Buchmarkt Bertelsmann-Deal setzt neue Maßstäbe

Bertelsmann-Chef Rabe setzt mit der Fusion seiner Buchtochter Random House mit Penguin sein erstes echtes Duftzeichen.

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Thomas Rabe, Vorstandsvorsitzende des Medienkonzerns Bertelsmann, konnte nach der geplatzten Übernahme des Verlagshauses Gruner + Jahr einen wichtigen Deal abwickeln Quelle: dpa

Vor fünf Tagen gab sich Pearson noch britisch-schmallippig: Ja, wir haben die Medienberichte über die Verhandlungen mit Bertelsmann auch gelesen, und, ja, wir bestätigen: Wir reden miteinander mit dem Ziel, die beiden Buchsparten Random House und Penguin zusammen zu führen. Eine Einigung stehe allerdings noch aus, und Gewissheit, dass es überhaupt zu einer solchen kommt, gebe es keine. Wenige Tage später jetzt die Nachricht: Random House und Penguin legen ihre Geschäfte im englisch- und spanisch-sprachigen Raum zusammen.

Stimmen die zuständigen Kartellbehörden dem Deal zu, entsteht damit voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2013 der mit Abstand größte Buchverlag der Welt. Legt man die aktuellen Zahlen zugrunde,  kommen beide Partner heute zusammengerechnet auf einen Umsatz von drei Milliarden Euro und veröffentlichen 14.000 neue Bücher im Jahr. Gemeinsam, teilen beide Häuser mit, wollen sie künftig sogar noch mehr Geld in Autoren und neue Geschäftsmodelle investieren als sie es heute jeweils einzeln tun. Damit, so viel dürfte klar sein, enteilen sie der Konkurrenz um Längen.

Welche immense Bedeutung der Zusammenschluss mit der 1935 gegründeten englischen Verlagsikone Penguin jedoch ganz offensichtlich vor allem für die Bertelsmann-Spitze hat, zeigt ein sprechendes Detail der Gütersloher Mitteilung: Für wichtiger und mitteilenswerter als die Höhe der jeweiligen Anteile am künftigen Verlagskonzern (Bertelsmann: 53 Prozent, Pearson: 47) halten die Westfalen vor allem eins: „Thomas Rabe setzt neue Bertelsmann-Strategie im Buchgeschäft um“.

Nur zum Vergleich: Ehe in der Mitteilung des englischen Partners Pearson erstmals der Name von Vorstandschefin Marjorie Scardino fällt, vergehen neun Absätze zu den Details des Deals. Zu denen gehört etwa, dass weder Pearson und Bertelsmann innerhalb der ersten drei Jahre nach dem Zusammenschluss zu Penguin Random House Anteile verkaufen darf, egal in welcher Höhe.

Das Bertelsmann-Imperium
Hartmut Ostrowski (links), Thomas Raabe (rechts)
Die Konzernzentrale der Bertelsmann AG
Haupsitz der RTL Group in Luxemburg
Logo der Verlagsgruppe Random House
Verlagshaus von Gruner und Jahr in Hamburg
Der Firmensitz von Arvato
Ein Buchklub der Direct Group Bertelsmann

Druck auf Rabe

Bei Bertelsmann sah man dagegen offenbar die Notwendigkeit, den seit Januar amtierenden Vorstandschef Thomas Rabe mit seinem ersten großen Deal in der neuen Funktion auch bitte angemessen prominent zu würdigen – damit auch ja keiner übersieht, wer hier den Erfolg eingefahren hat. Der Druck auf den früheren Finanzvorstand Rabe, beinahe ein Jahr nach seinem Amtsantritt etwas Vorzeigbares zu präsentieren, war in den vergangenen Wochen spürbar gestiegen.

Denn es ist gerade etwas mehr als eine Woche her, dass Bertelsmann die eigentlich geplante vollständige Übernahme des Hamburger Verlagshauses Gruner + Jahr abblasen musste. Die Gütersloher halten 74,9 Prozent der Anteile und hätten sich gern noch den Anteil der Verlegerfamilie Jahr einverleibt. Eine Einigung über den Deal kam indes nicht zustande.

