Sagte der Chef einer Fluglinie, dass er sich über einen schärferen Wettbewerb freut, war er bisher entweder ein Heuchler – oder Ryanair-Chef Michael O‘Leary. „Wer wie Michael die niedrigsten Kosten und das dickste Konto Geld hat, findet das Hauen und Stechen vielleicht gut“, so ein führender Airline-Manager. „Wer wie fast der ganze Rest kaum Geld verdient, mag das garantiert nicht.“
In diesem Frühjahr dürfte nun selbst der Ryanairchef die wachsende Konkurrenz nicht mehr so recht mögen. „Die vergangenen Monate waren die bisher schlimmste Zeit für alle Airlines“, sagt Easyjet-Chefin Carolyn McCall im Hinblick auf die Verbindung aus Terrorangst und Streiks. „Diese Kombination ist neu und macht das Geschäft fast unberechenbar“. so McCall.
Nun gehören harte Zeiten und auch Pleiten im Fluggeschäft zum Alltag. Seit der Billigflugboom nach der Jahrtausendwende richtig losging, gab es in Europa laut Schätzungen bereits weit über 200 Pleiten. Doch weil am Ende der Konsolidierungswelle gut ein halbes Dutzend mehr oder weniger solider Airlines mit deutlichen Stärken übrig blieb – wie der in Osteuropa starken Wizz Air aus Ungarn – hätte sich die Branche eigentlich beruhigen können.
Die wichtigsten Billigflieger in Deutschland
Transavia
Starts pro Woche: 64
Sitze: 9616
Strecken: 19
Vueling
Starts pro Woche: 67
Sitze: 12.160
Strecken: 11
Aer Lingus
Starts pro Woche: 71
Sitze: 12.354
Strecken: 8
Norwegian Air Shuttle
Starts pro Woche: 106
Sitze: 19.929
Strecken: 33
flybe
Starts pro Woche: 130
Sitze: 10.800
Strecken: 16
Wizz
Starts pro Woche: 208
Sitze: 38.590
Strecken: 73
Easyjet
Starts pro Woche: 531
Sitze: 86.868
Strecken: 90
Ryanair
Starts pro Woche: 1058
Sitze: 199.962
Strecken: 243
Euro-/Germanwings
Starts pro Woche: 2595
Sitze: 390.692
Strecken: 516
Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. „Unsere Krisenhandbücher helfen uns jetzt wenig“, so McCall.
Dafür sorgt eine fast einmalige Lage. Der offensichtlichste Grund ist die Angst vor dem Terror. Mit der Angriffsserie von Paris, der Flugzeugbombe im ägyptischen Sharm el-Sheikh und den Anschlägen von Brüssel gab es gleich drei direkte Attacken auf Touristen innerhalb eines Vierteljahres.
Der Dreifachschlag hat zwar bislang die Zahl der Reisenden noch nicht gedrückt, denn das Gros der Urlaubsreisenden will ihre im Sommer oder Herbst gebuchten Flüge nicht verfallen lassen. Doch die Vorausbuchungen sind deutlich zurückgegangen und werden von den Airlines durch mehr Sonderangebote angetrieben. So wirbt derzeit selbst die sonst so krisenresistente Emirates aus Dubai damit, dass sie ihren Kunden auf vielen Strecken eine Gratisübernachtung in Dubai schenkt.
