Dass Easyjet anders ist als andere Fluglinien, zeigt sich bereits daran, dass das Geschäftsjahr im Oktober startet. Weil Fluglinien im Winter traditionell weniger verdienen als zur Urlaubs-Hochsaison im Sommer, starten die meisten ihre Bilanzzeit zum Jahreswechsel oder gleich mit der Ferienzeit im April. Nur Easyjet-Chefs wie derzeit Carolyn McCall tun sich die alljährliche Litanei an, in ihren ersten Bilanzen einen Verlust präsentieren zu müssen und das Versprechen, es werde später im Jahr ja besser. „Wenn wir erst mal rote Zahlen schreiben, motiviert das die Belegschaft einfach zu höheren Anstrengungen, als wenn das Jahr praktisch nach sechs Monaten finanziell schon gerettet ist“, erklärte McCalls Vorgänger Andy Harrison mal.
Analysten empfehlen Aktienkauf
So hat also Europas umsatzstärkster Billigflieger auch heute wieder erstmal einen deutlichen Halbjahresverlust von gut drei Prozent des Umsatzes verbucht und meldete sogar eine sinkende Eigenkapitalrendite. Doch trotzdem empfehlen die Analysten die Aktie zum Kauf – und sei es auch nur weil die Eigenkapitalrendite eine Größe ist, die für Investoren und Manager in der Flugbranche angesichts der schwachen Ergebnisse ohnehin etwas zwischen Exotik und Neuland ist.
Denn wichtiger sind die besseren Aussichten und der Umsatzzuwachs um sechs Prozent. Das ist für Easyjet bemerkenswert, weil der Großaktionär Stelios Haji-Ioannou traditionell gegen mehr Umsatz und für mehr Gewinn kämpft, was die Linie viele Wachstumsmöglichkeiten kostete. Und auch hinter der gesunkenen Eigenkapitalrendite steckt eine letztlich positive Nachricht. Denn nicht zuletzt um Stelios - wie ihn die Branche nennt – zufriedenzustellen, zahlte Easyjet jüngst eine Dividende sowie eine Sonderdividende. Und trotzdem ist das Unternehmen nicht nur schuldenfrei, sondern listet umgerechnet sogar gut eine halbe Milliarde Euro Nettovermögen.
Gezielt Lücken füllen
Das rührt daher, dass Easyjet das Geschäft anders angeht als andere. Die Linie wächst nicht einfach wie es etwa Air Berlin jahrelang tat. Die Briten füllen gezielt Lücken, die andere wie Alitalia oder Iberia lassen und sichert die von ihr beflogenen Routen durch gezieltes Wachstum ab. Darum legte Easyjet insgesamt doppelt so stark zu wie der Flugmarkt Europa. Dabei fokussiert sich die Linie weniger als andere auf unsichere neue Märkte, sondern stärkt ihre bereits beflogenen Strecken. Hier wuchs sie sogar sechs Mal so stark wie ihre parallel fliegenden Wettbewerber und macht es denen damit schwerer anzugreifen. Das gilt auch für Deutschland, wo die Linie gerade in Hamburg eine zweite Basis eröffnet hat und Berlin, wo Easyjet die sehr lukrative Route nach Tel Aviv ins Programm genommen hat.
Dazu verbessert das Management um McCall rigoros das Geschäft. Wo andere für bessere Erträge ein großes Umbauprogramm brauchen, schleift Easyjet wie die meisten anderen Billigflieger die Kosten lieber stetig in vielen kleinen Schritten und drückte so die Ausgaben im vergangenen Halbjahr um fast 20 Millionen Pfund.
Das klingt bescheiden, aber auf ähnliche Zahlen kommt die Linie eben fast jedes Halbjahr. Denn sie schließt schnell unprofitable Strecken, packt durch geschicktes Preismanagement ihre Flieger voller als andere und drückt die Flugzeugkosten weil die Maschinen pro Tag im Schnitt mehr fliegen und kürzer am Boden stehen.
