Air Berlin Was die Linie von ihrem Retter alles braucht

Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann arbeitet an neuen Partnerschaften neben der Lufthansa. Denn nur mit Helfern wie Delta aus den USA oder chinesische HNA Group kann er die Kosten so weit senken, dass die Linie überlebt.

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Airberlin: Probleme, die der Airline erst bevorstehen. Quelle: dpa Picture-Alliance

Wenn es um die Zahl seiner Partner geht, kann sich Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann eigentlich nicht beklagen. Deutschlands zweitgrößte Airline hat je nach Zählweise bis zu 25 Bindungen an andere Fluglinien. Darunter sind prominente Namen wie American Airlines, British Airways, Etihad aus Abu Dhabi und nicht zuletzt die Lufthansa, für die die Hauptstadtlinie 38 Jets betreibt.

Trotzdem will Winkelmann mehr. „Wir sind offen für neue Partnerschaften neben unseren bisherigen mit Etihad und Lufthansa“, erklärte der ehemalige Lufthansa-Manager, als er vor zwei Wochen die Bilanz für 2016 vorstellte, mit Rekordverlusten und Schulden in Milliardenhöhe.

Hinter Winkelmanns Wunsch steckt keine Gier, sondern der schiere Überlebenswillen. Denn seine vielen Verbindungen haben einen Nachteil: „Die meisten bringen wenig ein und nicht wenige davon vergrößern sogar unsere Probleme“, so ein Insider. So verlangt etwa Etihad im Gegenzug für ihre Hilfe, dass Air Berlin viele Verlust-Strecken bedient.

Aufstieg und Niedergang von Air Berlin
Kim Lundgren (l), Mitgründer und Präsident der 'Air Berlin Inc.' und Pilot, mit seinem Sohn Shane Lundgren, ebenfalls Pilot bei Air Berlin Inc. Quelle: airberlin
Joachim Hunold Quelle: airberlin
Einstieg ins Linienfluggeschäft Quelle: airberlin
Service an Bord von Air Berlin 2003 Quelle: airberlin
Niki Lauda (2009) Quelle: dpa
Airbus A 320 (2005) Quelle: airberlin
dba Air Berlin Quelle: AP

Das soll bei einem neuen Partner anders werden. „Mit dem Richtigen hätten wir pro Jahr mindestens 300 Millionen Euro mehr in der Kasse“, heißt es in Berlin. „Damit würden wir dann zumindest operativ wieder Geld verdienen.“ Einen möglichen Partner neben Lufthansa und Etihad sucht Winkelmann laut Insidern derzeit vor allem außerhalb Europas. Kontakte gibt es zu Delta in den USA, die sich bereits an fast einem halben Dutzend Fluglinien beteiligt hat. Noch öfter fällt der Name der chinesischen HNA Group, die weltweit fast 20 Fluglinien betreibt.

Die Suche gilt zwar vielen in der Branche als Ablenkung. Sie glauben, Winkelmann sei nur eine Art Strohmann von seinem Duz-Freund und Lufthansa-Chef Carsten Spohr. „Es soll doch nur so aussehen, dass es am Ende keine Alternative zur Lufthansa gibt, auch wenn dafür das Kartellrecht gebrochen werden muss“, formuliert Ryanair-Chef Michael O’Leary den Unmut der Wettbewerber. Doch ein Vertrauter Winkelmanns weist das zurück. „Für eine Rolle als Marionette ist Thomas nicht zu haben.“

Was genau Winkelmann von seinem neuen Helfern erwartet, behält er noch für sich. „Sie können gerne bei uns investieren, müssen aber nicht“, mehr gab der 57-Jährige bisher nicht preis. Wer sich in der Air-Berlin-Zentrale in der Nähe des Berliner Flughafens Tegel umhört, erfährt jedoch: „Es geht nicht in erster Linie um Spenden, sondern Hilfe beim Sparen“, so ein Insider. Konkret geht es um drei Dinge, die rund 300 Millionen Euro pro Jahr bringen sollen.