Die Nebeneinkünfte der Airlines abseits des Ticketverkaufs
Alaska Air Group
Jahresergebnis 2014: 921 Millionen US-Dollar
Vorjahr: -
Quelle: „Yearbook of Ancillary Revenue 2015” der IdeaWorksCompany
Qantas Airways
Jahresergebnis 2014: 1,4 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 09, 1,3 Milliarden US-Dollar
easyJet
Jahresergebnis 2014: 1,5 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 07, 1,4 Milliarden US-Dollar
Lufthansa
Jahresergebnis 2014: 1,6 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 08, 1,3 Milliarden US-Dollar
Southwest
Jahresergebnis 2014: 1,9 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 06, 1,6 Milliarden US-Dollar
Ryanair
Jahresergebnis 2014: 1,9 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 05, 1,7 Milliarden US-Dollar
Air France/KLM
Jahresergebnis 2014: 2 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 04: 1,7 Milliarden US-Dollar
Delta
Jahresergebnis 2014: 3,2 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 02, 2,5 Milliarden US-Dollar
AirwaysAmerican/US Airways
Jahresergebnis 2014 (Vorjahr): 4,7 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 03, 2 Milliarden US-Dollar (American)/ Platz 10, 1,1 Milliarden US-Dollar (US Airways)
United
Jahresergebnis 2014: 5,9 Milliarden US-Dollar
Vorjahr: Platz 01, 5,7 Milliarden US-Dollar
Das bedeutet nicht nur weniger Geld aus den Vorauszahlungen der Kunden. Weil die Flugpreise steigen, je voller der Flieger wird, fehlen am Ende vor allem die teureren Tickets, die den Airlines das meiste Geld bescheren. Somit bringt jeder Flug weniger Umsatz als geplant.
Doch die Probleme gehen tiefer. Denn gerade im Europaverkehr standen schon vorher die Zeichen auf Sturm.
Treiber sind auch die etablierten Airlines
Dafür sorgt zum einen die wachsende Überkapazität am Himmel. Europas große Billigflieger Ryanair, Easyjet, Wizzair sowie die Billigtöchter etablierter Linien wie Lufthansas Eurowings oder Vueling aus der IAG genannten Mutter von British Airways bekommen jedes Jahr bis zu 200 neue Jets geliefert und wollen in diesem Jahr beim Umsatz um bis zu 25 Prozent zulegen.
Treiber sind dabei auch die etablierten Linien. Jahrelang hielten sie sich zurück, weil sie mit ihren hohen Kosten im Wettbewerb mit den Billiglinien nicht bestehen konnten. Um einen Passagier einen Kilometer weit zu fliegen, zahlt der ungarische Ultra-Billigflieger Wizz Air mit 3,8 Cent nur 40 Prozent dessen, was Air France ausgibt.
Doch stürzen sich Lufthansa und Co in den Wettbewerb. Sie haben bei ihren Töchtern wie Eurowings und auch bei der Mutter die Kosten gesenkt. "Der Abstand ist zwar noch da, aber er ist deutlich geringer ", so René Steinhaus, Flugspezialist der Beratung A.T. Kearney.
Kampf der Billigflieger
Passagierzahlen (in Millionen) im Vergleich zum Vorjahr. Werte gerundet.
Quelle: Unternehmen
Passagierzahlen (in Mio.): 91
Vergleich zum Vorjahr: +11%
Stand: 31.03.2015
Passagierzahlen (in Mio.): 65
Vergleich zum Vorjahr: +7%
Stand: 2014
Passagierzahlen (in Mio.): 22
Vergleich zum Vorjahr: +16%
Stand: 2014
Mit diesem Rückenwind wollen die Konzerne nun verlorenes Terrain zurückgewinnen. Sowohl Eurowings als auch Vueling und Air France mit Transavia haben für sich das Ziel verkündet, die drittgrößte Billiglinie Europas zu werden. Dazu beanspruchen auch Norwegian und Wizz Air den Platz auf dem Treppchen hinter Ryanair und Easyjet. „Das kann bestenfalls einer der drei gelingen“, so Berater Steinhaus.
In einem gesunden Wettbewerb würden sich solche Probleme mehr oder weniger von allein lösen. Anders in der Fliegerei, wo Airlines wie Alitalia oder Air Berlin auch nach mehreren Jahren der Verluste weiter fliegen. Grund ist hier die staatliche Etihad aus Abu Dhabi, die weit mehr als 1,5 Milliarden Euro an Krediten und anderen mehr oder weniger direkten Investitionen in ihre europäischen Töchter wie gesteckt hat.
