Billigflieger Der Sinkflug des einstigen Börsenlieblings Easyjet

Easyjet wird am Dienstag als erster Billigflieger schwächere Zahlen für das Geschäftsjahr 2016 präsentieren. Dabei galten Billigflieger lange als Wachstumsmaschine. Das zeigt, wie sehr die Branche unter Druck steht.

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Easyjet im Sinkflug: Der drohende Brexit macht dem Billigflieger zu schaffen. Quelle: Collage

Wer in Europa eine moderne und halbwegs coole Billiglinie suchte, suchte bisher selten weiter als bis zu Easyjet. Denn Europas umsatzstärkster Flugdiscounter hatte lange Jahre nicht nur stetig steigende Aktienkurse. Auch wenn sie mit ihrem schrillen Orange die schrillste Firmenfarbe der Branche hatte, war Easyjet meist innovativer als der Rest der Branche.

Dafür sorgten Programme mit mobiler Technik, Wearables genannter schlauen Uniformen oder engen Kontakten zu Start-up und Startup-Förderung. Dazu näherte sich Easyjet clever den etablierten Linien wie Lufthansa an. Dafür sorgten Angebote beim Service zum Zukaufen und die Strategie der aktuellen Chefin Carolyn McCall, die lieber auf Wachstum verzichtete als den Gewinn zu gefährden.

Das Image wird spätestens am Dienstag ein paar kräftige Schrammen und Dellen bekommen. Denn wenn die zur Dame geadelte Firmenchefin McCall eine eher unschöne Bilanz vorstellt, deutet alles auf einen derben Sinkflug des Börsenlieblings. Analysten großer Investmentbanken wie HSBC oder Credit Suisse erwarten, dass der Vorsteuergewinn um fast ein Drittel fällt, während Ryanair, Wizz Air und sogar Lufthansa zuletzt auf Rekordkurs flogen.

Europas größte Billigflieger

Das liegt weniger an den vorweggenommenen Folgen, wenn Großbritannien wie angekündigt in 2017 den Austritt aus der EU lostritt. Es rührt eher daher, dass die Linie von Lufthansa & Co nach den Stärken auch mehr oder weniger unfreiwillig ein paar der Unarten übernommen.

Droht eine Übernahme durch den Hauptinvestor?

So gehörte die in einem Hangar am Flughafen Luton im Nordwesten Londons ansässige Linie in den vergangenen zwei Jahren nicht nur zu den unpünktlichsten Linien in Europa. Sie erschreckte ihre Kunden als einziger Billigflieger durch eine heftige Auseinandersetzung mit ihren Piloten, bei dem die Linie zwischendurch immer wieder an den Rand von Streiks rückte.

Während Rivalen wie Ryanair, Wizz Air oder Norwegian trotz Problemen in einigen Ländern am Ende trotzdem europaweit weiter zulegten, litt Easyjet unter der Schwäche ihrer beiden wichtigsten Märkte Großbritannien und Frankreich, sowie den Reisewarnungen ins östliche Mittelmeer. Und als ob nicht reichte, gab es im Sommer noch erneuten Zwist mit dem Gründer und Haupteigentümer Stelios Haji-Ioannou sowie Gerüchte, dass er mit Hilfe von Finanzinvestoren eine unfreundliche bis feindliche Übernahme anzetteln könne. Das Projekt ist offenbar noch nicht endgültig vom Tisch und könnte die durch die Krise ohnehin schon stark beanspruchte Aufmerksamkeit des Easy-Managements wohl endgültig überfordert.

Und die Probleme sind aus Sicht von HSBC-Analyst Andrew Lobbenberg noch nicht vorbei. Denn auch wenn sich der Aktienkurs nach einem Verlust von fast 50 Prozent zuletzt wieder einigermaßen fing: In einer aktuellen Studie sieht er für Easyjet „mehrere dunkle Winter voraus“ und dass die Linie den Gewinn 2015 frühestens in drei Jahren übertreffen wird. Auch der Aktienkurs könnte aus seiner Sicht nochmal um ein weiteres Fünftel nach unten sacken.

Denn neben den vielen spezifischen Problemen setzen die der Linie die aktuellen Herausforderungen der Flugbranche in Europa kräftig zu. Die größte davon sind die wachsenden Überkapazitäten im Markt. Die Billigflieger haben zusammen genommen mehrere Hundert neue Jets bestellt. Das machte vor fünf Jahren auch noch Sinn, um mit den niedrigeren Betriebskosten der neuen effizienten Maschinen, den etablierten Linien mit ihren alten Fliegern mehr Geschäft abzujagen.

