Billigflieger Diese Chancen haben die Geizgiganten im Luftkampf

Terrorangst, zu viele Jets am Himmel und Staatshilfen für angeschlagene Airlines: In diesem Frühjahr setzt der Wettbewerb an Europas Himmel selbst Marktführer wie Easyjet gewaltig unter Druck. Wer von den größten Billigfliegern dem Druck am besten gewachsen ist.

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Billigflieger: Luftkampf der Geizgiganten. Quelle: Presse

Sagte der Chef einer Fluglinie, dass er sich über einen schärferen Wettbewerb freut, war er bisher entweder ein Heuchler – oder Ryanair-Chef Michael O‘Leary. „Wer wie Michael die niedrigsten Kosten und das dickste Konto Geld hat, findet das Hauen und Stechen vielleicht gut“, so ein führender Airline-Manager. „Wer wie fast der ganze Rest kaum Geld verdient, mag das garantiert nicht.“

In diesem Frühjahr dürfte nun selbst der Ryanairchef die wachsende Konkurrenz nicht mehr so recht mögen. „Die vergangenen Monate waren die bisher schlimmste Zeit für alle Airlines“, sagt Easyjet-Chefin Carolyn McCall im Hinblick auf die Verbindung aus Terrorangst und Streiks. „Diese Kombination ist neu und macht das Geschäft fast unberechenbar“. so McCall.

Nun gehören harte Zeiten und auch Pleiten im Fluggeschäft zum Alltag. Seit der Billigflugboom nach der Jahrtausendwende richtig losging, gab es in Europa laut Schätzungen bereits weit über 200 Pleiten. Doch weil am Ende der Konsolidierungswelle gut ein halbes Dutzend mehr oder weniger solider Airlines mit deutlichen Stärken übrig blieb – wie der in Osteuropa starken Wizz Air aus Ungarn – hätte sich die Branche eigentlich beruhigen können.

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Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. „Unsere Krisenhandbücher helfen uns jetzt wenig“, so McCall.

Dafür sorgt eine fast einmalige Lage. Der offensichtlichste Grund ist die Angst vor dem Terror. Mit der Angriffsserie von Paris, der Flugzeugbombe im ägyptischen Sharm el-Sheikh und den Anschlägen von Brüssel gab es gleich drei direkte Attacken auf Touristen innerhalb eines Vierteljahres.

Der Dreifachschlag hat zwar bislang die Zahl der Reisenden noch nicht gedrückt, denn das Gros der Urlaubsreisenden will ihre im Sommer oder Herbst gebuchten Flüge nicht verfallen lassen. Doch die Vorausbuchungen sind deutlich zurückgegangen und werden von den Airlines durch mehr Sonderangebote angetrieben. So wirbt derzeit selbst die sonst so krisenresistente Emirates aus Dubai damit, dass sie ihren Kunden auf vielen Strecken eine Gratisübernachtung in Dubai schenkt.

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Das bedeutet nicht nur weniger Geld aus den Vorauszahlungen der Kunden. Weil die Flugpreise steigen, je voller der Flieger wird, fehlen am Ende vor allem die teureren Tickets, die den Airlines das meiste Geld bescheren. Somit bringt jeder Flug weniger Umsatz als geplant.

Doch die Probleme gehen tiefer. Denn gerade im Europaverkehr standen schon vorher die Zeichen auf Sturm.

Treiber sind auch die etablierten Airlines

Dafür sorgt zum einen die wachsende Überkapazität am Himmel. Europas große Billigflieger Ryanair, Easyjet, Wizzair sowie die Billigtöchter etablierter Linien wie Lufthansas Eurowings oder Vueling aus der IAG genannten Mutter von British Airways bekommen jedes Jahr bis zu 200 neue Jets geliefert und wollen in diesem Jahr beim Umsatz um bis zu 25 Prozent zulegen.

Treiber sind dabei auch die etablierten Linien. Jahrelang hielten sie sich zurück, weil sie mit ihren hohen Kosten im Wettbewerb mit den Billiglinien nicht bestehen konnten. Um einen Passagier einen Kilometer weit zu fliegen, zahlt der ungarische Ultra-Billigflieger Wizz Air mit 3,8 Cent nur 40 Prozent dessen, was Air France ausgibt.

Doch stürzen sich Lufthansa und Co in den Wettbewerb. Sie haben bei ihren Töchtern wie Eurowings und auch bei der Mutter die Kosten gesenkt. "Der Abstand ist zwar noch da, aber er ist deutlich geringer ", so René Steinhaus, Flugspezialist der Beratung A.T. Kearney.

