BrandIndex

Warum Tchibo in den Themenwelten gefangen ist

Holger Geißler
Holger Geißler Psychologe, Werbepsychologe

Der Kaffee- und Einzelhändler Tchibo gehört zu den größten Handelsketten Deutschlands. Die Begeisterung der Verbraucher für Tchibo sinkt allerdings seit zwei Jahren. Eine Kolumne.

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Tchibo Quelle: dpa

Der Spargelkochtopf im April, die Thermo-Socken im Herbst und einen Monat vor Weihnachten Dessous und Schmuck für die Frauen: Das Geschäft mit den Themenwelten machte Tchibo zu dem Unternehmen, dass es alleine durch den Verkauf von Kaffee wohl nie geworden wäre. Doch der Markt scheint zunehmend schwieriger für die Kaffeeröster zu werden: Im ersten Geschäftsbericht des Jahres 2014 begründete Tchibo die nicht ganz nach Wunsch verlaufende Umsatzentwicklung mit dem „zunehmenden Wettbewerb im Non-Food-Markt“. Auch Aldi und Lidl bieten seit längerem Themenwelten. Und auch der YouGov-Markenmonitor BrandIndex zeigt, dass die Tendenz für Tchibo derzeit eher ein negatives Vorzeichen hat – wobei die Marke insgesamt immer noch sehr solide dasteht.

So geben zurzeit 36 Prozent aller derjenigen, die die Marke Tchibo kennen, an, sie würden Tchibo beim nächsten Einkauf in Betracht ziehen. Das ist kein schlechter Wert – allerdings war er vor zwei Jahren um fünf Prozentpunkte höher. Dass dies kein genereller Trend im stationären Einzelhandel ist, zeigen zum Beispiel Marken wie dm, Media-Markt und Saturn, aber eben auch die Discounter Lidl und Aldi. Sie haben seitdem dazu gewonnen oder konnten ihre Werte zumindest auf nahezu identischem Level halten.

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

Mögliche Gründe für diese Entwicklung liefert der BrandIndex ebenfalls: Die Kenner von Tchibo nehmen heute vor allem die Qualität der Marke als schlechter wahr als noch vor zwei Jahren. Der entsprechende Wert ist in dieser Zeit um sechs Punkte gefallen (auf einer Skala von -100 bis +100 Punkte). Die gesunkene Qualitätswahrnehmung könnte dazu beigetragen haben, dass Verbraucher den Einzelhändler heute jedenfalls seltener weiterempfehlen als noch vor zwei Jahren.

Tchibo bei den Älteren am beliebtesten

Das beste Image hat Tchibo bei denen, die 51 Jahre und älter sind, dann folgen die 31- bis 50-Jährigen, am wenigsten beliebt ist die Marke bei den Unter-30-Jährigen. Das hat sich in den vergangenen zwei Jahren nicht verändert. Allerdings ist in allen Altersgruppen der Index-Wert, der mehrere Kategorien wie Allgemeiner Eindruck und Preis-Leistungs-Verhältnis zusammenfasst, gleichermaßen gesunken. Ähnlich zeigt sich die Entwicklung bei der Frage, welche Marke bei einem anstehenden Einkauf in die engere Wahl gezogen wird: Verbraucher aller Altersklassen nennen Tchibo heute seltener als noch vor zwei Jahren. Die Kunden verlieren tendenziell ihr Interesse am Kaffeehändler, der seit vielen Jahren mit interessanten und stets wechselnden Produkten punkten konnte. Irgendwann hat eben jeder den Spargelkochtopf in seinem Schrank stehen. Und auch der Trend zur Individualisierung von Produkten spricht zurzeit gegen Tchibo: Statt dem TCM-Einheitslook suchen Konsumenten mittlerweile individuellere Produkte. Besonders stark fällt der Rückgang in der wichtigen Zielgruppe der 51 und älteren aus.

