Arbeitsrechtsexperte Fallstricke bei Mitarbeitern im Rentenalter

Die ersten Unternehmen bekommen die Demographie zu spüren: Sie finden nicht mehr die Mitarbeiter am Markt, die sie brauchen. Manche müssen sogar Aufträge ablehnen oder Vertragsstrafen an ihre Geschäftspartner zahlen, wenn sie ihre Aufträge nicht fristgerecht erfüllen können. Selbst Konzerne wie BMW reaktivieren bereits ihre Rentner und holen sie wieder an Bord. Welche rechtlichen Fallen Unternehmen dabei vermeiden sollten, stellt Arbeitsrechtler Thomas Wahlig von Pusch Wahlig Legal dar. Ein Interview.

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Die 10 schlimmsten Fehler bei der Vorsorge
Schlecht informiertDie Deutschen kaufen Autos, Computer, Küchengeräte und gehen auf Reisen. Vor dem Kauf werden oft zahlreiche Testberichte gelesen. Geht es allerdings um Versicherungen und die eigene Vorsorge, sieht dies anders aus. Dabei sind ausreichende Informationen wichtig, um teure Fehlabschlüsse zu vermeiden. Quelle: Institut GenerationenBeratung IGB Quelle: Fotolia
Lückenhafte VorsorgeOft werden einzelne, wichtige Teile der Altersvorsorge vergessen. Dazu gehören: 1) individuelle Vorsorgevollmacht 2) Patientenverfügung 3) Klärung der Finanzen im Pflegefall 4) Testament Quelle: Fotolia
Die falschen Berater„Freunde, Familie und Bekannte in alle Vorsorgefragen einzubeziehen, ist wichtig und stärkt die Bindung zueinander. Doch sich allein auf ihren Rat zu verlassen, wäre fatal“, sagt Margit Winkler vom Institut GenerationenBeratung. Denn nur ausgebildete Finanzberater könnten auch in Haftung genommen werden. Sie sind verpflichtet, alle besprochenen Versicherungen und Vorsorgeprodukte zu dokumentieren. Quelle: Fotolia
Vorsorge ist nicht gleich VorsorgeJeder sollte seine Altersvorsorge an seine eigenen Bedürfnisse anpassen, pauschale Tipps von Beratern oder Freunden taugen in der Regel wenig. Je nach Familiensituation können andere Versicherung und Vorsorgeleistungen wichtig sein. „Vor allem in Patchwork-Situationen oder bei angeheirateten Ehepartnern gelten andere Spielregeln in der Vorsorge", sagt Winkler. Quelle: Fotolia
Schwarze Schafe Deshalb ist bei der Auswahl des Beraters Vorsicht geboten, in der Branche sind schwarze Schafe unterwegs. Geht ein Berater nicht auf die persönliche Situation ein oder preist ein bestimmtes Produkt besonders an, sollten die Kunden hellhörig werden.
Informiert ins GesprächWer Fehlern im Zuge von Falschberatung entgehen will, der muss sich vorher selber informieren. Je besser der Kunde im Beratungsgespräch selber informiert ist, desto eher kann er schlechte Berater enttarnen. Quelle: Fotolia
Vorsorge-FlickenteppichBeraterin Winkler warnt davor, zu viele Verträge bei vielen verschiedenen Beratern abzuschließen. Am Ende drohten Versicherte, den Überblick zu verlieren, besser sei eine ganzheitliche Lösung, die auf die individuelle Situation abgestimmt ist. Quelle: Fotolia

WirtschaftsWoche Online: Herr Wahlig, Sie haben mehrere Unternehmensmandanten, die ihre Mitarbeiter auch nach dem Erreichen des Rentenalters weiter beschäftigen wollen. Wo liegt das Problem dabei?

Herr Thomas Wahlig: Viele Unternehmen möchten das, weil es für sie als Arbeitgeber viele Vorteile bietet. Sie möchten einen versierten, erfahrenen und eingearbeiteten Mitarbeiter weiter beschäftigen, ohne dass dieser noch Ambitionen auf eine Karriere hegt. Der Betreffende hingegen kann sich darauf konzentrieren, sein Know-how dem Unternehmen, den jüngeren Kollegen und vielleicht sogar seinem Nachfolger weiterzugeben. Aber es gibt juristische Fallen. Als Unternehmen da untätig zu bleiben, kann teuer werden.

Anwalt Thomas Wahlig Quelle: PR

Sie meinen, den alten Arbeitsvertrag einfach weiter laufen zu lassen, ist riskant?
Ja, denn die Arbeitgeber werden kein Interesse daran haben, den Arbeitnehmer weiterhin unbefristet arbeiten zu lassen. Sie möchten seinen Einsatz lieber auf einen überschaubaren Zeitraum beschränken -  meist sind das zwei bis drei Jahre. Wer den früheren Arbeitsvertrag einfach laufen lässt, kann das zwar tun, er hat aber Nachteile. Dann ist der Mitarbeiter praktisch unkündbar. Alle Kündigungsschutzvorschriften gelten weiterhin in vollem Umfang. Das Unternehmen kann ihn praktisch nicht betriebsbedingt kündigen, weil bei der Sozialauswahl sein Alter und die längere Betriebszugehörigkeit zu höherer sozialer Schutzwürdigkeit führen. Das ist nicht sachgerecht und ich meine, der Gesetzgeber sollte hier handeln, weil der 45-jährige Familienvater unter sozialen Gesichtspunkten sicherlich schutzbedürftiger ist als der 68-jährige Rentner. Aber das geltende Recht schützt im Augenblick den Rentner.

Gibt es weitere Folgen?
Auch eine Kündigung wegen sogenannter Minderleistung ist äußerst schwierig, weil das Unternehmen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen sogenannten altersbedingten Leistungsabfall hinnehmen muss.

...das bedeutet, wenn der Mitarbeiter zum Beispiel langsamer arbeitet oder vergesslich wird?
Ja, oder seine Tätigkeit aufgrund altersbedingter gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr voll ausüben kann. Auch diese Rechtsprechung sollte nach meiner Überzeugung nicht mehr gelten, wenn ein Mitarbeiter über die Rentengrenze hinaus weiter beschäftigt wird. Nach geltendem Recht ist es aber der bessere Weg, den Arbeitsvertrag befristet zu verlängern, bevor der Mitarbeiter wegen Erreichens der Altersgrenze ausscheidet. Das Gesetz eröffnet diese Möglichkeit seit Juli 2014 ausdrücklich.

Was raten Sie den Unternehmen dann konkret?

Dass sie mit dem Arbeitnehmer noch bevor er die Regelaltersgrenze erreicht, eine schriftliche Regelung darüber trifft, mit der der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses auf einen späteren Zeitpunkt nach hinten verschoben wird. In dieser Vereinbarung sollte dabei ausschließlich die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses geregelt werden.

Andere Änderungen des Arbeitsvertrages - wie etwa eine Reduzierung der Arbeitszeit bei entsprechender Reduzierung des Gehalts - sollten entweder schon früher oder später in einer separaten Vereinbarung geregelt werden. Andernfalls ist nicht gewährleistet, dass eine wirksame Vertragsverlängerung vorliegt. Mit der Folge, dass dann doch ein unbefristeter Arbeitsvertrag besteht, den das Unternehmen kaum einseitig kündigen kann.

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