Kampf der Billigflieger

Mit diesem Rückenwind wollen die Konzerne nun verlorenes Terrain zurückgewinnen. Sowohl Eurowings als auch Vueling und Air France mit Transavia haben für sich das Ziel verkündet, die drittgrößte Billiglinie Europas zu werden. Dazu beanspruchen auch Norwegian und Wizz Air den Platz auf dem Treppchen hinter Ryanair und Easyjet. „Das kann bestenfalls einer der drei gelingen“, so Berater Steinhaus.

In einem gesunden Wettbewerb würden sich solche Probleme mehr oder weniger von allein lösen. Anders in der Fliegerei, wo Airlines wie Alitalia oder Air Berlin auch nach mehreren Jahren der Verluste weiter fliegen. Grund ist hier die staatliche Etihad aus Abu Dhabi, die weit mehr als 1,5 Milliarden Euro an Krediten und anderen mehr oder weniger direkten Investitionen in ihre europäischen Töchter wie gesteckt hat.

„Selbst wenn eine Airline schließen muss, verschwindet sie oft nicht vollständig“, sagt Berater Steinhaus. Als etwa im vergangenen Herbst die staatliche Estonian Air am Boden blieb, legte Estland kurzerhand eine neue nationale Linie auf, die inzwischen als Nordica firmiert. Sogar wenn eine Airline wie die ungarische Malev mal ganz aufhört, bleibt ein Rest. Denn ihre Jets fliegen weiter. Weil die Leasingfirmen sie zu günstigen Konditionen anderen Linien anbieten, sorgen die Maschinen dann weiter für ein Überangebot.

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Zu guter Letzt verhindert das billige Öl eine Auslese. Dadurch sinken zwar die Betriebskosten für alle. „Der billige Sprit hilft vor allem Altlast-Airlines wie Air France-KLM“, klagt Easyjet-Chefin McCall. „Die können mit ihren alten, ineffizienten Jets viele Strecken anbieten, die sie bei höheren Kerosinpreisen einstellen müssten.“ Die gesunden Gesellschaften wie Ryanair und Norwegian haben zwar einen niedrigeren Verbrauch. Doch gerade weil Easyjet & Co ihre Jets meist in Zeiten höherer Zinsen finanziert haben, sind die neuen Maschinen so teuer in der Finanzierung, dass sie unterm Strich oft teurer fliegen als die alten, bereits abgeschriebenen Flotten der etablierten Linien.

Das setzt am Ende sogar die lange unantastbaren Marktführer unter Druck. „Wer sich nicht ständig anpasst, bekommt Probleme“, gibt O’Leary zu – sieht aber die Probleme bei den anderen. Doch wie gut sind die Karten der großen Billigflieger wirklich?

Ryanair und Easyjet

1.      Ryanair – Die Platzhirsche

Stärke: Ryanair hat die in der ganzen Branche solidesten Finanzen, die meisten Passagiere, die bekannteste Marke und – nach mehreren Renovierungen – endlich auch die wohl nutzerfreundlichste Internetseite. Dazu setzt die Linie glaubhaft auf besseren Service. Dank ihrer niedrigen Kosten haben sich die Iren erfolgreich in neue Flughäfen gewagt wie Brüssel.

Schwäche: So sehr Ryanair auch inzwischen auf kundenfreundlich macht: Dank vieler alter Horrorgeschichten über Servicepannen und Verweigerung von Fluggastrechten hängt ihnen ihr altes Abkassier-Image an und macht sie gerade für gut zahlende Geschäftsreisende, anspruchsvolle Touristen und mehrköpfige Familien zu einem roten Tuch.

Ausblick: Auch wenn die Linie erstmals so etwas Ähnliches wie Druck spürt, dürfte sie mit der aktuell angespannten Lage doch am besten klar kommen. Denn bei aller Kundenfreundlichkeit setzt sie intern immer noch auf harte Sparsamkeit. Und sie hat den Vorteil gerade wegen ihres miesen Images die geringe Erwartungen übererfüllen zu können.

Die Strategie von Ryanair

 

2.      Easyjet – Die innovativen Zweiten

Stärke: Im Führungsteam sitzen fast ausschließlich ehemalige Mitarbeiter von Markenartiklern statt wie anderswo Airliner. Darum setzt die Linie wie keine zweite auf Innovationen und Big Data. Sie hat das klarste Konzept und fliegt meist zu großen Airports in hoher Frequenz, was besonders gut zahlende Geschäftsreisende schätzen.

