Airbus in Turbulenzen Die Pannenserie bringt Tom Enders in Bedrängnis

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„Da braucht es gelegentlich einen Weckruf“

Der mysteriöse Crash trifft die mit gut sechs Milliarden Euro Umsatz kleinste Sparte zur Unzeit. Zwar hat das Hubschraubergeschäft mit knapp sieben Prozent derzeit die höchste Umsatzrendite. Doch die frühere Vorzeigetochter lebt bereits seit Jahren von der Substanz, weil der Auftragsbestand sinkt.

Grund ist vor allem die Zurückhaltung der Öl- und Gasindustrie, die rund 70 Prozent aller zivilen Super Pumas und einen großen Teil anderer Modelle kauft. Experten schätzen, dass der Konzern bei einer längeren Pause ein paar Dutzend Aufträge für die bis zu 20 Millionen Dollar teuren Maschinen verlieren könnte.

Die höchsten Risiken lauern bei den Passagierjets. Hier steckt – mit Ausnahme des bewährten älteren Langstreckenfliegers A330 – die ganze Modellpalette in der Krise.

Sowohl der Mittelstreckenjet A320 als auch das neue Langstreckenmodell A350 verkauften sich so gut, dass Airbus die Produktionskapazitäten aufstockte. Doch nun kommen die Zulieferer nicht nach, insbesondere bei der Inneneinrichtung. „Da stapeln sich quasi Dutzende Maschinen auf dem Vorfeld der Werke in Hamburg und Toulouse“, so Berater Hamilton.

Bis Ende 2018 könnten gut 50 der bis zu 300 Millionen Euro teuren A350 mindestens ein Jahr später kommen als geplant.

Keine Lösung absehbar ist dazu beim A320neo, der renovierten Fassung des Mittelstreckenjets A320. Die besonders sparsamen Motoren brauchen auch fünf Monate nach der ersten Auslieferung noch zu lange, bis sie vor einem Flug einsatzbereit sind. Erstkunde Qatar Airways will darum seine drei Milliarden Dollar teure Order über 50 Flieger stornieren. Auch andere Kunden wollen die Maschine erst mal nicht nehmen.
Abwärts geht es beim Superjumbo A380. Weil den meisten Airlines die Maschine zu groß ist, wird Airbus mit nur noch 20 Exemplaren pro Jahr mindestens vier weniger ausliefern als geplant – und bekommt wegen für Airbus ungünstig verhandelter Verträge nicht mal einen Ausgleich von den Kunden.
Die Mängel kosten Geld, aber Airbus hilft, dass Wettbewerber mit ähnlichen Problemen kämpfen. „So sauer die Kunden auch sein mögen, woanders bekommen sie ihre Jets auch nicht schneller“, so ein Insider.
Nicht nur deshalb glaubt Enders, dass sich die Krise meistern lässt. Er hat den Konzern in den vergangenen drei Jahren schon auf schlechtere Zeiten vorbereitet. Bereits 2014, als scheinbar nichts den Aufschwung bremsen konnte, startete er ein Umbauprogramm, das die jährlichen Kosten ab diesem Jahr um gut eine Milliarde Euro senken sollte.

Wer den Flugzeug-Markt durchwirbelt
Japan: Mitsubishi Regional Jet Quelle: AP
Japan: Mitsubishi Regional Jet (MRJ)Der Großkonzern Mitsubishi Heavy Industry (MHI) will mit dem Jet zu einem vollwertigen Flugzeughersteller aufsteigen. Es sind Versionen mit 70 und 90 Sitzplätzen geplant, außerdem ist ein verlängertes Modell mit 100 Plätzen angedacht. Die Japaner werben damit, dass ihre Flugzeuge dank des Designs und vor allem eines neuen Triebwerks nicht nur weniger Sprit verbrauchen, sondern auch mehr Raum für Passagiere als die Rivalen bieten. Im zweiten Quartal 2017 soll das erste Flugzeug an die All Nippon Airways ausgeliefert werden. Quelle: AP
China: ARJ 21 Quelle: REUTERS
China: C919 Quelle: dpa
China: C919 Quelle: dpa
Russland: Iljuschin Il-114Dieses Flugzeug hat seinen Jungfernflug schon lange hinter sich: Als die Il-114 im März 1990 abhob, stand die Sowjetunion kurz vor dem Zerfall. Im Herbst 2015 wurde das Projekt aus der Mottenkiste geholt: Eine Produktionslinie soll aufgebaut werden, dafür muss aber der Motor auf den neuesten Stand der Entwicklung gebracht werden. Die Turboprop-Maschine aus dem Hause Iljuschin ist für den regionalen Flugverkehr geeignet und bietet lediglich 64 Plätze. Die staatliche Flugzeugbau-Holding Russlands hat aber auch einen größeren Flieger im Programm.... Quelle: imago images
Russland: Superjet 100 Quelle: REUTERS

Dazu trennte sich Enders von Bereichen, in denen die Produkte seiner Ansicht nach „viel zu teuer oder nicht auf die Anforderungen des Marktes zugeschnitten sind – oder beides“: Den Bau von Weltraumraketen packte er in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Safran, Teile des Rüstungsgeschäfts, allen voran die Verteidigungselektronik verkaufte er – und bekam dafür mit 1,3 Milliarden Euro ein Drittel mehr als erwartet. Vom für 2016 versprochenen operativen Gewinn von gut vier Milliarden Euro macht Enders bislang keine Abstriche. „Dazu steht er noch“, erklärte ein Insider.

Bei allem Ärger haben die Turbulenzen aus Sicht von Enders auch noch etwas Gutes. „Bei uns lief es vielleicht etwas zu rund in den vergangenen Jahren“, witzelte er laut Insidern. „Da braucht es gelegentlich einen Weckruf.“

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