Umso besser nun für Rabe, dass ein anderes Großprojekt, von dem seit einigen Jahren immer wieder einmal die Rede war, nun endlich klappte. Zwar kam es nicht so, wie zuvor gerüchteweise kolportiert, dass Bertelsmann mit einem Anteil von mindestens 60 Prozent, wenn nicht höher, in das Gemeinschaftsunternehmen einsteigt. Nach einer Bewertung von Umsatz und Ergebnis beider Buchkonzerne in den vergangenen Jahren sei man zu dem Anteilsschlüssel gelangt, der nun greifen soll.

Stark im E-Book-Markt

Doch mit dem Ergebnis werden beide Seiten leben können. Denn für Bertelsmann heißt das vor allem, mit einem starken Partner in Märkten auf einen Schlag präsent zu sein, in denen die Gütersloher bislang eher unter ferner liefen rangierten. So ist Penguin etwa in Indien unangefochtener Marktführer im Buchgeschäft. Hinzu kommt, dass Penguin ähnlich wie Bertelsmann sehr aktiv ist beim Entwickeln neuer Geschäftsmodelle für das wachsende Geschäft mit E-Books.

Penguin erzielt 19 Prozent seines Umsatzes mit E-Büchern; bei Random House liegt der Umsatzanteil der digitalen Schmöker bereits bei fast 25 Prozent. Und die Penguin-Tochter Dorling Kindersley war der weltweit erste Publikumsbuchverlag, der sich im Januar beim Start der neuen iBook-Plattform mit dem Apple-Konzern verbündete.

Was die Zahl der prominenten Autoren betrifft – seien es lebende oder verstorbene, von denen die Verlage noch immer die Rechte halten -  dann entspricht die Verlagsehe von Penguin und Random House übertragen auf einen anderen Wirtschaftszweig ohnehin praktisch dem Zusammenschluss von Real Madrid und FC Barcelona. Richtig lecker ist beispielsweise auch, dass Dorling Kindersley die Bestseller-Bücher des englischen Starkochs Jamie Oliver im Programm hat – bei Gruner + Jahr erscheint praktischerweise seit dem vergangenen Jahr sechsmal im Jahr das Magazin „Jamie“.

Deutschland-Geschäft bleibt bei Bertelsmann

Außen vor bleiben bei dem Deal allerdings zwei Bereiche: Das Deutschland-Geschäft von Random House behält Bertelsmann komplett. Als ein Grund dafür mag gelten, dass der deutsche Buchmarkt unter anderem wegen der Buchpreisbindung anders tickt als fast alle anderen internationalen Märkte.

Zahlen und Organisation der Bertelsmann-Stiftung im Überblick (zum Vergrößern bitte Bild anklicken).

Ein wenig erstaunt die Ausnahme dennoch, schließlich ist Penguin etwa mit Dorling Kindersley, die neben Kochbüchern auch erfolgreich Reiseführer und  Kinderbücher („Lego“ und „Star Wars“) hierzulande seit Jahren sehr aktiv. Außen vor bleibt auch das Geschäft mit Bildungsmedien. Pearson behält die Marke Penguin für diese Sparte, Bertelsmann muss hier also weiter eigene Wege suchen.

Ehe sich der künftige Penguin Random House-Vorstandschef Markus Dohle allerdings neue Visitenkarten drucken lässt, werden sich jetzt erst einmal weltweit Heerscharen von Juristen über die Details des Deals beugen. Noch ist nicht einmal völlig klar, welche Behörden der jeweils betroffenen Märkte sich mit dem Zusammenschluss befassen werden. Klar ist: Es wird ein Fest für Kartellexperten.

In Gütersloh macht man dennoch auf Optimismus. Und das gilt auch für das Angebot, das praktisch in letzter Minute aus New York gen London flatterte: Der US-Konzern News Corp. des letzten lebenden Medienzaren Rupert Murdoch setzt mit einem eigenen Angebot offenbar noch zur Blutgrätsche an, obwohl das Aufgebot von Bertelsmann und Pearson bereits bestellt ist.

In Gütersloh scheint man sich seiner Sache allerdings sehr sicher zu sein: nach fünf Monaten Verhandlungen verzichteten beide Seiten auf eine Break-up-fee, also auf eine Strafgebühr für den Fall, dass der Deal doch nicht zustande kommt.

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