Zielgruppe Geschäftsreisende
Gleichzeitig steigert die Linie ihre Einnahmen durch das Holidays-Geschäft mit Pauschalurlaubern. Dazu wirbt Easyjet erfolgreich um anspruchsvolle Urlaube sowie Geschäftsreisende, die als Last-Minute-Bucher im Schnitt gut das Doppelte eines Touristen zahlen. So blieb am Ende bei jedem der gut 31 Millionen Passagiere in der Zeit zwischen Oktober und März trotz steigender Betriebskosten am Ende gut 30 Cent weniger Verlust in der Kasse als im Vorjahreszeitraum.
Ob das so bleibt, ist allerdings keineswegs gewiss. Das liegt nicht nur daran, dass die Konjunktur in Europa schwach bleibt, so dass am Ende viele Bürger im Zweifel auf ihre Reisen verzichten. Ebenso wichtig ist die wachsende Konkurrenz.
Nach ihrer Sanierung greifen die etablierten Flugkonzerne wie Lufthansa oder British Airways mit ihrer Tochter Iberia an, was jüngst sogar das Wachstumswunder Emirates aus Dubai erstaunt feststellte. „Easyjet fliegt natürlich immer noch mit deutlich niedrigeren Kosten als etwa Lufthansa nach der Umstellung auf die Billigtochter Germanwings“, sagt einer, der es wissen muss. „Doch wenn der Abstand schrumpft, kann Easyjet am Ende die Preise weniger erhöhen als früher, weil sie wegen einfacheren Service einen Abstand halten muss.“
Große Konkurrenz unter den Billigfliegern
Auch der Wettbewerb durch andere Billigflieger wird härter. Die verbliebenen Anbieter wie Norwegian oder Vueling punkten aus Sicht von Easyjet von oben mit teilweise besserem Service. Dagegen drückt Ryanair von unten. Der irische Geizflieger landet künftig neben seinen Provinzairports vermehrt auf den größeren von Easyjet angeflogenen Airports und kann dabei nach eigenen Angaben seine niedrigeren Kosten von den Kleinflughäfen mit ihren Subventionen auf größere Airports hinüberretten.
Schließlich dürften auch die Flugzeugkosten steigen. Derzeit lebt Easyjet auch davon, dass sie in der Krise nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 und der Lungenseuche Sars vor gut zehn Jahren die Flieger dem Vernehmen nach quasi zum halben Preis kaufen konnte. Auf derzeit 266 neu bestellten Flieger hat Airbus angesichts der weltweit starken Nachfrage Easyjet deutlich weniger Rabatt gegeben.
So sehr McCall auch ihre Ertragskraft lobt: erste Spuren hat der Wettbewerb bereits hinterlassen. Die Personalkosten sind ebenso gestiegen wie die Ausgaben für Flughäfen. Dazu hatte die Linie wie alle in der Branche Glück, dass der Winter in weiten Teilen Europas milde war. So fielen weniger Ausgaben an für Ausgleichzahlungen für ausgefallene Flüge und um die Verbliebenen winterfest zu machen.
Immer neue Ideen
Dagegen setzt die Linie vor allem noch mehr Innovationen. So gehen nicht nur die Sparanstrengungen weiter. Die Linie setzt auch weiter neue Ideen, etwa indem sie einen Teil der Wartung mit Hilfe kleiner automatischer Flugdrohen erledigt, statt Mechaniker umständlich auf teure hohe Gerüste zu schicken.
Bei allem Drang zum Neuen meidet Easyjet hohe Risiken. Sie verzichtet im Gegensatz zu Norwegian darauf, zu viele Jobs an Fremdfirmen zu geben oder in nahegelegene Länder Osteuropas zu verlagern. Das mindert das Risiko von Streiks wie sie Norwegian derzeit drohen.
Darum sind Analysten wie Neil Glynn überzeugt, dass Easyjet seine Stärke behält und vielleicht mit einer Umsatzrendite von zwölf Prozent sogar an den bisherigen Profitmeister Ryanair herankommt. „Die sollte profitieren können von ihren attraktiven Wachstumsmöglichkeiten und ihrer Fähigkeit höhere Preise zu kassieren.“