Schwäche: Die Linie wächst auch wegen häufiger Streitereien mit dem Hauptaktionär Stelios Haji-Ioannou relativ langsam und überlässt deshalb plötzlich frei werdende Märkte oft anderen Airlines. Dazu spürt sie wegen der vielen Großflughäfen im Netz den Druck der reformierten Marktführer wie Lufthansa und ihrer Billigableger sowie von Ryanair am stärksten.

Ausblick: Easyjet kommt trotz des Gegenwinds mit der aktuellen Lage kaum schlechter klar als Ryanair. Allerdings sind nach der guten Entwicklung der vergangenen Jahre die Erwartungen der Aktionäre schwerer zu erfüllen. Darum könnte die Linie sich am Ende zu wenig gegen aggressive Wettbewerber wehren und Boden verlieren.

Norwegian und Wizzair

3.      Norwegian – Die Langstreckler

Stärke: Die Skandinavier beherrschen mit Norwegen den wohlhabendsten Flugmarkt in Europa. Dazu haben sie die beste Risikostreuung. Sie bieten als einzige europäische Linie in großem Stil Billigflüge auf der Langstrecke mit modernen Jets an, sind auch im Leasinggeschäft aktiv und nutzen konsequent Arbeitnehmer aus Billiglohnländern.

Schwäche: Die Linie muss ihre bis zu gut 400 bestellten Flugzeuge auch profitabel einsetzen. Sie ist außerhalb Skandinaviens oft zu klein und bestenfalls noch in Großbritannien und Teilen Spaniens eine bekannte Marke, nicht aber in Deutschland und Frankreich. Zudem ist das Billig-Langstreckengeschäft wegen vieler behördlicher Auflagen eine wackelige Angelegenheit.

Ausblick: Norwegians Chancen sind nicht leicht abzuschätzen. Das Management tut sich mit den vielen Geschäftsfeldern nicht immer leicht und musste nach einem guten Anfang Verluste melden. Erfolgreich wird Norwegian nur, wenn das Langstreckengeschäft stabil läuft und die Skandinavier das Unternehmen weiterhin gegenüber Ryanair bevorzugen.

Welche Airlines ihre Kunden verwöhnen
Menschenmengen an den Flughäfen Quelle: dpa
Michael O´Leary. Quelle: dpa
Tuifly Quelle: dpa
Germanwings Quelle: dpa
Condor Quelle: AP
Air Berlin Quelle: dpa
Turkish Airlines Quelle: REUTERS

 

4.      Wizzair – Die Ultrageizigen

Stärke: Die Ungarn haben die niedrigsten Kosten in Europa, die nach Ryanair höchste Gewinnmarge und in ihrer osteuropäischen Heimat wenig Konkurrenz. Dazu setzt die Linie auf ihren Strecken statt auf mehr Flüge lieber auf größere Flugzeuge. Darum kann sie sich weitere Kosten- und Preissenkungen im Wettbewerb erlauben.

Schwäche: Die Linie überzeugt nur weniger der besser zahlenden Geschäftsreisenden. Sie steuert meist kleine Städte an, deren Namen Westeuropäer oft erst googlen müssen. Dazu verschreckt Wizz mit ihrem extremen Geizservice, bei dem selbst Handgepäck an Bord extra kosten kann. Das verschreckt sogar Kunden, die sich an den Ryanair-Service gewöhnt haben.

Ausblick: Trotz guten Margen sind die Finanzen weniger solide als bei den Marktführern. Dazu könnte der Fernbusverkehr die Linie weite Teile ihrer preissensiblen Stammkundschaft kosten. Orientiert sich Ryanair weiter in Richtung mehr Service, bleibt ein Platz für Wizz – solange das Geld reicht und Osteuropas Wirtschaft wächst.

Eurowings und Vueling

5.      Eurowings – Die Fehlstarter

Stärke: Die Lufthansa-Tochter hat von der wohlhabenden Mutter die Vielflieger und das starke Bonusprogramm geerbt. Dazu hat Eurowings nach der Mutter die wertvollsten Startzeiten im wirtschaftlich starken Deutschland. Air Berlin ist ein fast idealer Wettbewerber: Groß genug um Linien wie Ryanair oder Easyjet rauszuhalten, aber zu schwach für Kampfpreise.

Schwäche: Nur langsam löst sich Eurowings aus der Klammer der Mutter, die ihre Billigtochter kaum wachsen ließ, ihr aber teure Gehälter und Standards aufzwang. Dazu hat Eurowings viel guten Willen verspielt: durch Streiks, schlecht kommunizierte Serviceeinschnitte gegenüber der Lufthansa und spektakuläre Verspätungen.

