Der Onlinehändler Amazon will in Deutschland Sendungen in nur 90 Minuten nach der Bestellung zustellen. Dazu verhandelt der Onlinehändler aktuell mit Kurierdiensten, deren Fahrer im Auftrag von Amazon die Pakete ausliefern könnten, erfuhr die WirtschaftsWoche aus Kreisen der beteiligten Unternehmen.
Vor allem in München und Hamburg sind die Verhandlungen weit fortgeschritten, in Berlin läuft bereits ein Test. Geprüft wird dabei noch, ob die Zustellung innerhalb von 90 Minuten erfolgen soll oder ob sogar eine Auslieferung innerhalb nur einer Stunde möglich ist. Nach Einschätzung eines der an den Verhandlungen beteiligten Unternehmen könnte der Service bereits in den nächsten drei bis vier Monaten in Deutschland starten. Amazon wollte dazu auf Anfrage der WirtschaftsWoche keine Stellung nehmen.
Amazon-Kuriere in den USA
Ein Mitarbeiter von Amazon bestätigte der WirtschaftsWoche jedoch Pläne, den Service auch in Deutschland einzuführen. In den USA können Kunden bereits seit Ende 2014 ihre Bestellungen gegen einen Aufschlag innerhalb einer Stunde entgegennehmen. In New York nutzen die Amazon-Kuriere dafür Fahrräder und sogar die U-Bahn, um rechtzeitig bei ihren Kunden zu sein.
Die beliebtesten Händler in Deutschland
Der Proposition-Index 2015 der Unternehmensberatung OC&C analysiert die Leistungsversprechen von über 850 Handelsunternehmen (darunter 95 aus Deutschland) auf Basis einer internationalen Konsumentenbefragung. Insgesamt wurden über 300.000 Kundenbeurteilungen aufgenommen, 26.000 davon allein in Deutschland. Für jedes Handelsunternehmen wurden die Kunden zur Gesamtwahrnehmung und den Elementen des Leistungsversprechens befragt. Neben der Kundensicht zu Preisstellung, Qualität, Auswahl, Einkaufserlebnis und Service wurden auch die Preis-Leistungs-Wahrnehmung des Kunden und das Kundenvertrauen ermittelt. In die Bewertung fließen hierbei nur diejenigen Konsumenten ein, die das entsprechende Handelsformat in den vergangenen drei Monaten besucht oder dort eingekauft haben. Die vom Kunden wahrgenommene Stärke des Gesamtleistungsversprechens, der „Proposition“, und die einzelnen Elemente des Leistungsversprechens werden jeweils in einem Index gemessen, dessen Maximalwert 100 ist.
Platz 10: Douglas
Kategorie: Drogerien
Bewertung: 79,6
Veränderung zu 2014: -0,8
Platz 9: Aldi
Kategorie: Lebensmitteleinzelhandel
Bewertung: 79,6
Veränderung zu 2014: +1,8
Platz 8: Tchibo
Kategorie: Multisortimenter/Warenhäuser
Bewertung: 80,0
Veränderung zu 2014: +0,8
Platz 7: Drogerie Müller
Kategorie: Drogerien
Bewertung: 80,0
Veränderung zu 2014: +0,2
Platz 6: Rossmann
Kategorie: Drogerien
Bewertung: 80,5
Veränderung zu 2014: -0,3
Platz 5: Otto
Kategorie: Multisortimenter/Warenhäuser
Bewertung: 81,1
Veränderung zu 2014: +3,3
Platz 4: Thalia
Kategorie: Andere
Bewertung: 81,4
Veränderung zu 2014: +1,1
Platz 3: IKEA
Kategorie: Möbelhäuser
Bewertung: 81,8
Veränderung zu 2014: n/a
Platz 2: Amazon
Kategorie: Multisortimenter/Warenhäuser
Bewertung: 86,5
Veränderung zu 2014: +1,5
Platz 1: dm
Kategorie: Drogerien
Bewertung: 87,7
Veränderung zu 2014: +1,2
In Europa startete der Service namens Amazon Prime Now in London bereits Mitte vergangenen Jahres. Mittlerweile gibt es das Angebot auch in weiteren britischen Großstädten und seit November auch im italienischen Mailand. Dort müssen Kunden 6,90 Euro für die Schnell-Lieferung zahlen. Wer auf sein Paket länger warten kann, kann in Italien und Großbritannien auch einfach eine Zustellung innerhalb eines bestimmten Zeitfensters auswählen - und spart sich damit die Gebühr.
