Bestatter im Wandel „Geiz ist geil“– auch beim Grab

Lange galt ihre Branche als krisenfest. Aber für Bestatter hat sich vieles verändert. Oft wird an der Beerdigung gespart. Manchmal führt die letzte Reise sogar zunächst nach Tschechien – wo die Krematorien billiger sind.

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Rund 4000 Bestatter gibt es in Deutschland, oft sind es Familienbetriebe. Einige setzen bewusst auf die preisbewusste Klientel, die für eine Bestattung möglichst wenig Geld ausgeben will. Quelle: dpa

Berlin Der Friedhof Ohlsdorf in Hamburg wirkt wie ein Englischer Landschaftsgarten mit viel Grün und verschlungenen Wegen. Aber er hat ein massives Platzproblem. Nicht dass es eng würde, im Gegenteil: Es gibt zu viel Platz. Er ist so groß wie 400 Fußballfelder, aber es werden immer weniger neue Gräber benötigt, vier Trauerkapellen haben schon dicht gemacht.

Immer mehr Angehörige verzichten auf traditionelle Trauerzeremonien, immer mehr Menschen wollen nicht mehr klassisch begraben werden, immer mehr lassen sich verbrennen. Auf dem Friedhof in Ohlsdorf gibt es deshalb auch immer mehr freie Flächen, die nicht für Begräbnisse genutzt werden. Und das ist kein Spezialproblem in Ohlsdorf, sondern auf vielen der rund 32.000 Friedhöfen in Deutschland ähnlich.

„Gestorben wird immer“, heißt es. Und das stimmt ja auch. In der Branche der Bestatter war damit lange die Gewissheit verbunden, dass ihr Handwerk goldenen Boden habe. Aber das ist vorbei. Immer öfter heißt auch bei der Beerdigung das Motto „Geiz ist geil“. Der Trend geht weg vom Familiengrab mit aufwendig gestaltetem Marmorgrabstein und hin zum anonymen Urnengrab. Die Dokumentation „Ruhe sanft - und günstig“ von Ralf Bonsels zeigt, was das für die Bestatter und ihre Branche bedeutet, die immer mehr unter Druck gerät. Zu sehen ist sie am heutigen Freitag um 21 Uhr auf 3Sat.

Dass immer mehr Menschen wollen, dass sie nach dem Tod verbrannt werden, ist für die Filmemacher nicht nur Statistik. Es ist ein Hinweis auf einen tiefgreifenden Kulturwandel. Der zeigt sich auch im Krematorium Berlin. Feuerbestattungen sind in Großstädten wie Hamburg und Berlin nichts Neues. Aber auch hier wird die Konkurrenz immer härter. Ralf Bonsels sieht die Krematorien in einer Rabattschlacht um die Bestatter.

Die entscheidende Frage lautet, wer verbrennt die Leichen am billigsten? Und dabei geht es längst nicht mehr nur um Krematorien in Deutschland. Bestatter, die vor allem günstig sein wollen, lassen die Toten zum Beispiel in Tschechien einäschern. Auch Särge werden längst in großem Stil aus Osteuropa importiert, weil das deutlich günstiger ist.


Das macht ein Discount-Bestatter

Rund 4000 Bestatter gibt es in Deutschland, oft sind es Familienbetriebe. Einige setzen bewusst auf die preisbewusste Klientel, die für eine Bestattung möglichst wenig Geld ausgeben will. Hartmut Woite gehört dazu, ein Discount-Bestatter. Bei den Kollegen in Berlin sei er nicht gerade beliebt, räumt er ein. Aber sein Geschäftsmodell funktioniert. Er kauft Särge preiswert in großen Mengen ein, nutzt preiswerte Krematorien jenseits der Grenze und bietet auf diese Weise Preise, mit denen seine Konkurrenten nicht mithalten können. Und Berlin ist ein brutaler Markt für Bestatter, nirgends in Deutschland gibt es pro Einwohner so viele wie in der Hauptstadt.

Gespart wird aber auch anderswo. Statt großem Marmorstein, der schnell mehr als 10.000 Euro kostet, entscheiden sich viele Angehörige heute für die Variante schlichter Findling, die für einige hundert Euro zu haben ist. Für Steinmetzbetriebe ist das hart. Auch Bestatter müssen sich immer mehr einfallen lassen. Nicht nur, was die Bestattungsformen angeht: Urnengräber oder Baumgräber sind schon lange Standard. Friedwälder, bei denen die Toten in kompostierbaren Urnen bestattet werden, sind im Trend. Kein Grabstein, keine Grabpflege – auch hier lässt sich viel Geld sparen.

David Roth, ein Bestatter in Bergisch Gladbach, macht auf einem privaten Friedhof vieles möglich, was Friedhofsordnungen anderswo nicht zulassen würden. Hier dürfen Angehörige Gräber ganz nach ihrem Geschmack gestalten, bunt und ausgefallen, wenn ihnen danach ist und dem Toten eine Gitarre aufs Grab stellen, um an sein Lieblingsinstrument erinnern.

Roth setzt auch auf neue Formen der Trauerbewältigung: Er bietet Lesungen, Kochkurse und Konzerte für solche Trauernde an, denen ein anonymes Urnengrab nicht genug ist. Mit dem klassischen Bestattungshandwerk hat das nur wenig zu tun. Aber es wird einem Bedürfnis nach zeitgemäßen Alternativen gerecht, sich damit auseinanderzusetzen, dass ein Angehöriger gestorben ist.

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