Booking.com „Künstliche Intelligenz ist kein Allheilmittel“

Die Chefin des weltgrößten Hotelportals, Gillian Tans, will enger mit Facebook kooperieren. Außerdem soll Booking.com künftig fast alle Teile einer Reise anbieten.

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Gillian-Tans Quelle: Presse

Frau Tans, Ihr Unternehmen gehört zu den größten Reiseseiten im Internet. Aber neue Anbieter machen Ihnen die Kundschaft über soziale Netzwerke streitig und bedienen sie dank künstlicher Intelligenz auch noch besser. Macht Ihnen das Angst?

Nein. Aber wir sehen uns das sehr genau an.

Also fühlen Sie sich also doch unter Druck?

Nein, wir verhalten uns nur so. Der größte Fehler im digitalen Geschäft ist, sich nicht so zu verhalten, als wäre man unter Druck. Das gilt besonders, wenn viele Ideen der neuen Wettbewerber richtig sind. Social Media ist gerade bei einem so emotionalen Produkt wie Reisen wichtig. Jeder berichtet gerne über seinen Urlaub oder fragt Freunde nach ihren Erfahrungen.

Zur Person

Warum sind Sie dann weiterhin eher über die Suchmaschine Google und als über soziale Netzwerke wie Facebook sichtbar?

Persönliche Angebote können wir mit Anzeigen bei Google besser platzieren. Wenn sie eine Suchmaschine nutzen, dann haben Kunden klare Vorstellungen und die feste Absicht, eine Reise zu buchen. Soziale Netzwerke hingegen sind besser, wenn Kunden Fragen oder Kritik haben. Oder wenn sie sich inspirieren lassen wollen. Da wollen wir besser werden und arbeiten deshalb mit Facebook zusammen.

Woran denn?

Wie wir Facebook besser nutzen. Für viele Kunden ist das Netzwerk zwar Alltag, wir aber stehen wie alle Unternehmen im Umgang mit Social Media noch am Anfang. Wir arbeiten hart daran, diese Kanäle genauso ausgefeilt zu nutzen wie heute Google.

Könnte Facebook für Sie Google ersetzen?

Ergänzen ja, ersetzen nicht. In einem Markt, der sich so schnell wandelt wie der digitale Teil des Reisegeschäfts, ist es gut mehr als nur einen Kanal wie Google haben.

Haben Sie künstliche Intelligenz, Spracherkennung oder Chat-Bots im Einsatz?

Wir testen im Moment Chatbots in unserem Booking.com-Messenger. Und wir erkunden aktiv die verschiedenen Anwendungen von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen, um das Kundenerlebnis auf unserer Website und in mobilen Apps zu verbessern.

Schneller schlau: So lernen Maschinen das Denken

Dabei sind Sie doch ein Unternehmen, das mit dem Internet und neuen Technologien groß geworden ist.

Wir schauen nicht auf die Technik und überlegen, wie wir sie nutzen. Als ein Unternehmen, das sich an seinen Kunden orientiert, denken wir anders herum: Mit welcher Technik erfüllen wir die Bedürfnisse der Menschen, und zwar noch bevor sie ihnen bewusst sind? Noch sind da andere Dinge wie etwa Big Data im Moment auch wichtig sind.

Kann sie künstliche Intelligenz ersetzen?

Nein. Aber für uns ist künstliche Intelligenz kein Allheilmittel. Im Gegensatz zu anderen. Die Technologie mag in zehn Jahren die beste sein. Doch was wir heute nutzen, muss heute unsere Kunden überzeugen und nicht uns als technikbegeisterte Manager. Die Erfahrung lehrt: Vorsicht bei Trends. Was heute als der beste Weg erscheint, kann sich bald als teurer Irrweg erweisen.

"Wir sind besser"

Wirken deshalb Ihre Ergebnislisten nach einer Hotelsuche noch so grob? Sie haben pro Hotel meist nur ein, zwei Angebote, wogegen die Webseiten der Hotels auch Pakete mit Frühstück und Wellness oder billigere, aber nicht umtauschbare Tarife haben. Warum bieten Sie die nicht?

