Air Berlin in der Dauerkrise Steht Air Berlin vor der Bruchlandung?

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Die Kosten sind zu hoch – nach wie vor

Der Punkt ist: Air Berlin will auf vielen Hochzeiten gleichzeitig tanzen – Premiumverkehr, Billig-Airlines und Urlaubsflieger –, kann aber nirgends als Spezialist den Ton angeben und kann am Ende oft nur mit einem Argument überzeugen: dem Preis. Und so kommt es, dass Air Berlin nicht kostendeckend arbeiten kann. Im zweiten Quartal sanken die Kosten je angebotenem Sitzplatzkilometer um gut drei Prozent – wegen Pichlers Sparmaßnahmen, aber auch vor allem wegen gesunkener Treibstoffkosten. Die Ticketpreise sanken im Quartal aber fast doppelt so stark – die Einsparungen wurden sofort mehr als aufgezehrt.

Sparbemühungen hin oder her: Seit Jahren liegen die Kosten pro Sitzkilometer über dem Umsatz, wie die Grafik zeigt. Besserung ist kaum in Sicht – steigt der Umsatz mal um 0,09 Cent pro Sitzplatzkilometer, legen die Kosten im selben Zeitraum um 0,18 Cent zu. Oder geben die Kosten in einem anderen Jahr um 0,1 Cent nach, fällt der Umsatz gleich um 0,19 Cent. Alles zu Ungunsten von Air Berlin.



Auch der Kostenvergleich mit anderen Airlines zeigt die schwere Lage von Air Berlin. Ohne die stark schwankenden Treibstoffkosten (die auch für alle Fluggesellschaften mehr oder weniger gleich sind), hängt Air Berlin zwischen den Stühlen: Die Kosten sind deutlich höher, als bei Billigfliegern wie Ryanair, jedoch deutlich unter denen der Lufthansa. Jetzt kommt das Aber: Bei der Kranich-Linie zeigt die Tendenz nach unten. Und bei Air Berlin nach oben.



Wo Air Berlin sein sollte, zeigt IAG. Die Dachgesellschaft mit angesehenen Marken wie British Airways und Iberia muss im Schnitt nur 5,05 Cent je Sitzkilometer aufwenden – 2,81 Cent weniger als die zweitgrößte deutsche Airline. Im zweiten Quartal drückt sich das so aus: Air Berlin weißt ein negatives EBIT von 63 Millionen Euro aus, während IAG operativ 555 Millionen Euro verdient.

Wichtiger Faktor bei den Ausgaben einer Fluggesellschaft sind die Kosten für den Betrieb der Flotte. Hier hat Air Berlin bereits vor Pichlers Antritt eine wichtige Entscheidung gefällt: Die restlichen Boeing-Flugzeuge – im Jahr 2014 waren das 45 Stück – werden bis Ende 2016 aus dem Verkehr gezogen. Setzt man nur noch Airbus-Jets ein (und dort vornehmlich Varianten der A320-Baureihe) sinken die Kosten im Teileeinkauf und vor allem jene in der Aus- und Weiterbildung für Boden- und Bordpersonal sowie die Piloten. Eine Übersicht der Modelle finden Sie in unserer Bilderstrecke.



Auf ihrer Homepage rühmt sich Air Berlin „eine der jüngsten Flotten Europas“ zu besitzen und so mit den modernen Fliegern „sicher, sparsam und umweltschonend“ unterwegs zu sein. „Besitzen“ trifft es allerdings nicht mehr genau, „betreibt“ wäre treffender.

Wie der „Tagesspiegel“ im Juli berichtete, besitzt Air Berlin selbst gar keine Flugzeuge mehr. „Es ist richtig, dass die Air-Berlin-Flotte ausschließlich aus geleasten Flugzeugen besteht“, bestätigte ein Sprecher die Informationen der Zeitung. Geleaste Flugzeuge mit oder ohne Personal sind in der Branche keine Seltenheit. Die gesamte Flotte nur noch zu leasen allerdings schon.

Flugzeuge im Eigenbesitz dienen als Sicherheit. Mit geleasten Fliegern kann aber flexibel auf schwankende Nachfragen reagiert werden. Aus diesem Grund gehören der Lufthansa rund 80 Prozent der Flugzeuge selbst, der Rest wird über kurz- oder mittelfristige Verträge geleast. Im Falle vom Air Berlin kommt hinzu, dass geleaste Flugzeuge Kreditgebern gegenüber nicht als Sicherheit dienen.

Die Personalkosten der Fluggesellschaften

Werden mit den Leasing-Fliegern nicht nur Nachfrage-Spitzen abgefangen, schmilzt auch der Kostenvorteil. Ein gekauftes Flugzeug ist irgendwann abgeschrieben, dann fallen nur noch die Betriebs- und Wartungskosten an. Air Berlin muss nicht nur die Kosten für Betrieb und die teure Wartung stemmen, sondern auch die Gebühren berappen.

Egal welche Kennziffern oder Statistiken man zurate zieht, ein positiver Ausblick für Air Berlin lässt sich daraus kaum ableiten. Und genau das könnte für die Airline irgendwann zum Problem werden: Übersteigen die Verbindlichkeiten das Betriebsvermögen, führt nur ein Weg an der Insolvenz vorbei. Das ist eine „positive Fortführungsprognose“. Alles andere kommt dem Tatbestand der Insolvenzverschleppung nahe.

Die Aussichten sind also nicht nur für Air Berlin düster – sondern auch für das Top-Management.

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