Ausblick: Noch ist Eurowings als Spätstarter etwas klein um mitzuhalten. Sie hat eine Zukunft, wenn die Führung vor allem ihre Piloten vom neuen Konzept überzeugt. Dazu muss sie das noch unerprobte System aus Partnerschaften mit anderen Linien wie Brussels umsetzen und darf dabei nicht zu kompliziert werden. Dann sind die Chancen vorhanden.

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6.      Vueling - Die (Fast-)Premiumdiscounter

Stärke: Im extrem umkämpften spanischen Markt hat Vueling dank ihrer Heimat Barcelona noch die beste Stellung. Die Konzernmutter IAG mit British Airways (BA) lässt ihrer Billigtochter viel Freiheit und hievte sogar Alex Cruz vom Chefposten bei Vueling als Entwicklungshelfer auf den BA-Chefsessel. Dazu erflog sich Vueling dank Serviceneuerungen einen guten Ruf.

Schwäche: Vueling ist trotz allem etwas klein und nur in Spanien, Italien und Frankreich bekannt. Den großen Sprung in die hochpreisigen Märkte in Nordeuropa hat die Linie bisher gescheut. Dazu macht Vueling wenig aus ihren Verbindung zu den Konzernschwestern BA oder Iberia und zur Flugallianz Oneworld mit American Airlines.

Ausblick: Wenn Vueling endlich spürbar stärker wächst, größere Teile des Europaverkehrs innerhalb des IAG-Konzerns übernimmt und mit neuen Serviceideen wie einem Umsteigeverkehr in Barcelona endlich mehr Kunden vor allem außerhalb der Mittelmeeranrainer-Staaten gewinnt, sind die Chancen gut. 

Transavia und Air Berlin

 

7.      Transavia – Die Nachzügler

Stärke: Der Low-Cost-Ableger von Air France-KLM  hat eine längere Billigtradition als Lufthansas Eurowings oder BAs Vueling. Denn bereits vor der Low-Cost-Zeit war die Linie im extrem umkämpften Charterverkehr aktiv. Die Führungsmannschaft versteht das Geschäft. Dazu traut sich die Linie in hochpreisige Flughäfen wie München.

Schwäche: Die Linie ging erst relativ spät in Richtung Billigflug und hat mit Air France-KLM die finanziell schwächste Muttergesellschaft. Sie hat eine relativ alte Flotte und ist innerhalb des Konzerns extrem umstritten. Dazu sind die Wachstumspläne derzeit noch zu vorsichtig, um die Linie bald in ganz Europa auf eine kritische Größe zu bringen.

Ausblick: Soll sich die Linie wirklich als europaweiter Billigflieger etablieren, braucht Transavia noch mehr Geld und neue Flugzeuge als Eurowings und Vueling. Doch angesichts der Krise bei Air France und der starken Stellung von Easyjet sowohl in den Niederlanden als auch in Frankreich selbst, bleiben auch dann die Aussichten eher düster.

 

8.      Air Berlin – Die Abhängigen

Stärke: Schon vor den Streiks und Servicepannen waren die Berliner in Deutschland beliebter als Lufthansa. Die Linie hat reichlich gute Startzeiten an den für andere fast verschlossenen Flughäfen – etwa in Düsseldorf, Berlin-Tegel oder München. Dazu hat die Linie starke Partner wie den Oneworld-Verbund um British Airways oder die Beteiligungen der Mutter Etihad.

Schwäche: Die Berliner haben die wohl schwächsten Finanzen der Branche und leben vom Geld ihrer Mutter Etihad. Das letztere zahlt, ist auch angemessen. Die Linie aus Abu Dhabi hat zwar mit Stephan Pichler nach vielen Zauderern einen zupackenden Chef geholt. Doch dann ließ sie ihn seinen Sanierungsplan nicht umsetzen – aus Angst um das Premiumimage.

Ausblick: Wie es mit Air Berlin weiter geht, ist völlig offen. Die Schulden wachsen und es bleibt unklar, ob die Linie mehr im profitablen Urlauberverkehr wächst oder doch mehr beim weitgehend unprofitablen Zubringerverkehr in die Drehkreuze Düsseldorf und Berlin. Doch so lange Air Berlin dank der Überweisungen vom Golf die Rechnungen zahlt kann, fliegt sie weiter.

Das Air-Berlin-Problem in Zahlen

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