Airbus in Turbulenzen Die Pannenserie bringt Tom Enders in Bedrängnis

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Hausgemachte Probleme bei Airbus

Dass es für Airbus schlimmer kommt als gedacht, liegt nicht zuletzt an hausgemachten Problemen. Sie basieren auf Fehlentscheidungen von Enders’ Vorgängern – und darauf, dass er selbst und seine Crew die Möglichkeiten des Konzerns überschätzten.

Enders’ gewichtigstes Problem ist der Militärtransporter A400M. Der Flieger ist das wichtigste Produkt der mit 13 Milliarden Euro Umsatz zweitgrößten Airbus-Sparte Rüstung und Raumfahrt. Rund 30 Milliarden Euro Umsatz sollen die 174 Transporter bringen, die Deutschland, Frankreich, Großbritannien und vier weitere Länder bislang gekauft haben. Doch leider ist die Maschine derzeit ein Sicherheitsrisiko. Im Rumpf des Riesen treten immer wieder Risse auf, im Getriebe lösen sich Späne. Theoretisch müssten die Antriebe darum alle 20 Flugstunden in die Werkstatt. Damit ist die Maschine nur beschränkt einsetzbar.

Nun drohen Mitglieder des Verteidigungsausschusses, den Auftrag für die 53 deutschen Flieger zu kündigen.

Der Grünen-Abgeordnete Tobias Lindner warnt: „Wenn Airbus das nicht in den Griff kriegt, kann ihnen das Projekt um die Ohren fliegen.“

Dazu wird es kaum kommen. „Der A400M ist zu groß, um zu scheitern“, sagt Heinz Schulte vom auf Wehrtechnik spezialisierten Informationsdienst Griephan. Bei einem Stopp des Projekts müsste die Bundeswehr die 3,5 Milliarden Europa abschreiben, die sie bisher in den Bau der Maschine und die Ausbildung der Mannschaft investiert hat. Viel wichtiger: Die deutsche Armee hätte bald keine Transporter mehr, wenn sie außerhalb der Heimat aktiv werden soll.

Airbus gibt der Politik eine Mitschuld am Desaster. „Deutschland und Frankreich haben uns gezwungen, den Motor bei einem in Sachen Propellerantrieb unerfahrenen Konsortium um MTU aus München und Safran aus Frankreich zu ordern“, sagt ein Airbus-Insider. Zudem musste Airbus den A400M zu billig abgeben. „Der Flieger ist aufwendiger als der A380, sollte mit ursprünglich gut 100 Millionen aber so viel kosten wie ein A321“, so ein Insider. „Dass dies nicht klappen konnte, musste dem Bund klar sein.“

Intern gelten die Probleme als lösbar. Die Risse im Rumpf ließen sich wohl deutlich schneller reparieren als in den sieben Monaten, die ein internes Schreiben nennt. Für die splitternden Getriebe verspricht Airbus bis Jahresende eine Zwischenlösung, bei der die Transporter nur noch einmal im Jahr in die Werft müssen. Trotzdem wird es für Airbus teuer.

„Spätestens Ende des Jahres droht eine größere Verlustrückstellung“, erwartet Scott Hamilton vom US-Beratungs- und -Marktforschungsunternehmen Leeham. Der Konzern müsse bis zu eine Milliarde Euro investieren, um die Mängel zu beheben. Weil die Verspätung gegenüber dem ursprünglichen Lieferplan mittlerweile bei rund neun Jahren liegt, müsste Airbus der Bundeswehr zudem wohl auch eine Art Ersatzflotte finanzieren. Aktuell nutzt die Truppe vor allem die inzwischen 60 Jahre alten Transall-Maschinen. Außerdem greift sie auf von einem russisch-ukrainischen Frachtunternehmen gemietete zivile Antonow-Frachter zurück. Den Vertrag könnte sie verlängern. Für Transporte in Krisenregionen müsste Airbus gar bei der Konkurrenz in den USA einkaufen, etwa von Lockheed Martin bis zu 15 Flieger vom Typ C-130. Für schweres Gerät käme Boeings Großfrachter C-17 infrage.

Ähnlich unübersichtlich ist die Lage im Hubschraubergeschäft. Seit dem Absturz einer Super Puma Ende April beim Rückflug von einer Bohrinsel in Norwegen haben die Behörden alle Flüge für die gut 800 ausgelieferten Maschinen gestoppt. Sie dürfen erst wieder abheben, wenn klar ist, warum gut sechs Jahre nach einem Crash in Schottland erneut eine Maschine im Flug den Rotor verlor. „Doch auch drei Wochen nach dem Unfall sind wir da noch nicht weiter“, heißt es bei Airbus.

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