Benzinpreise Die Macht der Öl-Multis steigt

In Deutschland geht die Zahl der Tankstellen immer weiter zurück. Auch das treibt die Benzinpreise nach oben.

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Während der Benzinpreis seit Monaten immer weiter in die Höhe steigt, sinkt die Anzahl der Tankstellen in Deutschland beständig. Quelle: dpa

Der Düsseldorfer Volkswirtschaftsprofessor Justus Haucap regt sich in seiner Eigenschaft als Chef der Monopolkommission, die über den Wettbewerb wacht, mächtig auf: „Das geht alles eindeutig zulasten der Verbraucher.“ Haucap meint damit einen gerade beendeten Feldversuch der mit 2400 Stationen größten deutschen Tankstellenkette Aral, der dem Gelehrten – vor allem aber der Spezies des tankenden Wutbürgers – kalte Schauer über den Rücken treibt.

Im Kern geht es dabei nach Meinung von Verbraucherschutzverbänden und Haucap darum, den Tankstellenpächtern künftige Preissteigerungen der Zentrale finanziell zu versüßen. So will Aral noch mehr Betreiber im schrumpfenden Zapfsäulenmarkt zum Wechsel zur blauen Marke bewegen – ein Konzentrationsprozess, von dem Aral offenbar profitieren möchte.

Preise bleiben hoch

Ostern ist vorbei, aber die Aufregung über die Benzinpreise hält an. Denn das hohe Niveau von im Bundesdurchschnitt deutlich über 1,70 Euro für einen Liter Superbenzin flaute nach den Feiertagen nicht wesentlich ab.

Dazu trägt neben politischen Unsicherheitsfaktoren wie dem Iran-Konflikt auch der nachlassende Wettbewerb im Tankstellenmarkt bei. Die in den kommenden Jahren weiter sinkende Zahl der Zapfstationen treibt den Preis weiter nach oben. Denn zugleich steigt die Konzentration, immer weniger Marken dominieren den Markt. Auf der Angebotsseite gilt: Unternehmen, die nur noch zwei oder drei Konkurrenten zu fürchten haben, sehen bessere Gewinnchancen, wenn sie kollektiv auf dem Preiserhöhungszug mitfahren, statt ihre Wettbewerber zu torpedieren. Auf der Kundenseite gilt: Wer immer weiter fahren muss, um günstiger zu tanken, achtet weniger stark auf Preisunterschiede.

Der Markt der Benzinverkäufer in Deutschland 2012 (zum Vergrößern bitte Bild anklicken).

Bisher hat das Bundeskartellamt den Mineralölkonzernen noch nie echte, wettbewerbsrechtlich relevante Preisabsprachen nachweisen können. Die Kartellwächter bestätigten allerdings im Herbst 2011 den Verdacht, dass der Wettbewerb auf dem Tankstellenmarkt nicht richtig funktioniert: In 90 Prozent aller Fälle zögen die Konkurrenten in gleichem Umfang nach, wenn einer von ihnen an der Preisschraube dreht. Das Spiel funktioniert bei fünf großen Anbietern auf dem Markt und offen sichtbaren Preisen ganz automatisch und ohne direkte Absprache.

Schlaues Provisionssystem

In Deutschland sinkt die Zahl der Tankstellen seit 40 Jahren. Dadurch gewinnen die Marken Aral und Shell an Bedeutung. Diesen Trend wolle Aral nun durch ein attraktiveres Provisionsmodell für die Pächter verstärken, fürchten Verbraucherschützer und Wettbewerbswächter Haucap. Es soll sich für Betreiber kleinerer Mineralölgesellschaften und freier Tankstellen lohnen, zur blauen Marke zu wechseln.

Übersicht zur Anzahl der Tankstellen in Deutschland (zum Vergrößern bitte Bild anklicken).

So werten Aral-Manager gerade den seit Herbst laufenden Test für das neue Provisionsmodell bei 250 baden-württembergischen Tankstellenbetreibern aus. Seit Langem beklagen die Pächter, dass ihnen in den ersten Tagen nach einer von der Aral-Hauptverwaltung in Bochum vorgegebenen Benzinpreiserhöhung eine Menge Kunden wegbleiben und so lange woanders ihren Tank füllen, bis Konkurrenztankstellen im Umkreis nachziehen.

Das nun getestete neue System sieht vor, dass die Pächter nach einer Preisanhebung für eine begrenzte Zeit, deren Dauer Aral nicht nennen will, eine höhere Provision bekommen, um die Anfangseinbuße auszugleichen. Statt branchenüblichen 1,0 bis 1,5 Cent gibt es in der Anfangsphase eines Preisschubs pro Liter 2,0 bis 2,6 Cent – eine Art Trostpflaster für Pächter. Bis Mai wird die Aral-Testauswertung noch dauern. Die Ergebnisse bleiben unter Verschluss. Erneute Aufregung unter den Autofahrern soll vermieden werden.

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