist das Unternehmen schon lange finanziell angeschlagen.

Der wichtigste Grund dürfte jedoch ein anderer sein: Der Großaktionär Etihad will seinen Einfluss auf Air Berlin weiter stärken. "Für Etihad wäre es ohne die Börse im Rücken einfacher, in Zukunft die eigene Strategie durchzusetzen", sagt Großbongardt.

Neu sind die Pläne nicht: Bereits 2014 kursierten Pläne über das sogenannte Delisting. Doch der Abschied von der Börse ist mit vielen Hürden verbunden.

Warum ist das mit dem Delisting nicht so einfach?

Damit sich Air Berlin von der Börse zurückziehen kann, müsste wahrscheinlich ein Teil der Aktionäre ausgezahlt werden. Etihad selbst kann nicht größer einsteigen: Air Berlin muss mehrheitlich in europäischer Hand bleiben, damit die Start- und Landerechte für die deutsche Airline nicht verloren gehen. Und Etihad hält bereits 29,2 Prozent, weitere zwölf Prozent gehören der türkischen ESAS Holding. Die restlichen Anteile liegen in der Hand von Kleinaktionären.

Denkbar wäre, dass eine GmbH auf die Anteile dieser Aktionäre bietet, berichtet das “Handelsblatt”. Ähnliche Pläne gab es bereits vor zwei Jahren: Damals sollte ein Konsortium von Unternehmern auf Air Berlin bieten. Das Geld dafür hätte das Konsortium auch aus Krediten von Air Berlin oder Etihad selbst bekommen können.

Das Bundesverkehrsministerium und die EU-Behörden fürchteten jedoch, dass Etihad das Unternehmer-Konsortium nur als Strohmänner nutzen könnte, um seinen Einfluss zu stärken. Möglich wäre, dass deshalb Alitalia diese Rolle übernimmt und die Air-Berlin-Anteile von der Börse holt.

Wie könnte eine Zusammenarbeit mit Alitalia aussehen?

Die beiden Airlines haben viele Gemeinsamkeiten: Beide teilen sich mit Etihad auch Flüge über das sogenannte Codesharing. Beide dienen dem Großaktionär Etihad als Zubringer, in dem sie mit ihren Flugzeugen Passagiere zu den wichtigen Etihad-Flughäfen befördern, wo die Fluggäste in eine Etihad-Maschine umsteigen können. Und beiden geht es finanziell schlecht. In einem Szenario könnte Alitalia künftig einen Teil der administrativen Tätigkeiten und auch des Betriebs von Air Berlin übernehmen. Dadurch könnte Air Berlin möglicherweise Kosten sparen.

Die Schwierigkeiten von Air Berlin und der Einfluss von Etihad

Wie ist die finanzielle Lage von Air Berlin?

Mehr als angespannt. 2014 flog Air Berlin 300 Millionen Euro Minus ein. Der größte Verlust der Geschichte. Bei der Vorstellung des Jahresberichts Ende April wird Pichler minimal bessere Zahlen für 2015 verkünden können, aber keine guten. Die ersten beiden Quartale brachten einen Verlust von mehr als 247 Millionen Euro ein. Nur in den traditionell starken Sommermonaten des dritten Quartals blieb ein Plus von 56,2 Millionen. Immerhin eine Stabilisierung.

Gibt es weitere Anzeichen für Probleme?

Ja. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Gehälter der Topmanager um fünf bis zehn Prozent gekürzt werden. Außerdem will Air Berlin die Zahlung von Überstundenzuschlägen an seine Piloten vorübergehend aussetzen. Die Linie versucht an allen Enden zu sparen.

Wie sieht die Strategie von Air Berlin aus?

In der Branche wird sie als „Eiertanz“ bezeichnet. Kurz nach Amtsantritt plante Stefan Pichler noch die radikale Schrumpfkur. Was Verlust bringt, so der Gedanke, sollte nach Möglichkeit gestrichen werden. Das Vorhaben scheiterte am Widerstand von Großaktionär Etihad. Nun versucht sich Air Berlin an einer Mischung aus Einsparungen und dem Ausbau von Langstreckenangeboten - letzteres auf Wunsch von Etihad. Eine stärkere Kooperation mit Alitalia wäre ein erneuter Richtungsschwenk, der Air Berlin ein weiteres Stück Eigenständigkeit kosten würde.

Wie groß ist der Einfluss von Etihad wirklich?

Offiziell halten die Araber knapp 30 Prozent an Air Berlin. In Wahrheit ist ihr Einfluss deutlich größer. Etihad hält Air Berlin mit immer neuen Finanzspritzen am Leben. Etihad soll auch gehörigen Einfluss auf die Personalentscheidungen im Spitzen-Management haben. Air Berlins neuer Chief Operations Officer Oliver Iffert etwa kommt direkt von Etihad Airways.

Was hat Etihad mit Air Berlin und den anderen europäischen Partnern vor?

„Etihad hat eine Legion der Fußkranken um sich versammelt“, sagt Luftfahrt-Experte Großbongardt. Tatsächlich haben sich die Araber in den vergangenen Jahren bei finanzschwachen Fluggesellschaften eingekauft. An Linien wie Alitalia, Air Serbia, Air Seychelles halten die Araber zwischen 25 und 49 Prozent.

Dass die Linien keine Gewinnbringer sind, stört den Großaktionär vom Golf dabei nicht. "Etihad will die Präsenz im europäischen Raum um jeden Preis erhöhen", sagt Großbongardt. Die Beteiligungen sollen der Golf-Linie Zugang zu den wichtigen Märkten verschaffen, und Kunden locken, die dann über die Drehkreuze in Abu Dhabi weitergeleitet werden. So gelang Etihad vom kleinen Markt im Heimatstaat aus bereits ein rasanter Aufstieg.

Wo wird der Einfluss von Etihad zum Problem?

Weil es der Golf-Airline bei seinen Beteiligungen vor allem um die Zubringerfunktion geht, werden Strecken aufrechterhalten, die Air Berlin kaum wirtschaftlich fliegen kann. Dass sich die deutsche Fluglinie nun stärker auf der Langstrecke  engagiert, ist ebenfalls dem Wunsch der Araber geschuldet. Die fehlende Gesamtstrategie macht sich bemerkbar: Wie die WirtschaftsWoche vorab berichtet, wurde die Langstreckenverbindung nach Dallas schon vor dem eigentlich Start wieder abgesagt. Das Interesse war zu gering.

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