Blamage für Bahnindustrie Französische Züge sind zu dick für die Gleise

Weil die Staatsbahn SNCF zu breite Züge bestellt, müssen Bahnsteige in Frankreich umgebaut werden. Die Aktion kostet Millionen – und erreicht den Europawahlkampf.

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Die neuen SNCF-Züge passen nicht in die französischen Bahnhöfe. Quelle: REUTERS

Pünktlich zur Europawahl hat Frankreich seinen Skandal. Die französische Staatsbahn SNCF hat bei den Herstellern Alstom und Bombardier Züge für den Regionalverkehr bestellt. Sie sollen ab 2016 die Flotte im Nahverkehr verstärken. Dumm nur, dass die Züge breiter sind als üblich und für einige Bahnhöfe in Frankreich zu breit. Der Schienennetzbetreiber RFF wird deshalb zu einem Umbau der Bahnsteige gezwungen. Insgesamt müssen 1300 Stationen angepasst werden, etwa 15 Prozent aller Bahnhöfe. Die Umrüstung kostet rund 50 Millionen Euro.

Die Politik reagiert genervt. Energie- und Umweltministerin Segolene Royal, die in Paris auch die Verkehrspolitik verantwortet, nannte die Situation „peinlich“ und „dumm“. Marine Le Pen, die Vorsitzende der rechtslastigen Front National, kritisierte die Bestellung als „inakzeptable Verschwendung von Steuergeldern“.

SNCF hingegen versucht, das Thema klein zu reden. Die Kosten für den Umbau würde nur 1,5 Prozent der Zug-Order in Höhe von drei Milliarden Euro ausmachen. Ohnehin seien auch schon 2003 und 2005 Bahnsteige umgerüstet worden, um sie an neue Züge anzupassen. Die Bahnsteige seien teilweise 150 Jahre alt, daher sei es üblich, „dass die Infrastruktur angepasst werden müsste“. Die Ticketpreise „werden nicht steigen“.

Auch der Schienennetzbetreiber RFF findet alles ganz in Ordnung: “Die Ausgaben sind nützlich und notwendig, es sei denn wir wünschten uns kleinere und weniger komfortable Züge“, sagte RFF-Präsident Jacques Rapoport dem Radiosender Europe1.

Das Beispiel aus Frankreich zeigt dennoch, wie unsauber Eisenbahnbetreiber und Zughersteller teilweise arbeiten. Auch in Deutschland blamierte sich Siemens jüngst beim Bau neuer Züge. Die ICE hätten die Deutsche Bahn bereits Ende 2011 erreichen sollen, aber sie kamen erst zwei Jahre später. Zudem fehlt den Zügen noch immer eine Zulassung für den belgischen und französischen Markt. So hatte es die Deutsche Bahn bestellt.

Auch Bombardier musste peinliche Fehler beim Bau der Nahverkehrszüge „Talent 2“ einräumen. Wegen Softwareproblemen bremsten die Züge unscharf. Das Eisenbahnbundesamt verweigerte viele Monate die Zulassung. Teilweise standen mehr als 100 Züge auf dem Gleis und warteten auf die Auslieferung an die Deutsche Bahn – zum Teil setzte an den Rädern Rost an.

Der französischen Staatsbahn kommt ihr Fehler dabei offenbar gar nicht so ungelegen. Seit 1997 ist der Zugbetrieb vom Schienennetz getrennt – anders als in Deutschland, wo die Deutsche Bahn Personen- und Güterverkehr sowie die Infrastruktur gemeinsam betreibt. SNCF will ebenfalls zum deutschen Modell zurückkehren. Im kommenden Monat steht dazu ein entsprechender Gesetzesentwurf im französischen Parlament an.

Doch wer glaubt, damit seien peinliche Fehler auf alle Zeit verbannt, dem sei an letztes Jahr erinnert. In Mainz ging wochenlang nichts mehr, weil die Deutsche Bahn vergessen hatte, zusätzliche Mitarbeiter für die Stellwerke einzustellen. Auf personelle Engpässe wurde im Konzern schon frühzeitig aufmerksam gemacht. Auch die Müngstener Brücke ist ein schönes Beispiel, dass ein integrierter Konzern nicht vor Blamagen schützt. Die Brücke im Bergischen Land in Nordrhein-Westfalen wurde 2011 saniert. Bei ihren Statikberechnungen hatte die Bahn aber eine Kleinigkeit übersehen: dass auch Menschen in den Zügen sitzen. Die Brücke musste nachgerüstet werden.

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