Billigflieger Angriff des Angstgegners

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Billigflieger im Anflug auf Deutschland

Die sind ohnehin im Anflug auf Deutschland. Zwar mögen viele die Ryanair-Offensive am Main nicht recht ernst nehmen. Die einen beklagen die Gebührenrabatte von dem Vernehmen nach bis zu 30 Prozent als unzulässige Subvention. Andere belächeln, dass die großmäulige Linie mit gerade mal zwei Flugzeugen und vier täglichen Flügen quasi nur in Spaßgröße angreift und im Betrieb wahrscheinlich erstmal Verluste macht.

Doch das wird sich ändern. Wie sich zuletzt in Hamburg, Leipzig oder Nürnberg lernen ließ, beginnen die Iren immer erst mal klein, schlicht und mit langem Vorlauf. Aber dann steigern sie sich gewaltig und fahren den Flugplan meist noch vor dem ersten Start auf ein Vielfaches hoch. Dazu steuern die Iren geschickt ihre Preise, so dass sie nach spätestens einem halben Jahr nicht draufzahlen, selbst wenn sie wie auf der Route Köln-Berlin für die Hälfte der Tarife bei Eurowings oder Air Berlin fliegen. 

Denn auch wenn der Start in Frankfurt nur wie ein weiterer Tabubruch der rauflustigen Iren wirkt wie zuvor die Einführung von Sitzplatzreservierungen oder eines Vielfliegerclubs: O’Leary hält sich an seine Versprechen noch weniger als an die Regeln der Branche und kommentiert das lässig mit: „Wollen Sie mir vorwerfen, dass wir täglich klüger werden?“

Doch bei aller Lockerheit: Am Ende ist das Ryanair-Prinzip, neue Märkte erschließen bevor es ein anderer tut und dabei möglichst Unfrieden stiften, für die Linie keine Frage des Wollens, sondern des Müssens.

So schneiden Deutschlands Flughäfen ab
Flughafen Berlin‐Tegel Quelle: Günter Wicker/Flughafen Berlin Brandenburg GmbH
Köln Bonn Airport Quelle: Köln-Bonn GmbH
Düsseldorf Airport Quelle: dpa
Hamburg Airport Quelle: Michael Penner
Flughafen Stuttgart Quelle: Presse
Airport Nürnberg Quelle: Presse
Bremen Airport Quelle: Flughafen Bremen

Die Iren haben wie Easyjet gut 100 Flugzeuge bestellt, die sie irgendwo beschäftigen müssen. Dabei kommt das bisherige Geschäftsmodell der Iren, von kleinen Airports abseits der Bundesrepublik zu starten, an seine Grenzen. In Frankreich, Großbritannien, Italien oder Spanien sind nach der starken Expansion der vergangenen 20 Jahre für die Iren wie für alle Billigflieger die meisten lukrativen Ferienstrecken vergeben.

Gleichzeitig lockt der deutsche Markt stärker denn je. Hierzulande ist der Marktanteil der Flugdiscounter geringer als im Rest des Kontinents. Und die die Preise sind im Schnitt höher. Während Reisende im Rest Europas eher sparen, leisten sich die Deutschen dank der soliden Konjunktur mehr Flugreisen und zahlen gern einen Aufpreis, wenn sie nahe an ihrem Wohnort von einem Großflughafen abheben können, statt zu Flugplätzen irgendwo im Nirgendwo reisen zu müssen.

Und zu guter Letzt haben Lufthansa und Air Berlin den deutschen Markt billiggerecht aufbereitet und ihre Kundschaft fast auf dem Silbertablett serviert: Sie haben in den vergangenen Jahren an ihren Stammairports Flüge gestrichen und die Discountern quasi eingeladen, den Platz zu füllen. Gleichzeitig haben Lufthansa und Air Berlin den Discount-Service auch bei Geschäftskunden hoffähig gemacht, weil sie sich verlustbringende Flüge angesichts zu hoher Betriebskosten und des harten Wettbewerbs durch Golflinien nicht mehr leisten konnten.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr immerhin reagierte spontan auf den Ryanair-Vorstoß in Sichtweite seins Büros. Er will nun endlich den lange geforderten Gebührennachlass vom Frankfurter Flughafen, was Lufthansa rund eine Viertelmilliarde Euro pro Jahr sparen ließe. „Dass mir nun ausgerechnet Michael dabei hilft, den Nachlass bekommen, damit kann ich leben“, sagte Spohr.

Der Scherz dürfte jedoch nicht alles sein. Denn auch wenn Spohr einen Start seiner Eurowings offiziell erst in 2018 für machbar hält, wird er um einen früheren Einsatz seines besten Billig-Gegenmittels kaum herumkommen. „Wenn wir erst in anderthalb Jahren in Frankfurt loslegen, hat Ryanair dort statt zwei Maschinen längst mehr als ein halbes Dutzend und zu viele Ziele, um sie noch bremsen zu können“, so ein Konzerninsider. „Und wenn wir Pech haben, ist dann auch Easyjet schon da.“

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