Amazon hat Verteilzentren in der City
In Deutschland bietet Amazon bisher nur in die Lieferung am selben Tag an. Den Service gibt es bisher in 14 Städten. Auch dazu arbeitet Amazon bereits mit einigen mittelständischen Kurierdiensten zusammen, die im Auftrag von Amazon Pakete ausliefern. In München betreibt der Onlinehändler dazu mittlerweile eigene Verteilzentren in Innenstadtnähe, damit die Kuriere schneller bei ihren Kunden sein können. In Hamburg und Berlin sind weitere Verteilzentren geplant.
Amazons deutsche Logistikzentren
Im hessischen Bad Hersfeld hat Amazon gleich zwei Logistikzentren. Dort wurde 1999 das erste Logistikzentrum innerhalb von Deutschland eröffnet. Zehn Jahre später folgte ein zweites Zentrum.
Das Zentrum in Leipzig gibt es seit 2006 und ist so groß wie elf Fußballfelder. Dort sind 2000 Arbeitskräfte festangestellt.
Der Logistikstandort Werne wurde 2010 eröffnet, ein Jahr später wurde eine weitere Halle eröffnet. Die Gesamtfläche ist so groß wie 19 Fußballfelder. Für 2017 ist ein kompletter Neubau geplant.
In Rheinberg hat Amazon mehr als 1700 Mitarbeiter. In der Weihnachtszeit kommen 1800 Saisonkräfte hinzu. Das Zentrum gibt es seit 2011.
Mit 110.000 Quadratmetern oder 17 Fußballfeldern an Lagerfläche stellt Graben bei Augsburg eines der größten deutschen Logistikzentren von Amazon. Sechs Lagerhallen umfasst das Versandzentrum, das es seit 2011 gibt.
Das Logistikzentrum in Koblenz wurde 2012 eröffnet und umfasst rund 17 Fußballfelder an Lagerfläche. Dort hat Amazon mehr als 1000 Mitarbeiter und stellt jedes Jahr doppelt so viele Saisonkräfte ein.
Das Logistikzentrum in Pforzheim gibt es seit Herbst 2012. Dort hat Amazon 1000 Mitarbeiter. In der Weihnachtszeit werden doppelt so viele Saisonkräfte eingestellt. Das Gelände ist 110.000 Quadratmeter groß.
Brieselang ist der neueste Standort von Amazon in Deutschland. Er wurde im Herbst 2013 eröffnet. Mit einer Größe von umgerechnet 10 Fußballfeldern gehört er zu den kleinsten Standorten.
Amazon macht sich dadurch unabhängiger von großen Paketdiensten wie der Deutschen Post DHL oder den amerikanischen Konkurrenten UPS und FedEx. Die großen Spieler der Branche haben Schwierigkeiten, mit Amazons Tempo mitzuhalten: Ihre Infrastruktur ist eher auf eine Lieferung am nächsten Tag ausgerichtet. Und zur Hochsaison vor Weihnachten kommen die Paketzentren von DHL und Co. oft an ihre Grenzen.
Für Amazon aber hat die Lieferung am selben Tag höchste Priorität. Der Onlinehändler mit Sitz in Seattle will sich so von der Konkurrenz abgrenzen - und noch mehr seiner Käufer dazu bringen, für knapp 50 Euro im Jahr Mitglied des Premiumdienstes Amazon Prime zu werden. Denn für Prime-Mitglieder ist die Lieferung am gleichen Tag, in der Branche "Same Day" genannt, kostenlos. Mit Amazon Prime Now schafft Amazon sich nun auch in Deutschland noch eine zusätzliche Einnahmequelle.
Mehr lesen Sie in der aktuellen WirtschaftsWoche. Mit dem WiWo-Digitalpass erhalten Sie die Ausgabe bereits am Donnerstagabend in der App oder als eMagazin. Alle Abo-Varianten finden Sie auf unserer Info-Seite.