Ausschreibung Deutsche Bahn kämpft mit fragwürdigen Argumenten um Nahverkehrsauftrag

Die Deutsche Bahn droht bei Ausschreibungen in Nordrhein-Westfalen mit Boykott. Der Chef des Verkehrsverbundes zuckt die Schultern: dann halt ohne.

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Das sind die größten Fernbus-Anbieter
Platz 7 – Deutsche TouringBis 2005 gehörte die Deutsche Touring der Bahn, seitdem ist das Unternehmen eigenständig. In Deutschland haben die Busse gerade einmal 1,8 Prozent Marktanteil, die Deutsche Touring verdient seit jeher aber vor allem Geld mit internationalen Busverbindungen. Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 5 – City2CityAuch die Briten wollen ein Stück vom deutschen Fernbus-Markt abhaben: National Express bedient mit seiner deutschen Tochter knapp fünf Prozent der Fahrplankilometer hierzulande. Die City2City-Busse sind der Studie zufolge sowohl zum Normalpreis (6,1 Cent pro Kilometer) als auch bei den Sparangeboten (3,3 Cent) günstiger als viele andere. Das ist beides deutlich unter dem Durchschnitt der Branche: Dieser liegt bei 9 bzw. 5 Cent pro Kilometer. Quelle: dpa
Platz 4 – PostbusAn vierter Stelle fährt ein junges Angebot ein: Die gelben Postbusse rollen erst seit dem 1. November 2013 durch Deutschland. Betrieben werden sie gemeinsam vom ADAC und der Deutschen Post. Die Postbusse decken mit 175 Fahrtenpaaren pro Woche 7,5 Prozent des Marktes ab. Dabei ist die Deutsche-Post-Mobility sogar günstiger als die großen Konkurrenten: 7,1 Cent kostet der Kilometer durchschnittlich. Bei den DB-Töchtern sind es 10, bei Mein Fernbus 9,5 Cent. Allerdings gilt das nur für die Normalpreise, mit Sparangeboten kann es deutlich günstiger werden. Der Postbus kommt dann auf durchschnittlich 5,2 Cent pro Kilometer, Mein Fernbus auf 4,3 und Flixbus sogar auf 3,7 Cent. Quelle: dpa
Platz 3 – FlixbusEbenfalls erst seit dem Jahr 2013 fährt Flixbus. Die Firma aus München steht auf Platz drei der größten Fernbusunternehmen in Deutschland mit knapp 15 Prozent der Fahrplankilometer. Pro Woche bietet Flixbus 324 Fahrtenpaare an. Seit dem 1. Januar 2013 dürfen Unternehmen Fernbusverbindungen anbieten. Ziel der Gesetzesänderung war es unter anderem, Konkurrenz zur Bahn zuzulassen und so den Fernverkehr erschwinglicher zu machen. Quelle: dpa
Platz 2 – Deutsche BahnSchon viel länger dabei sind Tochterunternehmen der Deutschen Bahn wie die Gesellschaft BEX, die den Berlin-Linien-Bus betreibt. Vor der Liberalisierung durften die Unternehmen nur wenige Verbindungen anbieten, vor allem von und nach Berlin. Derzeit bedienen Tochterfirmen der Bahn knapp 22 Prozent des Fernbusmarktes gemessen an den Fahrplankilometern. Erhoben hat diese Zahlen die Mobilitätsberatungsagentur IGES in einer Studie von Dezember 2013 (PDF). In Auftrag gegeben hat die Studie der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO). Quelle: dpa
Platz 1 – Mein FernbusDer mit Abstand größte Anbieter von Fernbusverbindungen ist ein Branchen-Neuling: Die Meinfernbus GmbH mit Sitz in Berlin bedient fast 40 Prozent des deutschen Fernbusmarktes. Die markanten grünen Busse starteten erst kurz vor der Liberalisierung des Fernbusverkehrs Anfang des Jahres. Dennoch hat das Unternehmen erfahrene Konkurrenten hinter sich gelassen: Mittlerweile bietet Meinfernbus 826 Fahrtenpaare (also Hin- und Rückfahrt) pro Woche an, das entspricht mehr als 750.000 Kilometern pro Woche. Quelle: dpa

Den Brief an Hannelore Kraft unterschrieb Rüdiger Grube "mit freundlichen Grüßen" und - handschriftlich ergänzt - "in persönlicher Verbundenheit". Der Bahnchef will die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen überreden, die Regeln für die Ausschreibung eines der größten Nahverkehrsverträge in NRW doch noch mal zu überdenken. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) vergibt ab 2018 neue Regionalexpresslinien zwischen den Städten Köln, Düsseldorf und Dortmund - ein Milliardenvertrag mit 15-jähriger Laufzeit. Doch anders als bisher üblich soll der Betrieb des "Rhein-Ruhr-Express" (RXX) von der Beschaffung und Wartung der Züge abgekoppelt werden.