„Selbst wenn eine Airline schließen muss, verschwindet sie oft nicht vollständig“, sagt Berater Steinhaus. Als etwa im vergangenen Herbst die staatliche Estonian Air am Boden blieb, legte Estland kurzerhand eine neue nationale Linie auf, die inzwischen als Nordica firmiert. Sogar wenn eine Airline wie die ungarische Malev mal ganz aufhört, bleibt ein Rest. Denn ihre Jets fliegen weiter. Weil die Leasingfirmen sie zu günstigen Konditionen anderen Linien anbieten, sorgen die Maschinen dann weiter für ein Überangebot.
Die fünf Erfolgsgeheimnisse der arabischen Airlines
Kern des Erfolgs sind die guten Preise. Möglich werden sie durch die im Vergleich zu europäischen Linien bis zu 30 Prozent niedrigeren Ausgaben. Dafür sorgt die Flotte, die dank Großbesteller-Rabatten und moderner Technik im Schnitt gut ein Zehntel günstiger fliegt als die Maschinen der Konkurrenz aus Übersee. Zweites Plus sind die Flughäfen der Golfstaaten. Großzügig gebaut und ohne Einschränkungen beim Nachtflug erlauben sie eine optimale Flugplanung ohne die überflüssigen Ruhezeiten für die teuren Maschinen. Und weil die Airports meist die gleichen Aufsichtsratschefs haben wie die Fluglinien, fördern sie die durch niedrige Gebühren, die nur rund ein Zehntel der in Europa fälligen Abgaben betragen.
Die unternehmensfreundliche Gesetzgebung sorgt für weitere Einsparungen. Dinge wie Steuern und Sozialabgaben sind ebenso unbekannt wie Sozialstandard oder Kündigungsschutz. Das spiegelt sich auch in der Unternehmenskultur wieder. Weil die Gehälter ohne die Abgaben relativ hoch sind und der Job viele Freiräume bietet, ziehen die Golflinien überdurchschnittlich viele hochmotivierte Mitarbeiter an. „Wir haben das Gefühl, die Vorgaben zu erreichen und wahrscheinlich sogar übertreffen können", so ein hochrangiger Mitarbeiter bei Emirates.
Die Flughäfen am Golf liegen verkehrsgünstig. Mit Ausnahme von Chile und Süd-Argentinien sind mit modernen Flugzeugen fast alle Orte der Welt erreichbar und bei den besonders stark beflogenen Routen von Europa nach Südostasien liegen die Golfstaaten quasi auf dem Weg.
Die Golflinien setzen auf Kundendienst. Während die Linien aus Europa und den USA bei Neuerungen wie modernen Flugzeugen, bequemen Sitzen, Betten in der Business Class oder einem persönlichen Unterhaltungsbildschirm in der Economy lange zu teuer waren und sie ihre Kunden bei jeder Gelegenheit mit Zuschlägen belasteten, setzen die Golfinien auf „alles inklusive.“
Fast ebenso viel wie in neue Technik stecken die Linien ins Marketing. Lufthansa etwa investiert eher zurückhaltend in Sportförderung oder aber in ungewöhnliche Dinge wie Events klassischer Musik. Besonders letztere sorgen – bei allem künstlerischen Wert – besonders bei jüngeren Reisenden außerhalb Europas für weniger Bekanntheit als die von den Golflinien bevorzugten Massensportarten wie Fußball oder Formel 1.
Die Grundidee für das Modell borgte sich das Emirates-Gründungsteam um Clark am Ende von Singapore Airlines. Die Linie des südostasiatischen Inselstaats zeigte als erste, wie ein Verbund aus einem Langstreckendrehkreuz, einem kundenfreundlichen Flughafen und der Rückendeckung der lokalen Regierung eine Weltmacht im Fliegen schafft – und daraus dann ein weltweit wichtiges Wirtschaftszentrum erwächst. Ein System, das nach den Golflinien im übrigen auch Island aufgenommen hat, mit Reykjavik als Minidrehkreuz zwischen Europa und Nordamerika.