Kaffee verdreht unseren Tagesrhythmus
Allein der Duft eines frischgebrühten Kaffees am Morgen versetzt den Körper automatisch in den Wach-Zustand. Die muntermachende Wirkung des Koffeins beruht darauf, dass es an speziellen Rezeptoren der Nervenzellen andockt. Dadurch ist der Zugang für den hemmenden Botenstoff Adenosin blockiert, der normalerweise für Beruhigung und Dämpfung sorgen würde. Das berichten Forscher im Fachmagazin "Science Translational Medicine". Quelle: scinexx.de Quelle: dpa
Die Frage: Kann Kaffee wirklich den individuellen Tag-Nacht-Rhythmus verändern? Das wollten Tina Burke und ihre Kolleginnen von der University of Colorado in Boulder wissen. Dazu haben sie fünf Probanden in ein Schlaflabor geschickt. Die Teilnehmer hatten zuvor zwei Wochen lang auf Koffein verzichtet und einen möglichst regelmäßigen Tagesablauf eingehalten. Quelle: dpa
Der Versuch: Drei Stunden vor ihrer üblichen Schlafzeit sollten die Teilnehmer vier Kapseln zu sich nehmen, von denen einige nur aus Reismehl bestanden. Die übrigen Kapsel enthielten so viel Koffein, was der Menge einer Tasse Kaffee entspricht. Anschließend wurden verschiedene Versuchsdurchgänge gestartet: Einerseits sollten die Probanden den Rest der Zeit bis zum Schlafengehen still im schummrigem Dämmerlicht verbringen, andererseits waren sie sehr hellem Licht ausgesetzt. Alle 30 bis 60 Minuten entnahm ein Assistent eine Speichelprobe, aus der später der Gehalt des Schlafhormons Melatonins ermittelt wurde. Quelle: dpa
Das Ergebnis: Die Versuchsteilnehmer, die im Dämmerlicht Koffein zu sich genommen hatten, blieben im Durchschnitt 40 Minuten länger wach als die Placebo-Empfänger unter gleichen Lichtverhältnissen. Am nächsten Morgen wachten diese Teilnehmer auch entsprechend später auf. Ihr geregelter Tag-Nacht-Rhythmus hatte sich also verschoben ... Quelle: dpa
Die Schlussfolgerungen: ... Dieser Effekt könnte auf die Wirkung des Koffeins schließen lassen – doch die Speichelproben bewiesen etwas anderes: Bei der Koffeingruppe stieg auch der Melatoninspiegel deutlich später an als bei der Placebogruppe. Es gibt einen anderen Zusammenhang: Die Teilnehmer bei den Durchgängen mit hellem Licht gingen ebenfalls später ins Bett und schliefen dementsprechend länger. Aber auch dort bemerkten die Forscher einen Unterschied zwischen der Placebo- und der Koffeingruppe. Denn ohne Koffein verschob sich der Rhythmus um 85 Minuten, mit dagegen um 105 Minuten. Quelle: dpa
Die Wirkung: Koffein bewirkt also mehr als reine Stimulation – da sind sich die US-Forscher einig. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass es unerwartet tief in die Regulation unseres biologischen Rhythmus eingreift. Denn die innere Uhr regelt nicht nur, wann der Mensch müde wird und schlafen möchte, sondern hat auch Einfluss auf den Stoffwechsel. Quelle: dpa
Die Behandlungsmöglichkeiten: Mit dem Wissen um den verzögernden Effekt des Koffeins ist es leichter, Schlafstörungen sowie einen unregelmäßigen Tag-Nacht-Rhythmus gezielter zu behandeln, so die Forscher. Außerdem wird somit klar, warum die Menschen, die spät zu Bett gehen, meist sehr viel Kaffee trinken: Denn das Koffein führt möglicherweise dazu, den ohnehin schon nach hinten verschobenen Tagesrhythmus noch weiter zu verschieben. Quelle: dpa

Der Online-Shop tchibo.de versucht den Erfolg der Themenwelten aus den Tchibo-Filialen ins Internet zu adaptieren. Die Themenwelten gibt es dort auch – ergänzt allerdings mit dauerhaften Angeboten aus Kategorien wie Mode, Technik, Möbel, Sport, Freizeit, Garten und Haushalt. Dass Tchibo online aktiv sein muss, liegt auf der Hand. Doch im Online-Geschäft ist die Konkurrenz besonders groß. Tchibo steht im Wettbewerb zu dutzenden Allround-Shops (Amazon, Otto) und noch mehr spezialisierten (Media-Markt, notebooksbilliger.de, Zalando). Dass besonders online Tchibo das Alleinstellungsmerkmal fehlt, könnte mit eine Erklärung dafür sein, dass die Marke bei den Jüngeren zehn Index-Punkte weniger beliebt ist als bei den älteren Verbrauchern.

Gefühl für das Besondere abhandengekommen?

Geringere Qualitätswahrnehmung, gesunkene Bereitschaft die Marke weiterzuempfehlen, weniger Verbraucher, die Tchibo in die engere Wahl ziehen – das sind Herausforderungen, mit denen Tchibo umgehen muss. Aber die Marke hat auch eine gute Ausgangslage: Fast jeder vierte Deutsche ist aktuell Kunde, 40 Prozent der Markenkenner haben Werbung von Tchibo wahrgenommen, zudem ist die Zufriedenheit der Kunden beachtlich hoch – höher als die bei eBay, Globetrotter oder Galeria Kaufhof.

Die Deutschen mögen Tchibo, allerdings scheint dem Einzelhändler das Gefühl dafür abhandengekommen zu sein, den Kunden etwas zu bieten, das sie woanders nicht finden. Und Produkte anbieten, die überraschen wie in der Vergangenheit ein Einfamilienhaus oder ein Ultraleichtflugzeug. Die langsam aber stetig fallenden Werte deuten auf eine Marke hin, der ein Innovationsschub gut tun könnte.

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