Roland Tichy, 7:40 Uhr, Frankfurt Hauptbahnhof:
Der DB-Navigator ist um 7:40 beruhigend grün: ICE 822 Frankfurt – Düsseldorf um 8:10 pünktlich. Aber schon um 7:55 meldet die Bahnhofsanzeige, dass dieser Zug diesmal nur von Frankfurt Hauptbahnhof bis Frankfurt Flughafen fährt – eine ironische Feinheit: Das geht mit der S-Bahn schneller. Der Service-Point-Mitarbeiter empfiehlt als Alternative den Zug nach Köln um 8:19 mit Anschluss nach Düsseldorf „direkt am Bahnsteig gegenüber“.
Der 8:19er fährt mit 30 Minuten Verspätung tatsächlich los, ohne jede weitere Vorwarnung. Denn leider nur bis in Deutschlands größten Sackbahnhof: aussteigen in Köln. Keine Durchsagen. Es spricht sich herum: Ende einer Dienstfahrt, die Strecke nach Düsseldorf ist gesperrt. Auf dem Nebengleis rollt der ICE mit geplanter Weiterfahrt Richtung Dortmund ein. Ebenfalls Ende. Reisende stehen irritiert herum.
Der gemeine Reisende stellt sich Fragen: Warum wurde in Frankfurt nicht darüber informiert, dass in Köln für den gesamten Tag der Zugverkehr ruht? Wieso werden Reisende in die Falle Köln gelockt. Frühzeitige Information kann kein Wetter ungeschehen machen – aber schweigende Lautsprecher und offenkundig ahnungsloses Auskunftspersonal verärgern.
Richtig wäre gewesen, schon ab Frankfurt, oder auch in Mainz, Wiesbaden, Aachen, kurz all jenen Bahnhöfen mit Zügen Richtung Köln und dann weiter zu informieren, dass zu Hause bleiben oder alternative Routen die bessere Wahl wären. Offensichtlich klappt die Informationsweitergabe der Bahn nicht.
Grund 2: Die schwierige Koordination
Wer glaubt, der Zugverkehr in Deutschland werde zentral gesteuert, täuscht sich. Eine Netzleitzentrale in Frankfurt koordiniert zwar den gesamten Fernverkehr, muss sich aber mit sieben Betriebszentralen abstimmen. Die Betriebszentralen sind für den Regionalverkehr zuständig und disponieren die Züge. Fährt ein Zug über eine virtuelle Grenze, wird er an die benachbarte Leitstelle übergeben.
Dass allein ist Bahnalltag in Europa und bereitet kaum Probleme. Doch problematisch wird es, wenn eine Großstörung wie bei einem Unwetter das Gesamtsystem bedroht. Das ist der Fall, wenn Züge den Fahrplan derartig durcheinander bringen, dass das System zu kollabieren droht. Die Entscheider in den Leitzentralen müssen überlegen, ob sie die Züge in dem durcheinander geratenen Fahrplan weiterfahren lassen oder den Betrieb zumindest teilweise anhalten, um zu verhindern, dass etwa mehrere Züge gleichzeitig ein Gleis blockieren. Solche Entscheidungen werden kurzfristig getroffen – ohne Rücksicht auf vorherige Entscheidungen.
Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter in den Leitstellen auch den Fahrplan am Folgetag im Blick haben müssen. Die Züge fahren in Umläufen. Das kann dazu führen, dass es manchmal sinnvoller ist, einen Zug anzuhalten und in die Gegenrichtung zu schicken statt weiterzufahren. Auch die Lufthansa ließ einige Flieger während des Piloten-Streiks am Boden, obwohl sie hätten fliegen können. Doch so konnte der Betrieb möglichst schnell wieder aufgenommen werden.