Zu guter Letzt verhindert das billige Öl eine Auslese. Dadurch sinken zwar die Betriebskosten für alle. „Der billige Sprit hilft vor allem Altlast-Airlines wie Air France-KLM“, klagt Easyjet-Chefin McCall. „Die können mit ihren alten, ineffizienten Jets viele Strecken anbieten, die sie bei höheren Kerosinpreisen einstellen müssten.“ Die gesunden Gesellschaften wie Ryanair und Norwegian haben zwar einen niedrigeren Verbrauch. Doch gerade weil Easyjet & Co ihre Jets meist in Zeiten höherer Zinsen finanziert haben, sind die neuen Maschinen so teuer in der Finanzierung, dass sie unterm Strich oft teurer fliegen als die alten, bereits abgeschriebenen Flotten der etablierten Linien.
Das setzt am Ende sogar die lange unantastbaren Marktführer unter Druck. „Wer sich nicht ständig anpasst, bekommt Probleme“, gibt O’Leary zu – sieht aber die Probleme bei den anderen. Doch wie gut sind die Karten der großen Billigflieger wirklich?
Ryanair und Easyjet
1. Ryanair – Die Platzhirsche
Stärke: Ryanair hat die in der ganzen Branche solidesten Finanzen, die meisten Passagiere, die bekannteste Marke und – nach mehreren Renovierungen – endlich auch die wohl nutzerfreundlichste Internetseite. Dazu setzt die Linie glaubhaft auf besseren Service. Dank ihrer niedrigen Kosten haben sich die Iren erfolgreich in neue Flughäfen gewagt wie Brüssel.
Schwäche: So sehr Ryanair auch inzwischen auf kundenfreundlich macht: Dank vieler alter Horrorgeschichten über Servicepannen und Verweigerung von Fluggastrechten hängt ihnen ihr altes Abkassier-Image an und macht sie gerade für gut zahlende Geschäftsreisende, anspruchsvolle Touristen und mehrköpfige Familien zu einem roten Tuch.
Ausblick: Auch wenn die Linie erstmals so etwas Ähnliches wie Druck spürt, dürfte sie mit der aktuell angespannten Lage doch am besten klar kommen. Denn bei aller Kundenfreundlichkeit setzt sie intern immer noch auf harte Sparsamkeit. Und sie hat den Vorteil gerade wegen ihres miesen Images die geringe Erwartungen übererfüllen zu können.
Die Strategie von Ryanair
Seit Ryanair-Chef Michael O’Leary die Vorteile der Freundlichkeit entdeckt hat, schickt er bei kitzligen Dingen seinen erst vor knapp einem Jahr eingestellten Marketingchef Kenny Jacobs vor. „Das ist unser neues freundliches Gesicht“, so das größte Raubein der Flugbranche. Doch auch wenn der früher bei Handelskonzernen Tesco und Metro tätige Jacobs nett auftritt und im Humor – anders als sein Chef – garantiert jugendfrei ist: Er agiert kaum sanfter beim Kampf um die lukrativste Passagiergruppe der Geschäftsreisenden. „Wir werden zu Europas wichtigster Fluglinie für Manager“, sagt der sportliche 40-Jährige. „Bereits ohne große Werbung verkaufen wir mehr als 10 000 unserer Geschäftsreisepakete pro Woche, und Ende 2017 werden es gut 200 000 pro Woche oder zehn Millionen im Jahr sein.“
Um die Reiseetats der Manager kämpft Ryanair in drei Schritten.
Den Anfang machten die Iren vor gut einem Jahr, als die Linie auf dem europäischen Festland zusätzlich zu abgelegenen Flughäfen wie Hahn im Hunsrück vermehrt große Flughäfen wie Hamburg oder Brüssel anflog. Zwölf waren es seit Ende 2013. „Da kommen bis 2017 noch mindestens 20 hinzu“, verspricht Jacobs. In Deutschland will er neben Düsseldorf und Stuttgart sogar im Lufthansa-Drehkreuz München landen.
