Börsengang von Takeaway.com "Wir wollen in drei Jahren profitabel sein"

Takeaway.com, die Muttergesellschaft des Essens-Bestelldienstes Lieferando, hat den Sprung an die Amsterdamer Börse geschafft. Jörg Gerbig, Lieferando-Gründer und Takeaway-COO spricht über Expansionspläne.

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Jörg Gerbig Quelle: PR

Herr Gerbig, 350 Millionen Euro sollte der Gang aufs Parkett einspielen, der Lieferando-Eigner Takeaway.com sollte mit einer Milliarde bewertet werden. Letztlich haben Sie 328 Millionen Euro eingenommen. Sind Sie enttäuscht?
Jörg Gerbig: Wir sind sehr zufrieden mit dem Börsengang. Wir haben heute einen wichtigen Schritt gemacht, um die Firma auf die nächste Wachstumsstufe zu bringen. Uns fließen 175 Millionen Euro zu, davon werden wir etwa 40 Millionen ins operative Geschäft investieren, um das Wachstum in unseren Kernmärkten zu stärken und voranzutreiben und die Gewinnzone zu erreichen – vor allem in Deutschland.  

Sie werden mit knapp einer Milliarde Euro bewertet – bei einem Umsatz von zuletzt 77 Millionen Euro Umsatz eine ziemlich sportliche Bewertung. Sie müssen viel wachsen in einem hartumkämpften Markt. In Deutschland etwa ringen Sie mit der Rocket-Tochter Delivery Hero. Wo sehen Sie noch Wachstumschancen?
Im operativen Geschäft sehen wir große Wachstumschancen – selbst in unserem sehr profitablen Heimatmarkt Holland. Das erkennt man an den Wachstumsraten. In Holland zum Beispiel sind wir in den vergangenen 12 Monaten sehr profitabel um 30 Prozent gewachsen, in Deutschland sogar um 50 Prozent. Wir schätzen den Gesamtmarkt in Holland auf ein Volumen von 1,5 Milliarden Euro. Online-Anbieter wie wir machen dabei derzeit nur rund 25 Prozent davon aus. In Deutschland schätzen wir den Markt auf das dreifache. Dennoch übermitteln wir in Holland immer noch mehr Bestellungen als in Deutschland. In den letzten zwölf Monaten haben nur fünf Prozent der Deutschen bei uns bestellt. Dies wollen wir ändern. Wir wollen die Leute vom Telefon zu uns bewegen, damit sie demnächst ihr Essen über unsere App bestellen. 

Acht Superfoods - und was sie können

Die Wachstumsraten sind teuer erkauft. Lieferando investierte 2015 alleine in Deutschland 37 Millionen Euro  für das Marketing. 
Wir betreiben sehr intensives Onlinemarketing über Google AdWords, fahren TV-Kampagnen und viel Außenwerbung. Unsere Marketing-Ausgaben verwenden wir aber in erster Linie für die Neukunden-Akquise. Wir schauen uns genau an, was wir für die Akquise eines Kunden zahlen und was er uns über die nächsten Jahre hinweg einbringen kann. 

Sie kaufen quasi Kunden ein und Geld bringen sie ein, wenn sie mehrfach bei Ihnen bestellen.
Genau. In Deutschland haben wir uns bewusst entschieden, noch nicht profitabel zu sein. Der Markt hier ist drei Mal so groß wie in Holland, da ist noch viel Potenzial. Wir gewinnen um ein Vielfaches mehr Kunden in Deutschland als in Holland – das hat seinen Preis. Wenn das Verhältnis zwischen Neukunden und Stammkunden in Deutschland irgendwann ähnlich ist wie in Holland, wo wir bereits eine EBITDA Marge von 63 Prozent erzielen, fahren wir auch hier Gewinne ein.  

"Wir investieren sehr viel in Marketing"

In zwei bis drei Jahren wollen Sie in Deutschland profitabel sein. Wann in Ihren anderen neuen Märkten?  
Für die übrigen Märkte machen wir keine Aussagen über zukünftige Profitabilität. Als Gruppe wollen wir ebenfalls in zwei bis drei Jahren profitabel sein. Generell sind unsere Märkte in verschiedenen Stadien, was die Reife des Markts betrifft. Das erkennt man an den Wachstumsraten: In Belgien sind wir weiter fortgeschritten, da konnten wir in den vergangenen 12 Monaten um 30 Prozent wachsen, in Österreich legten wir um 65 Prozent zu und in Polen sogar um 140 Prozent. Daran kann man ablesen, wo das Potenzial am größten ist.  

Die liebsten Fast-Food-Restaurants der Deutschen
Mövenpick Marché
Vapiano Quelle: dpa
Le Buffet (Karstadt) Quelle: PR
Ikea Restaurant Quelle: IKEA / Helmut Stettin
Kentucky Fried Chicken (KFC) Quelle: PR
Pizza Hut Quelle: PR
Subway Quelle: dpa

Das Wachstumspotenzial in Deutschland lockt auch andere Anbieter an. Uber will 2017 hierzulande ein Angebot starten. Haben Sie Angst?
Uber bedient einen anderen Markt als wir. Wir haben zwar das Foodexpress-Geschäft übernommen und decken in neun deutschen Städten die gesamte Lieferkette ab -  wie Uber. So kann man über Lieferando.de beispielsweise bei Vapiano oder Nordsee bestellen. Aber 99,5 Prozent unserer Orders gehen auf den Lieferservicemarkt zurück, ein Markt, der seit Jahrzehnten existiert. Dort ist unsere Herausforderungen, Kunden, die vorher per Telefon bestellt haben, ins Internet zu locken. Es ist sehr schwierig von einem Wettbewerber die Kunden abzuwerben, das ist fast unmöglich. Wenn sie einmal Marktplatzkunde waren, bleiben sie in der Regel treuer Bestandskunde bei diesem Anbieter.  

Wie wollen Sie die Menschen vom Telefon auf ihren Marktplatz locken?
Wir investieren sehr viel in Marketing, aber das ist nur eine Sache. Wir versuchen natürlich auch mit unserem Produkt, unserem Kundenservice und einem großen Restaurantangebot zu überzeugen. Wir decken mittlerweile in Deutschland 39 Prozent der Restaurants ab, insgesamt sind das in Deutschland momentan 10.700 Restaurants auf Lieferando.de. In Holland sind wir bei über 80 Prozent. Wir wollen über das Restaurantangebot, das bessere Produkt und Marketing Kunden überzeugen.  

Der Trend geht in Deutschland immer stärker hin zur gesunden Ernährung. Lieferservices werden primär mit Fast-Food verbunden. 
Wir sind im Endeffekt nur das Spiegelbild von dem, was im Markt angeboten wird. Wir versuchen alle Restaurants auf unserer Plattform zu haben. Wenn die Nachfrage nach gesundem Essen groß genug ist, werden wir mehr Lieferdienste für gesundes Essen listen. Ich wohne beispielsweise in Berlin, dort gibt es bereits ein großes Lieferservice-Angebot für veganes Essen und Salat. 

Ihr Hauptkonkurrent Delivery Hero investiert in Schwellenländer, um zu wachsen. Sie sind in 10 Ländern aktiv. Ist eine weitere Expansion geplant?
Wir haben als Firma immer in erster Linie organisch die Märkte vorangetrieben, in denen wir aktiv sind. Für uns ist es keine Option, in sehr vielen Märkten aktiv zu sein und dort nur halbherzig zu agieren. Unser Fokus liegt hier vor allem auf unseren fünf Kernmärkten, Niederlande, Belgien, Deutschland, Österreich und Polen. In die werden wir weiter investieren. 

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