Die Deutsche Bahn, die die Linien derzeit betreibt, könnte damit Umsatz verlieren. Denn für das Wartungsgeschäft bringen sich die Zughersteller wie Siemens, Bombardier und Alstom in Stellung. Und beim Betrieb sieht sich die Nahverkehrstochter DB Regio im Nachteil zu den Wettbewerbern.

Schienengüterverkehr - Planzahlen und Kennziffern

Bei der Betriebsausschreibung "werden die Personalkosten das entscheidende, wenn nicht das einzige Kriterium über Sieg oder Niederlage in der Ausschreibung darstellen", schreibt Grube. Die Personalkosten lägen zehn Prozent über den entsprechenden Kosten der Wettbewerber. Grube fordert daher, dass der Gewinner der Ausschreibung verpflichtet werde, die 530 Mitarbeiter bei DB Regio mit gleichen Konditionen zu übernehmen - und bittet SPD-Ministerpräsidentin Kraft um Unterstützung.

Der Streit um einen der größten Nahverkehrsaufträge in Deutschland zeigt, wie blank die Nerven liegen. Die Deutsche Bahn weiß, dass der Verkehrsvertrag die Regeln im SPNV-Markt nachhaltig verändern könnte. Sollte der VRR mit der getrennten Ausschreibung Erfolg haben, könnte es Modell stehen für andere Bundesländer. Bislang gibt es ähnliche Ausschreibungen nur in Niedersachsen.

Und der Deutschen Bahn scheint jedes Mittel recht, die Entwicklung zu verhindern. 

Die Deutsche Bahn drohte bereits mit einem Boykott, sollte sich an den Ausschreibungsbedingungen nichts ändern. "Wenn die Kriterien der Ausschreibung so bleiben wie bislang formuliert und damit die entsprechenden Risiken für die Deutsche Bahn, müssten wir uns sehr ernsthaft überlegen, ob wir da mitbieten können", sagte Manfred Rudhart, Vorstandschef der Bahntochter DB Regio, gegenüber der "Welt".

Zu den Methoden gehört offenbar auch, die Wahrheit zu verdrehen. Das legen zumindest die Aussagen von VRR-Chef Martin Husmann nahe. „In den letzten sechs Ausschreibungen im VRR hat DB Regio nur bei einer einzigen Vergabe die höchsten Lohnkosten aller Bieter gehabt und diese Vergabe auch noch für sich entscheiden können", sagte Husmann dem Eisenbahnjournal Zughalt.de. "Bei fünf der sechs letzten Verfahren hatte ein anderes Unternehmen als DB Regio die höchsten Lohnkosten. Die Aussage, dass man bei der Deutschen Bahn aufgrund höherer Verdienste der Belegschaft im Wettbewerb benachteiligt sei, ist aufgrund dieser Zahlen nicht zu halten.“

Husmann geht noch weiter. Den angeblichen Mangel an Bewerbern für ausgeschriebene Verkehrsverträge, wie zuletzt häufiger zu hören war, gebe es nicht. "Auch für die letzten Jahre können wir Berichte über zu wenige Bieter nicht bestätigen", so Husmann. Und er ergänzt: "Die Erfolge der letzten Vergaben zeigen, dass wir uns auf einem guten Weg befinden, auch wenn DB Regio sich an einigen oder allen künftigen Vergaben nicht mehr beteiligen möchte. Das müssen wir respektieren. Jedes Unternehmen, auch DB Regio, hat das Recht zum Marktaustritt.“

Die Aussagen Husmanns dürften sicher auch bei Hannelore Kraft schon angekommen sein. Es ist daher unwahrscheinlich, dass NRW die Bedingungen der Ausschreibungen noch einmal verändert. Und genauso unwahrscheinlich ist es, dass DB Regio dem bevölkerungsreichsten Land den Rücken kehrt. Säbelrasseln gehört seit jeher zum Spiel im Nahverkehr.

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