Zweiter Schritt war der Anschluss an Reisebürosysteme wie Amadeus, die ihnen direkten Zugang zu den Unternehmenskunden verschaffte.
Der dritte und sichtbarste Schritt ist ein verbesserter Service für Geschäftsreisende. Den Anfang machte im Herbst das Business Plus Paket, das neben Freigepäck und schnellerer Sicherheitskontrolle auch unbegrenzte Umbuchungen bietet.
Das soll nur der Anfang sein. „Die Einzelheiten stellen wir erst im Frühjahr vor“, so Jacobs. Doch erste Verträge mit Unternehmen wie der Deutschland-Niederlassung des Autobauers Ford in Köln zeigen die Richtung. Zum Paket gehören etwa Zusatzservices für die Mitarbeiter wie Gratisverpflegung sowie eine direkte Verbindung von Ryanair zu den internen Controllingsystemen, die direkte Buchungen und – ein Tabubruch – Rabatte ermöglichen. „Wir denken über Rückerstattungen für Großkunden nach“, so Jacobs.
2. Easyjet – Die innovativen Zweiten
Stärke: Im Führungsteam sitzen fast ausschließlich ehemalige Mitarbeiter von Markenartiklern statt wie anderswo Airliner. Darum setzt die Linie wie keine zweite auf Innovationen und Big Data. Sie hat das klarste Konzept und fliegt meist zu großen Airports in hoher Frequenz, was besonders gut zahlende Geschäftsreisende schätzen.
Schwäche: Die Linie wächst auch wegen häufiger Streitereien mit dem Hauptaktionär Stelios Haji-Ioannou relativ langsam und überlässt deshalb plötzlich frei werdende Märkte oft anderen Airlines. Dazu spürt sie wegen der vielen Großflughäfen im Netz den Druck der reformierten Marktführer wie Lufthansa und ihrer Billigableger sowie von Ryanair am stärksten.
Ausblick: Easyjet kommt trotz des Gegenwinds mit der aktuellen Lage kaum schlechter klar als Ryanair. Allerdings sind nach der guten Entwicklung der vergangenen Jahre die Erwartungen der Aktionäre schwerer zu erfüllen. Darum könnte die Linie sich am Ende zu wenig gegen aggressive Wettbewerber wehren und Boden verlieren.
Norwegian und Wizzair
3. Norwegian – Die Langstreckler
Stärke: Die Skandinavier beherrschen mit Norwegen den wohlhabendsten Flugmarkt in Europa. Dazu haben sie die beste Risikostreuung. Sie bieten als einzige europäische Linie in großem Stil Billigflüge auf der Langstrecke mit modernen Jets an, sind auch im Leasinggeschäft aktiv und nutzen konsequent Arbeitnehmer aus Billiglohnländern.
Schwäche: Die Linie muss ihre bis zu gut 400 bestellten Flugzeuge auch profitabel einsetzen. Sie ist außerhalb Skandinaviens oft zu klein und bestenfalls noch in Großbritannien und Teilen Spaniens eine bekannte Marke, nicht aber in Deutschland und Frankreich. Zudem ist das Billig-Langstreckengeschäft wegen vieler behördlicher Auflagen eine wackelige Angelegenheit.
Ausblick: Norwegians Chancen sind nicht leicht abzuschätzen. Das Management tut sich mit den vielen Geschäftsfeldern nicht immer leicht und musste nach einem guten Anfang Verluste melden. Erfolgreich wird Norwegian nur, wenn das Langstreckengeschäft stabil läuft und die Skandinavier das Unternehmen weiterhin gegenüber Ryanair bevorzugen.