In Ruhe arbeiten lassen, bei Geldgebern den Rücken stärken

1. Air Berlin in Ruhe arbeiten lassen

Grundlage von Flugpartnerschaften sind gewöhnlich, dass sich die Linien ergänzen und auch Flüge anbieten, die sich alleine nicht so recht rechnen. Als Negativbeispiel in der Branche gilt hier die Verbindung zu Etihad. Zwar hat die Linie aus dem Emirat Abu Dhabi ihre deutsche Tochter mit je nach Rechnung bis zu fast zwei Milliarden Euro unterstützt durch Kredite, als Darlehen getarnte Geldgeschenke oder den Kauf von Unternehmensteilen wie dem Top-Bonus-Vielfliegerprogramm zu Preisen, die in der Branche als deutlich überhöht gelten.

Das hat Air Berlin zwar das Leben gerettet. Doch der Preis waren nicht nur defizitäre Flüge zum Füllen der Etihad-Maschinen in Deutschland oder Abu Dhabi. Air Berlin musste rentable Routen aufgeben – wie nach Thailand oder in den Indischen Ozean. Dafür mussten sich die Hauptstädter auch mit anderen Etihad-Beteiligungen wie Alitalia oder der Schweizer Etihad Regional verbünden, die sie im Alltag behinderten.

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Das soll bei den neuen anders sein – zumindest am Anfang. „Wenn wir mit unseren Flügen Umsteiger liefern können, gern“, so ein Insider. „Ansonsten müssen wir erstmal unser Überleben sichern, bevor wir Wünsche erfüllen können.“

2. Bei Geldgebern den Rücken stärken

Aus Sicht von Winkelmann plagen Air Berlin weniger zu hohe Kosten im reinen Flugbetrieb. Das größte Problem sind die finanziellen Sünden der Vergangenheit wie die hohen Schulden, die inklusive Hybridkapital genannter Finanzkonstrukte bei fast 1,5 Milliarden Euro liegen.

Davon soll Air Berlin zum einen Etihad befreien, die auf die gut eine Milliarde Euro verzichtet, die Air Berlin schuldet. Beim Rest soll der neue Partner helfen. 20 Millionen pro Jahr könnte allein eine Umschuldung der bis zu 300 Millionen Euro bringen, die auch nach einem Teilverzicht von Etihad noch übrig blieben. Wegen ihrer schwachen Bilanz zahlt Air Berlin Banken und Anleihegläubigern aktuell Zinsen von im Schnitt gut zehn Prozent. „Mit einem solventen Partner und der Aussicht auf eine gute Partnerschafft kommen wir auf zwei bis drei Prozent“, heißt es im Unternehmen.

Die Rolle als eine Art Bürge könnte zwar auf den ersten Blick auch die Lufthansa übernehmen. Doch davon will Winkelmann offenbar nichts wissen. Zwar hat das Bundeskartellamt die Kooperation Lufthansa-Air Berlin abgesegnet. Doch es bleibt die Kritik, dass bereits die heutige Kooperation zwischen Lufthansa und Air Berlin gegen das Kartellrecht verstoßen könnte. „Spätestens wenn wir jetzt auch noch irgendwo gemeinsam verhandeln, hätten wir wieder gewaltigen Ärger“, glaubt ein Insider.

Eine Einkaufsgemeinschaft bilden

3. Eine Einkaufsgemeinschaft bilden

Ähnlich miese Konditionen wie bei den Banken bekommt Air Berlin auch bei den Flugzeugverleihern. Aus gutem Grund. „Wir haben einen miserablen Ruf, weil wir unsere Maschinen immer gewagter finanziert haben, um unsere Löcher zu stopfen“, so ein Insider. Zwar waren beim Börsengang mal alle Maschinen im Besitz des Unternehmens oder ihrer Gesellschafter. Doch die wachsenden Verluste aus den vielen Zukäufen wie der Düsseldorfer LTU und mäßiges Management rissen so große Löcher, dass der damalige Finanzchef Ulf Hüttmeyer nach und nach alle verkaufte und zurück leaste.

„Und in der Regel waren bei jedem Deal waren die Leasingraten bei jedem Deal etwas höher“, heißt es im Unternehmen. Am Ende zahle die Fluglinie pro Flugzeug und Monat bis zu gut einem Drittel mehr als andere Fluglinien. Im vergangenen Geschäftsjahr summierte sich das angeblich auf mehr als zu 200 Millionen Euro.

