Bilfinger-Chef Tom Blades „Ich will keinen Rekord brechen“

Tom Blades baut bei Bilfinger kräftig um. Weg vom Dienstleistungs-Multi, hin zum reinen Industriedienstleister. Im Interview spricht der Brite über alternde Industrieanlagen, seine Work-Life-Balance und den Brexit.

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Tom Blades führt seit 2016 den Mannheimer Bilfinger-Konzern. Quelle: dpa


…neue Strukturen und neue Unternehmenskultur bei Bilfinger

WirtschaftsWoche: Es hieß immer, Bilfinger habe mit seinen früher drei Geschäftsfeldern rund 500 Einzelunternehmen. Wie viele sind es heute?
Tom Blades: Ich kam am 1. Juli 2016 zu Bilfinger, unser neuen Finanzchef Klaus Patzak vor fünf Monaten. Was wir vorgefunden haben, ist ein Unternehmen mit sehr viel Ingenieurwissen, das aber sehr fragmentiert war. Bilfinger hatte einst über 600 Einzelunternehmen. Heute sind wir bei rund 230 und werden die Zahl bis 2020 auf rund 160 reduzieren. Das ist Teil und Ergebnis unserer Analyse. Die Fragmentierung hatte dazu geführt, dass die einzelnen Unternehmen jeder für sich ihr Geschäft gemanagt haben. Es gab kein geschlossenes Gesamtbild von Bilfinger. Die Leute hatten Schwierigkeiten zu beschreiben, was Bilfinger eigentlich ist. Jeder hatte eine andere Antwort, je nachdem aus welchem Teilunternehmen er kam. Es gab eine Silo-Mentalität.

Ist das denn bei Siemens oder bei Linde anders, wo Sie in den wesentlichen Jahren Ihrer Karriere waren?
Es ist dort anders. Bei Linde kann jeder in zwei Minuten erklären, was das für ein Unternehmen ist. Das war bei Bilfinger weitaus schwieriger. Die einen redeten über Biopharma, andere über Leittechnik, manche über Montage, wieder andere über Fertigung. Der einzige Punkt, wo diese fragmentierte Struktur gebündelt wurde, war der CEO. So kann man nicht das Beste aus einem Unternehmen herausholen. Die Herausforderung war, die Strategie so zu definieren, dass sich jeder darin wieder findet. Heraus kristallisiert hat sich das, was wir nun die 2-4-6-Strategie nennen: Zwei Geschäftsfelder, vier Kernregionen, sechs Industrien. Wir wissen jetzt ganz genau, was wir sind, wo wir hin wollen und wie wir dahin kommen.

Zur Person

Aber dass Bilfinger kein Bauunternehmen mehr ist, ist selbst an der Börse noch nicht wirklich angekommen.
Das sehe ich anders. Die Öffentlichkeit nimmt uns immer stärker als Industriedienstleister und nicht als Baukonzern wahr. Und wir sehen, der 2-4-6-Ansatz setzt sich in den Köpfen fest. Aber was Bilfinger ausmacht müssen wir immer wieder vermitteln. So hatten wir ein Meeting mit einer größeren deutschen Bank. Als wir denen unsere Neuausrichtung erklärt haben, waren sie im positiven Sinne ziemlich überrascht.

Wie wollen Sie ein besseres Zusammenspiel der einzelnen Unternehmen erreichen?
Wir werden künftig überall als Bilfinger und nicht unter dem Namen der Einzelgesellschaften zum Kunden gehen und unsere komplette Dienstleistungspalette anbieten. Wir haben maßgeschneiderte Wertschöpfungsketten. Wir führen beispielsweise ein System zum systematischen Ausbau unserer Kundenbeziehungen ein. Dadurch können wir mit einem schlüssigen und umfassenden Go-to-Market-Konzept auf Unternehmen zugehen und Ihnen helfen, ihre Anlagen-Performance zu verbessern.

Was wird dabei aus dem ehemals großen Geschäftsfeld Energiedienstleistung?
Meine Vorgänger wollten das Geschäftsfeld Power als Ganzes verkaufen. Das waren etwa 20 verschiedene Einzelunternehmen. Als ich zu Bilfinger kam, lag diese Entscheidung genau ein Jahr zurück. Der Verkauf hat nicht geklappt Wir haben uns die Unternehmen im Geschäftsfeld Power genau angesehen und festgestellt, dass nicht überall wo Power drauf steht, auch Power drin ist. Power ist sehr gut im Öl- und Gas-Geschäft und in der Chemiebranche vertreten. Bei Power arbeiten Verfahrenstechniker, die in diversen Industrien ihr Wissen einsetzen können. Power besteht aus Projekten nicht nur bei Energieversorgern, sondern auch in der Fertigung. Power hat auch Instandhaltungsdienstleistungen außerhalb von Power angeboten. Wir integrieren nun diese Power-Einheiten in unserem 2-4-6-Konzept. Die Power-Einheiten, die nicht hinein passten, wurden bei Other Operations zusammengefasst.

Verlieren nicht die Bilfinger-Fachkräfte, die bisher nah am Kunden sind, durch das neue Konzept diese Nähe und müssen hoffen, dass der organisatorische Überbau sie gut repräsentiert?
Nein, es gibt vielmehr mehr Nähe zum Kunden. In den vier Regionen gibt es vier Regionalchefs, die wissen, was in ihrer Region los ist. Die koordinieren die Kontakte. Wer kundennah war, geht weiter zum Kunden. Aber er vertritt nicht mehr nur sein Unternehmen, sondern Bilfinger insgesamt. Innerhalb der Regionen wissen alle, dass sie Teil einer Wertschöpfungskette sind und nicht mehr allein agieren. Wir haben schon die ersten Erfolge. Das ist der Abschied von der Silo-Mentalität. Und wir leben das bereits.

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