4. Wizzair – Die Ultrageizigen
Stärke: Die Ungarn haben die niedrigsten Kosten in Europa, die nach Ryanair höchste Gewinnmarge und in ihrer osteuropäischen Heimat wenig Konkurrenz. Dazu setzt die Linie auf ihren Strecken statt auf mehr Flüge lieber auf größere Flugzeuge. Darum kann sie sich weitere Kosten- und Preissenkungen im Wettbewerb erlauben.
Schwäche: Die Linie überzeugt nur weniger der besser zahlenden Geschäftsreisenden. Sie steuert meist kleine Städte an, deren Namen Westeuropäer oft erst googlen müssen. Dazu verschreckt Wizz mit ihrem extremen Geizservice, bei dem selbst Handgepäck an Bord extra kosten kann. Das verschreckt sogar Kunden, die sich an den Ryanair-Service gewöhnt haben.
Ausblick: Trotz guten Margen sind die Finanzen weniger solide als bei den Marktführern. Dazu könnte der Fernbusverkehr die Linie weite Teile ihrer preissensiblen Stammkundschaft kosten. Orientiert sich Ryanair weiter in Richtung mehr Service, bleibt ein Platz für Wizz – solange das Geld reicht und Osteuropas Wirtschaft wächst.
Eurowings und Vueling
5. Eurowings – Die Fehlstarter
Stärke: Die Lufthansa-Tochter hat von der wohlhabenden Mutter die Vielflieger und das starke Bonusprogramm geerbt. Dazu hat Eurowings nach der Mutter die wertvollsten Startzeiten im wirtschaftlich starken Deutschland. Air Berlin ist ein fast idealer Wettbewerber: Groß genug um Linien wie Ryanair oder Easyjet rauszuhalten, aber zu schwach für Kampfpreise.
Schwäche: Nur langsam löst sich Eurowings aus der Klammer der Mutter, die ihre Billigtochter kaum wachsen ließ, ihr aber teure Gehälter und Standards aufzwang. Dazu hat Eurowings viel guten Willen verspielt: durch Streiks, schlecht kommunizierte Serviceeinschnitte gegenüber der Lufthansa und spektakuläre Verspätungen.
Ausblick: Noch ist Eurowings als Spätstarter etwas klein um mitzuhalten. Sie hat eine Zukunft, wenn die Führung vor allem ihre Piloten vom neuen Konzept überzeugt. Dazu muss sie das noch unerprobte System aus Partnerschaften mit anderen Linien wie Brussels umsetzen und darf dabei nicht zu kompliziert werden. Dann sind die Chancen vorhanden.
Die sechs größten Baustellen der Lufthansa
13 Mal haben die Piloten der Lufthansa in den vergangenen gut eineinhalb Jahren gestreikt. Die Vereinigung Cockpit sorgt sich, dass die Piloten unter anderem Abstriche Altersvorsorge hinnehmen müssen - und trotzdem immer mehr Jobs aus dem Tarifvertrag ausgelagert werden. Sie liefern dem Konzern deshalb den härteste Arbeitskampf in seiner Geschichte. Das ist nicht der einzige Knatsch mit dem Personal: Die Flugbegleiter von Ufo sind etwas moderater unterwegs, wollen aber auch ihre tariflichen Besitzstände verteidigen.
Carsten Spohr hat die Lufthansa auf eine Strategie mit zwei sehr unterschiedlichen Plattformen festgelegt, die jetzt gerade erst anlaufen. Die Kernmarke Lufthansa soll bei gleichzeitiger Kostensenkung zur ersten Fünf-Sterne-Airline des Westens aufgewertet werden - eine Luxus-Auszeichnung des Fachmagazins Skytrax, die bislang nur Airlines aus Asien und dem Mittleren Osten erreicht haben. Am anderen Ende der Skala steht künftig „Eurowings“, die nur noch als Plattform für die diversen und möglichst kostengünstigen Flugbetriebe des Lufthansa-Konzerns dienen soll. Die ersten Eurowings-Langstrecken ab Köln werden beispielsweise von der deutsch-türkischen Gesellschaft Sunexpress geflogen. Noch komplizierter wird das Angebot durch die Strategie, auf beiden Plattformen jeweils unterschiedliche Service-Pakete anzubieten.