Die größten Fluggesellschaften Europas

Das wäre bei einem starken Partner anders. Selbst wenn die Linie wie geplant nicht nur 38 Maschinen an die Lufthansa gibt und weitere 33 in das geplante Gemeinschaftsunternehmen mit Etihad und dem Reiseriesen Tui einbringt, ließen sich bei den verbliebenen 75 Flugzeugen bis zu 150 Millionen sparen. „Da haben wir mit einem Partner, der ein paar Hundert Flugzeuge hat, einen anderen Hebel als heute mit 75 Flugzeugen“, sagt ein Insider.

Wie das geht hat Air Berlin bei ihrem Deal mit der Lufthansa gezeigt. Bei fast allen Maschinen, die Air Berlin für sie betreibt, hat sie die Leasingverträge neu verhandelt. Die dem Vernehmen nach gut 30 Millionen Ersparnis hat sie an Air Berlin weitergegeben. „Eine Triple-Win-Situation“, nannte Winkelmann dies einmal: Seine Linie habe niedrigere Kosten, Lufthansa hat weniger Ausgaben und die Leasingfirmen mit der Lufthansa einen zuverlässigen Kunden, mit dem sie bei ihren Geldgebern punkten können.

Das Modell will Winkelmann auch auf den Umgang mit anderen Kunden übertragen. Infrage kommen nicht nur die Flughäfen mit ihren Gebühren für Landung und Abfertigung oder Spritlieferanten. Der größte Posten sind Einsparungen bei den Reservierungssystemen wie Amadeus, über die vor allem Reisebüros und Firmenkunden ihre Flugbuchungen abwickeln.

Hier will Air Berlin gut 120 Millionen einsparen. Denn wie bei den Flugzeugfinanzierungen hat Air Berlin auch hier aus Geldmangel reichlich unvorteilhafte Deals abgeschlossen. Gegen üppige Vorauszahlungen hat sich die Linie etwa verpflichtet, alle ihre Buchungen über diese Netze laufen zu lassen. Nun zahlt sie im Gegensatz zu allen anderen Fluglinien selbst dann bis zu zehn Euro Gebühr pro Ticket, wenn Kunden auf airberlin.de buchen und dafür nur weniger als 40 Euro bezahlen. „So blöd sind nur wir“, sagt ein Mitarbeiter.

Was der neue Partner bekommt

Trotz der relativ hohen Erwartungen ist Air Berlin sicher, einen neuen Partner überzeugen zu können. „Wir sind zwar nicht in guter Form, aber trotzdem attraktiv“, so Winkelmann. Sein wichtigstes Angebot ist der Zugang zum in zwei der wichtigsten deutschen Flughäfen: Düsseldorf zählt wegen der vielen gut verdienenden Bewohner in der Nähe zu den drei lukrativsten Märkten in Deutschland.

Berlin leidet zwar unter der Verspätung des neuen Flughafens und der relativ niedrigen Flugpreise: „Doch die Stadt ist weltweit eines der beliebtesten Reiseziele und hat das größte Passagierwachstum in Mitteleuropa. Dort könnte Air Berlin er im Rahmen der Verbindung mit seinen Flügen Langstreckenflüge nach Übersee füllen.

Darum ist sich Winkelmann auch sicher, den neuen Partner bald zu finden. Erste Kontakte gibt es jedenfalls bereits. Ein Kandidat könnte Delta aus den USA, die sich bereits an fast einem halben Dutzend Fluglinien beteiligt hat. Von denen gehören viele wie die britische Virgin nicht der Skyteam-Allianz an, zu der neben Delta auch Air France gehört. Noch öfter fällt der Name der chinesischen HNA Group.

Sie ist inzwischen nicht nur weltweit an fast 20 Fluglinien beteiligt, darunter auch den Air-Berlin-Partner Hainan Air. HNA, heute auch größte Aktionärin der Deutschen Bank, hat fast 40 Milliarden Dollar investiert, um vom Chinareiseboom zu profitieren. Dazu zählen neben Flughäfen wie Hahn im Hunsrück auch Wartungsbetriebe wie die Schweizer SR Technics, den Flughafenshop-Bertreiber Dufry und Hotelketten wie Carlson Rezidor und NH Hotels. „Da würde auch eine größere europäische Fluglinie passen“, sagt Thomas Jäger, Chef des Datenanbieters Ch-Aviation.

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