Die Personalkosten der Fluggesellschaften

Doch inzwischen verschoben sich die Gewichte. Die Etablierten konterten nun ihrerseits die Billigattacken mit eigenen Low-Cost-Töchtern sowie mehr Flügen. Denn deren alte abgeschriebene Jets flogen dank des billigen Sprits unterm Strich oft spürbar günstiger als die durch vergleichsweise teure Finanzierungen belasteten neuen Jets der Discounter.

Weshalb Easyjet stärker unter dem Brexit leiden wird


Das führte dazu zu, dass an Europas Himmel derzeit mehr Jets umher fliegen als sich gewinnbringend einsetzen. Denn nach dem gewaltigen Wachstum der vergangenen Jahre bleiben außer beim Verkehr zwischen Ost und West-Europa oder aber innerhalb Osteuropas nur noch wenige vielversprechende freie Routen. Die Folge sind extrem niedrige Preise, die im letzten Jahr bei allen Linien erneut um bis zu sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken sind.

Damit lag das Minus beim Umsatz höher als die Airlines dank des niedrigeren Ölpreises und ihrer Sparanstrengungen die Betriebskosten drücken konnten. Jetzt wo das Flugbenzin langsam teurer wird droht das Modell endgültig zu kippen.

Die Nebeneinkünfte der Airlines abseits des Ticketverkaufs

Das wird Easyjet etwas stärker treffen als andere. Nicht nur dass Erzrivale Ryanair mit seinem Fokus auf Geschäftsreisende und zentrale Flughäfen wie zuletzt Frankfurt Easyjet von unten zusetzt – zusätzlich zu dem ohnehin starken Druck durch etablierte Airlines.

„Easyjet hat eine starke wirtschaftliche Substanz“

Wie keine zweite Billiglinie wird Easyjet unter dem angekündigten Austritt Großbritanniens aus der EU leiden. Zwar hilft der Brexit der Linie zunächst ein wenig. Denn durch den schwächeren Kurs des britischen Pfunds bekommt Easyjet für ihre Einnahmen in Euro zunächst einen höheren Betrag in ihrer heimischen Währung.

Doch das wird mehr als wettgemacht. So steigen mit dem Verfall des Pfunds sofort die Kosten für den in Dollar abgerechneten Sprit und die politische Unsicherheit hält vielen Briten von Auslandsreisen ab. Gleichzeitig zieht es nach den Terroranschlägen der vergangenen zwölf Monate weniger Urlauber nach Frankreich, wo Easyjet die zweitgrößte Linie nach Air France ist. Um das wettzumachen muss Easyjet nicht nur auch ihr Netz umbauen, erwartet HSBC-Analyst Lobbenberg. Sie muss auch eine EU-Tochter aufbauen. Nur so kann sie weiterhin auf dem Kontinent fliegen wenn sie nach dem von der britischen Regierung angekündigten harten EU-Austritt weiterhin auf dem Kontinent fliegen will.

So schneiden Deutschlands Flughäfen ab
Flughafen Berlin‐Tegel Quelle: Günter Wicker/Flughafen Berlin Brandenburg GmbH
Köln Bonn Airport Quelle: Köln-Bonn GmbH
Düsseldorf Airport Quelle: dpa
Hamburg Airport Quelle: Michael Penner
Flughafen Stuttgart Quelle: Presse
Airport Nürnberg Quelle: Presse
Bremen Airport Quelle: Flughafen Bremen

Der Effekt wird Easyjet jedoch wohl nur vorübergehend bremsen. „Easyjet hat eine starke wirtschaftliche Substanz“ lobt Analyst Lobbenberg. Nicht zuletzt deshalb kann die Linie nicht nur die aktuellen Preiskämpfe und die schwächere Nachfrage länger durchhalten als die meisten ihrer Wettbewerber. Wenn im Wettbewerb anderen Linien die Luft ausgehen sollte, haben die Briten noch genug Vermögen um kleinere Wettbewerber zu übernehmen oder zumindest aktiv in die Lücken stoßen wenn die Konkurrenz im großen Stil Routen aufgibt.

Denn wie Chefin McCall am Dienstag wohl verkünden wird, arbeitet die Linie bereits nach Kräften an den Problemen. Dame Carolin hat bereits angekündigt, das Wachstum zu kappen und mehr unprofitable Routen zu streichen. Dazu könnten sie als Zwischenschritt bis zu einer echten EU-Tochter die bislang kleine Niederlassung in der Schweiz zur Zentrale für Flüge abseits von Großbritannien ausbauen. Denn auch wenn die Eigenossen ebenso außerhalb der Europäischen Gemeinschaft stehen wie die Briten. Das Land hat früh ein Abkommen geschlossen, dass es in fliegerischen Dingen den EU-Mitgliedern gleich stellt.

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