So richtig gut läuft es für die Lufthansa mit ihrem schwierigen Heimatmarkt Zentraleuropa eigentlich nur in den Neben-Geschäftsbereichen Technik und Verpflegung. In ihrem Kerngeschäft der Passagier- und Frachtbeförderung fliegt die Lufthansa unter dem Strich Verluste ein. Spohrs Plan, Wachstum nur noch in kostengünstigen Segmenten stattfinden zu lassen, bedeutet eigentlich einen Schrumpfkurs für die Kerngesellschaft der Lufthansa Passage. Doch den Mitarbeitern wird Wachstum auch dort versprochen.
Sinkende Ticketpreise sind gut für die Passagiere, knabbern andererseits aber an den schmalen Margen der Fluggesellschaften. Bereits im vergangenen Jahr sind die Erlöse auf breiter Front um drei Prozent zurückgegangen. Der zuletzt stark gesunkene Kerosinpreis begünstigt derzeit Gesellschaften, die sich nicht gegen starke Preisschwankungen abgesichert haben. Lufthansa gehört nicht dazu, sondern hat einen Großteil ihres Spritbedarfs für die kommenden zwei Jahre bereits abgesichert und leidet zudem an der ungünstigen Währungsrelation zwischen Euro und Dollar. Um ihre Tickets zu verkaufen, muss sie aber die Kampfpreise der Konkurrenz halten.
In regelmäßigen Abständen verlangt Lufthansa politischen Schutz vor dem angeblich unfairen Wettbewerb durch Fluggesellschaften vom Arabischen Golf. Zuletzt stimmten auch die großen US-Gesellschaften in den Chor ein. Aber es bleibt dabei: Emirates, Qatar Airways und Etihad lenken mit immer größeren Flugzeugen tausende Fluggäste aus Europa über ihre Wüstendrehkreuze und haben bereits weite Teile des Verkehrs nach Südostasien und Ozeanien fest im Griff. Um streitbare Gewerkschaften, hohe Gebühren und Sozialabgaben oder Nachtflugverbote an ihren Heimatbasen müssen sich die Araber keine Gedanken machen. Zudem ändern die europäischen Billigflieger ihr Geschäftsmodell und werden für Geschäftsleute immer attraktiver. So folgt Ryanair dem Vorbild von Easyjet und verlässt die Provinz-Flughäfen. Am Eurowings-Drehkreuz Köln-Bonn treten die Iren demnächst sogar wieder mit Inlandsflügen nach Berlin an.
Auf Hilfe aus Berlin oder Brüssel hat die Lufthansa in den vergangenen Jahren meist vergeblich gewartet. Die nationale Luftverkehrssteuer verteuert Tickets für Flugreisen von deutschen Flughäfen. Sie bietet zudem der europäischen Konkurrenz Anreize, Umsteiger auf die eigenen Drehkreuze zu locken. Grenznah lebende Passagiere können gleich ganz auf ausländische Flughäfen und Airlines ausweichen. Den häufig angemahnten nationalen Luftverkehrsplan gibt es auch immer noch nicht. Dafür unsinnige Subventionen für Regionalflughäfen, die bislang das Geschäftsmodell der Billigflieger gestützt haben.
6. Vueling - Die (Fast-)Premiumdiscounter
Stärke: Im extrem umkämpften spanischen Markt hat Vueling dank ihrer Heimat Barcelona noch die beste Stellung. Die Konzernmutter IAG mit British Airways (BA) lässt ihrer Billigtochter viel Freiheit und hievte sogar Alex Cruz vom Chefposten bei Vueling als Entwicklungshelfer auf den BA-Chefsessel. Dazu erflog sich Vueling dank Serviceneuerungen einen guten Ruf.
