Dafür sorgt zum einen die wachsende Überkapazität am Himmel. Europas große Billigflieger Ryanair, Easyjet, Wizzair sowie die Billigtöchter etablierter Linien wie Lufthansas Eurowings oder Vueling aus der IAG genannten Mutter von British Airways bekommen jedes Jahr bis zu 200 neue Jets geliefert und wollen in diesem Jahr beim Umsatz um bis zu 25 Prozent zulegen.
Treiber sind dabei auch die etablierten Linien. Jahrelang hielten sie sich zurück, weil sie mit ihren hohen Kosten im Wettbewerb mit den Billiglinien nicht bestehen konnten. Um einen Passagier einen Kilometer weit zu fliegen, zahlt der ungarische Ultra-Billigflieger Wizz Air mit 3,8 Cent nur 40 Prozent dessen, was Air France ausgibt.
Doch stürzen sich Lufthansa und Co in den Wettbewerb. Sie haben bei ihren Töchtern wie Eurowings und auch bei der Mutter die Kosten gesenkt. "Der Abstand ist zwar noch da, aber er ist deutlich geringer ", so René Steinhaus, Flugspezialist der Beratung A.T. Kearney.
Kampf der Billigflieger
Passagierzahlen (in Millionen) im Vergleich zum Vorjahr. Werte gerundet.
Quelle: Unternehmen
Passagierzahlen (in Mio.): 91
Vergleich zum Vorjahr: +11%
Stand: 31.03.2015
Passagierzahlen (in Mio.): 65
Vergleich zum Vorjahr: +7%
Stand: 2014
Passagierzahlen (in Mio.): 22
Vergleich zum Vorjahr: +16%
Stand: 2014
Mit diesem Rückenwind wollen die Konzerne nun verlorenes Terrain zurückgewinnen. Sowohl Eurowings als auch Vueling und Air France mit Transavia haben für sich das Ziel verkündet, die drittgrößte Billiglinie Europas zu werden. Dazu beanspruchen auch Norwegian und Wizz Air den Platz auf dem Treppchen hinter Ryanair und Easyjet. „Das kann bestenfalls einer der drei gelingen“, so Berater Steinhaus.
In einem gesunden Wettbewerb würden sich solche Probleme mehr oder weniger von allein lösen. Anders in der Fliegerei, wo Airlines wie Alitalia oder Air Berlin auch nach mehreren Jahren der Verluste weiter fliegen. Grund ist hier die staatliche Etihad aus Abu Dhabi, die weit mehr als 1,5 Milliarden Euro an Krediten und anderen mehr oder weniger direkten Investitionen in ihre europäischen Töchter wie gesteckt hat.
„Selbst wenn eine Airline schließen muss, verschwindet sie oft nicht vollständig“, sagt Berater Steinhaus. Als etwa im vergangenen Herbst die staatliche Estonian Air am Boden blieb, legte Estland kurzerhand eine neue nationale Linie auf, die inzwischen als Nordica firmiert. Sogar wenn eine Airline wie die ungarische Malev mal ganz aufhört, bleibt ein Rest. Denn ihre Jets fliegen weiter. Weil die Leasingfirmen sie zu günstigen Konditionen anderen Linien anbieten, sorgen die Maschinen dann weiter für ein Überangebot.
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Kern des Erfolgs sind die guten Preise. Möglich werden sie durch die im Vergleich zu europäischen Linien bis zu 30 Prozent niedrigeren Ausgaben. Dafür sorgt die Flotte, die dank Großbesteller-Rabatten und moderner Technik im Schnitt gut ein Zehntel günstiger fliegt als die Maschinen der Konkurrenz aus Übersee. Zweites Plus sind die Flughäfen der Golfstaaten. Großzügig gebaut und ohne Einschränkungen beim Nachtflug erlauben sie eine optimale Flugplanung ohne die überflüssigen Ruhezeiten für die teuren Maschinen. Und weil die Airports meist die gleichen Aufsichtsratschefs haben wie die Fluglinien, fördern sie die durch niedrige Gebühren, die nur rund ein Zehntel der in Europa fälligen Abgaben betragen.
Die unternehmensfreundliche Gesetzgebung sorgt für weitere Einsparungen. Dinge wie Steuern und Sozialabgaben sind ebenso unbekannt wie Sozialstandard oder Kündigungsschutz. Das spiegelt sich auch in der Unternehmenskultur wieder. Weil die Gehälter ohne die Abgaben relativ hoch sind und der Job viele Freiräume bietet, ziehen die Golflinien überdurchschnittlich viele hochmotivierte Mitarbeiter an. „Wir haben das Gefühl, die Vorgaben zu erreichen und wahrscheinlich sogar übertreffen können", so ein hochrangiger Mitarbeiter bei Emirates.
Die Flughäfen am Golf liegen verkehrsgünstig. Mit Ausnahme von Chile und Süd-Argentinien sind mit modernen Flugzeugen fast alle Orte der Welt erreichbar und bei den besonders stark beflogenen Routen von Europa nach Südostasien liegen die Golfstaaten quasi auf dem Weg.
Die Golflinien setzen auf Kundendienst. Während die Linien aus Europa und den USA bei Neuerungen wie modernen Flugzeugen, bequemen Sitzen, Betten in der Business Class oder einem persönlichen Unterhaltungsbildschirm in der Economy lange zu teuer waren und sie ihre Kunden bei jeder Gelegenheit mit Zuschlägen belasteten, setzen die Golfinien auf „alles inklusive.“
Fast ebenso viel wie in neue Technik stecken die Linien ins Marketing. Lufthansa etwa investiert eher zurückhaltend in Sportförderung oder aber in ungewöhnliche Dinge wie Events klassischer Musik. Besonders letztere sorgen – bei allem künstlerischen Wert – besonders bei jüngeren Reisenden außerhalb Europas für weniger Bekanntheit als die von den Golflinien bevorzugten Massensportarten wie Fußball oder Formel 1.
Die Grundidee für das Modell borgte sich das Emirates-Gründungsteam um Clark am Ende von Singapore Airlines. Die Linie des südostasiatischen Inselstaats zeigte als erste, wie ein Verbund aus einem Langstreckendrehkreuz, einem kundenfreundlichen Flughafen und der Rückendeckung der lokalen Regierung eine Weltmacht im Fliegen schafft – und daraus dann ein weltweit wichtiges Wirtschaftszentrum erwächst. Ein System, das nach den Golflinien im übrigen auch Island aufgenommen hat, mit Reykjavik als Minidrehkreuz zwischen Europa und Nordamerika.
Zu guter Letzt verhindert das billige Öl eine Auslese. Dadurch sinken zwar die Betriebskosten für alle. „Der billige Sprit hilft vor allem Altlast-Airlines wie Air France-KLM“, klagt Easyjet-Chefin McCall. „Die können mit ihren alten, ineffizienten Jets viele Strecken anbieten, die sie bei höheren Kerosinpreisen einstellen müssten.“ Die gesunden Gesellschaften wie Ryanair und Norwegian haben zwar einen niedrigeren Verbrauch. Doch gerade weil Easyjet & Co ihre Jets meist in Zeiten höherer Zinsen finanziert haben, sind die neuen Maschinen so teuer in der Finanzierung, dass sie unterm Strich oft teurer fliegen als die alten, bereits abgeschriebenen Flotten der etablierten Linien.
Das setzt am Ende sogar die lange unantastbaren Marktführer unter Druck. „Wer sich nicht ständig anpasst, bekommt Probleme“, gibt O’Leary zu – sieht aber die Probleme bei den anderen. Doch wie gut sind die Karten der großen Billigflieger wirklich?