Wir arbeiten ständig mit unseren Partnern daran, die besten verfügbaren Preise und Pakete anbieten zu können. Die meisten unserer Kunden wollen günstige Preise und deshalb ermutigen wir Hotels dazu diese auf unserer Website anzubieten, darunter sowohl kostenfreie Stornierungen als auch nicht-rückerstattbare Tarife

Sie wollen vermehrt Ferienwohnungen anbieten. Wie wollen Sie sich dort gegen etablierte Anbieter wie AirB’n’B durchsetzen?

Das ist uns längst gelungen. Die Unterschiede zwischen Privatwohnungen mit Service und Boutique-Hotels mit nur ein paar Zimmern waren schon immer fließend. Dazu funktioniert die Vermittlung von Ferienhäusern genau wie bei den Hotels: Wir sind besser, haben mehr Auswahl zu niedrigeren Preisen. Und wir arbeiten profitabler.

Ein türkisches Gericht hat dem Hotelbuchungsportal Booking.com untersagt Buchungen zu vermitteln, angeblich wegen „unfairen Wettbewerbs“. Jetzt kündigte das Unternehmen Widerspruch an.

Das sagen alle.

Profitabel arbeiten? Auch AirB’nB? (Schau zweifelnd), wenn Sie das glauben. Wir haben dank unseres Hotelgeschäfts die meisten Kunden und mehr als eine halbe Million Häuser und Wohnungen im Angebot – mehr als fast jeder andere. Darum können wir die Immobilien unserer Seite nach ihren Eigenschaften in 30 Typen einordnen. So finden die Kunden schneller, was sie suchen.

Ist da noch etwas zu holen, wenn Städte wie Barcelona, um den Ansturm der Touristen abzuwehren, die Auflagen für Vermieter verschärfen?

Wir helfen den Städten, die Belastung zu mindern, indem wir eben nicht zu Lasten der Bevölkerung wachsen und neben Wohnungen auch die Hotels füllen.

Die Entwicklungsstufen Künstlicher Intelligenz

Wollen Sie auch noch andere Bausteine für den Urlaub wie Flüge anbieten?

Damit haben wir angefangen. Wir kooperieren mit unseren Schwestergesellschaften, etwa bei Flügen mit Kayak, bei Mietwagen mit Rentalcars.com und für Restaurantreservierungen mit Open Table. Und wir arbeiten an Diensten, die Kunden bei der Anreise helfen oder Vorschläge machen, was sie vor Ort unternehmen können.

Klingt, als wollte Ihr Mutterkonzern The Priceline Group ein Reiseveranstalter wie Tui werden.

Das würde nicht so recht zu unserem Geschäft passen.

Nur wer die richtigen Reiseportale benutzt, findet die besten Angebote und kann Geld sparen. Die WirtschaftsWoche hat deshalb elf Anbieter auf Herz und Nieren geprüft und die besten Reiseportale gekürt.
von Andreas Toller

Weil Sie dann auch wie Tui das Risiko tragen müssten, wenn nach einem verspäteten Flug Übernachtungen oder Mietwagen-Buchungen verfallen?

Nein. Das könnten wir sicher schaffen, wenn unsere Kunden das wollen. Doch ich glaube, die wenigsten wollen ein festes Reisepaket. Wir beobachten seit gut einem Jahr, dass immer mehr Urlauber etwa in Thailand bei uns nur die erste Übernachtung buchen bevor sie verreisen. Und danach lassen sie sich bei weiteren Übernachtungen und dem Programm von unseren Vorschlägen leiten. Ich glaube, so machen künftig immer mehr Menschen Urlaub.

Damit könnten Sie auch Google in die Quere kommen. Haben Sie keine Angst, dass der Konzern sie aus dem digitalen Reisegeschäft drängt?

Nein. Google hat mehrere Schritte in Richtung Reisegeschäft gemacht und sich dann selbst gebremst. Wir dürfen das Unternehmen nicht aus den Augen verlieren. aber dank unseres Werbebudgets sind wir für Google ein wichtiger Partner. Es dürfte eine Weile dauern, bis sich für Google ein eigenes Reisegeschäft mehr lohnt als die Zusammenarbeit mit uns.

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