WirtschaftsWoche Online: Welche Gründe waren für die einstweilige Verfügung gegen Uber ausschlaggebend?
Benjamin Linke: Zwar liegt die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt noch nicht vor, aber aus anderen Verfahren gegen Uber wird die Argumentation schon sehr deutlich. Und danach fällt das Geschäft von Uber unter das Personenbeförderungsgesetz, kurz PBefG. Danach benötigt in Deutschland jeder, der gewerbsmäßig Personen befördern möchte, eine Genehmigung. Und die hat Uber oder die vermittelten Fahrer nun mal nicht.
Zur Person
Benjamin Linke ist Rechtsanwalt bei Rödl & Partner in Hamburg. Er hat sich auf vergabe- und beihilferechtliche Fragen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und das Personenbeförderungsgesetz spezialisiert und zu diesen Themen mehrfach publiziert.
Wäre so eine Genehmigung denn ein Problem?
Um die Genehmigung zu erhalten, muss Uber gesetzliche Anforderungen und Pflichten erfüllen. Dabei ist zunächst die Frage zu stellen, ob Uber eher dem Taxi-Gewerbe oder dem Mietwagenverkehr zuzuordnen ist. Im Fall des Mietwagenverkehrs stellt das PBefG das Unternehmen vor Vorgaben, die Uber den Gerichten zufolge im Rahmen der gegenwärtigen Geschäftspraxis nicht erfüllt. Es ist auch höchst fraglich, ob Uber diese Vorgaben erfüllen kann und will. Aber ohne die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben darf Uber keine Personenbeförderungsleistungen vermitteln, weil das gegen das Wettbewerbsrecht verstößt.
Wie begründet die Justiz den Wettbewerbsverstoß?
Das PBefG unterscheidet Taxis und Mietwagen. Nach meiner Einschätzung und der des Landgerichts Frankfurt würde Uber oder zumindest deren Fahrer die Genehmigung als Taxi-Unternehmer benötigen, damit die vermittelbaren Autos auch im öffentlichen Verkehrsraum von Fahrgästen direkt beauftragt werden können. Taxis müssen darüber hinaus nicht wie Mietwagen nach jeder Fahrt zurück zum Unternehmenssitz. Diese Vorteile für Taxi-Unternehmen will Uber nutzen, sich aber nicht den gesetzlichen Anforderungen beugen.
Welche sind das zum Beispiel?
Taxis müssen in Deutschland zum Beispiel grundsätzlich elfenbeingelb sein, über Funk verfügen und ein Taxisschild auf dem Dach haben. Taxis haben auch eine Beförderungspflicht und dürfen keine Fahrt ablehnen. Sowohl Uber selbst als auch der vermittelte Fahrer dürfen das als Mietwagenverkehr jedoch. Außerdem sind bei Taxis die Fahrpreise durch die öffentliche Hand festgelegt. Die Vorgaben des Gesetzgebers beruhen darauf, dass er die Beförderungsleistungen im Taxigewerbe für schutzwürdig erachtet und die Verlässlichkeit dieser Dienstleistung erhalten sowie ruinösen Wettbewerb verhindern will. Das ist im Linienbusverkehr ähnlich. Deswegen gibt es in vielen Städten auch nur eine begrenzte Anzahl an Lizenzen für Taxiunternehmen. Um die zu erhalten, muss erst ein Platz frei werden.
Uber müsste dann also mit Genehmigung genauso teuer sein wie ein Taxi?
Genau. Fielen die Uber-Fahrten unter das gleiche Recht wie Taxifahrten, dürfte der Uber-Fahrpreis nicht nur etwa halb so hoch sein. Ohnehin ist so ein niedriger Preis pro Fahrt nur möglich, weil es sich eben nicht um Taxis, sondern um Privatfahrzeuge handelt, die all diese öffentlichen Pflichten nicht erfüllen.
"Mitfahrzentralen bisher nicht im Fokus"
Die Fahrer sind aber nicht bei Uber angestellt, sondern nutzen lediglich deren Plattform, vor allem die Uber-App für Smartphones. Warum sollte Uber dann ein Taxiunternehmen sein?
Dem Personenbeförderungsgesetz zufolge geht es nicht nur darum, wer fährt, sondern wer die Fahrten organisiert und verantwortet. Auch ein Vermittler kann als Taxi-Unternehmer eingestuft werden. Und Uber bekommt immerhin 20 Prozent vom Umsatz der Fahrer, und könnte damit in diesem Bereich gewerblich tätig sein. Da Uber außerdem seine günstigeren Preise publik gemacht hat, sehen die Taxi-Unternehmen in Uber eine direkte Konkurrenz. Und die haben sich darüber beklagt, dass sich Uber nicht an die Spielregeln hält, die für die Personenbeförderung per Gesetz gelten.
Taxifahrer freuen sich über Uber-Stopp
Müssten denn gemessen an den rechtlichen Maßstäben nicht auch Mitfahrzentralen verboten sein?
Der Gesetzgeber hat eigens Ausnahmen geregelt um eben Mitfahrgelegenheiten – etwa das Mitnehmen von Kollegen – oder deren Vermittler wie die Mitfahrzentralen nicht zu blockieren. Die Ausnahmen gelten, wenn die Fahrten nur zu einem Preis angeboten werden, der die Betriebskosten nicht übersteigt. Dazu gehören ausdrücklich nur die variablen Kosten wie etwa die Ausgaben für Benzin, Öl oder Reifen, nicht aber Fixkosten wie beispielsweise für die Autofinanzierung. Außerdem bieten Mitfahrzentralen vor allem Langstreckenfahrten an und werden daher von den Taxi-Unternehmen nicht notwendigerweise als direkte Konkurrenz wahrgenommen. Aber in der Tat könnte der Fall Uber auch die Mitfahrzentralen in den Konflikt mit hineinziehen und die Erfüllung der Ausnahmen in Frage stellen. Bisher waren die nicht im Fokus.
Sehen Sie für Uber eine Chance, doch noch den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten?
Ein Ausweg wäre für Uber eine Genehmigung als Mietwagenunternehmer oder das Innehaben solcher Genehmigungen seitens der Fahrer. Aber das hätte wiederum gewaltige Nachteile, die Uber nicht schmecken dürften. Mietwagen dürfen nämlich keine Fahrgäste auf der Straße aufnehmen und müssen nach jeder Fahrt zurück zum Unternehmenssitz. Bei Uber wäre das womöglich der Sitz der europäischen Zentrale in Amsterdam. Da wird es dann langsam absurd. Gilt der private Fahrer als Unternehmer, müsste er nach der Fahrt eventuell zurück zu seiner Wohnung als Unternehmenssitz. Auch das wäre für das Geschäftsmodell von Uber nicht praktikabel.
Was erwarten Sie im Fall Uber nun von der Rechtsprechung?
Die Chancen, dass die Beurteilung von Ubers Geschäft im Hauptsacheverfahren der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Frankfurt auf ähnliche Weise erfolgt wie bisher, stehen gut. Für mich ist aber denkbar, dass Uber auf politischem Wege versucht, eine Neuregulierung der Personenbeförderung in Deutschland zu erwirken. Das dürfte aber weder schnell gehen, noch einfach sein. Und sollte Uber wie angekündigt entgegen der einstweiligen Verfügung den Geschäftsbetrieb in Deutschland weiter laufen lassen, muss das Unternehmen damit rechnen, dass Taxi-Betreiber weiterhin hiergegen vorgehen.