Schwäche: Vueling ist trotz allem etwas klein und nur in Spanien, Italien und Frankreich bekannt. Den großen Sprung in die hochpreisigen Märkte in Nordeuropa hat die Linie bisher gescheut. Dazu macht Vueling wenig aus ihren Verbindung zu den Konzernschwestern BA oder Iberia und zur Flugallianz Oneworld mit American Airlines.
Ausblick: Wenn Vueling endlich spürbar stärker wächst, größere Teile des Europaverkehrs innerhalb des IAG-Konzerns übernimmt und mit neuen Serviceideen wie einem Umsteigeverkehr in Barcelona endlich mehr Kunden vor allem außerhalb der Mittelmeeranrainer-Staaten gewinnt, sind die Chancen gut.
Transavia und Air Berlin
7. Transavia – Die Nachzügler
Stärke: Der Low-Cost-Ableger von Air France-KLM hat eine längere Billigtradition als Lufthansas Eurowings oder BAs Vueling. Denn bereits vor der Low-Cost-Zeit war die Linie im extrem umkämpften Charterverkehr aktiv. Die Führungsmannschaft versteht das Geschäft. Dazu traut sich die Linie in hochpreisige Flughäfen wie München.
Schwäche: Die Linie ging erst relativ spät in Richtung Billigflug und hat mit Air France-KLM die finanziell schwächste Muttergesellschaft. Sie hat eine relativ alte Flotte und ist innerhalb des Konzerns extrem umstritten. Dazu sind die Wachstumspläne derzeit noch zu vorsichtig, um die Linie bald in ganz Europa auf eine kritische Größe zu bringen.
Ausblick: Soll sich die Linie wirklich als europaweiter Billigflieger etablieren, braucht Transavia noch mehr Geld und neue Flugzeuge als Eurowings und Vueling. Doch angesichts der Krise bei Air France und der starken Stellung von Easyjet sowohl in den Niederlanden als auch in Frankreich selbst, bleiben auch dann die Aussichten eher düster.
8. Air Berlin – Die Abhängigen
Stärke: Schon vor den Streiks und Servicepannen waren die Berliner in Deutschland beliebter als Lufthansa. Die Linie hat reichlich gute Startzeiten an den für andere fast verschlossenen Flughäfen – etwa in Düsseldorf, Berlin-Tegel oder München. Dazu hat die Linie starke Partner wie den Oneworld-Verbund um British Airways oder die Beteiligungen der Mutter Etihad.
Schwäche: Die Berliner haben die wohl schwächsten Finanzen der Branche und leben vom Geld ihrer Mutter Etihad. Das letztere zahlt, ist auch angemessen. Die Linie aus Abu Dhabi hat zwar mit Stephan Pichler nach vielen Zauderern einen zupackenden Chef geholt. Doch dann ließ sie ihn seinen Sanierungsplan nicht umsetzen – aus Angst um das Premiumimage.
Ausblick: Wie es mit Air Berlin weiter geht, ist völlig offen. Die Schulden wachsen und es bleibt unklar, ob die Linie mehr im profitablen Urlauberverkehr wächst oder doch mehr beim weitgehend unprofitablen Zubringerverkehr in die Drehkreuze Düsseldorf und Berlin. Doch so lange Air Berlin dank der Überweisungen vom Golf die Rechnungen zahlt kann, fliegt sie weiter.
Das Air-Berlin-Problem in Zahlen
...netto hat Air Berlin im ersten Halbjahr operativ verloren.
...hat Air Berlin in den ersten 6 Monaten 2015 umgesetzt.
...Schulden aus Leasingverträgen hatte Air Berlin Ende 2014.
...Schulden hat Air Berlin netto.
...liegt das Eigenkapital im Minus, wenn man einen gut 300 Millionen Euro schweren Kredit von Etihad nicht als Eigenkapital einrechnet. Offiziell übersteigen die Schulden des
Unternehmens das Vermögen um 575 Millionen Euro.