Consultingbranche Die Zukunft der Strategieberatung

Die Strategieberaterbranche steht vor enormen Umwälzungen. Warum auch auf McKinsey, Boston Consulting Group und Bain härtere Zeiten zukommen.

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Auf die Strategieberaterbranche werden härtere Zeiten zukommen. Quelle: Fotolia

Frank Mattern (52) gilt unter Mitarbeitern als "super-schlau", gradlinig und offen, aber auch als einer, der von Natur aus andere automatisch auf Distanz hält. Eigenschaften, die dem Deutschlandchef der Strategieberatung McKinsey bei seinen "Town-Hall-Meetings" zupass kommen. Mindestens einmal im Jahr tourt Mattern durch die acht McKinsey-Büros in Deutschland und in Österreich, um mit seinen 1300 Kollegen Tacheles zu reden: Wo stehen wir? Was können wir noch besser machen?

Eine leichte Übung für Mattern - denn im Moment steht der Marktführer unter Deutschlands Consultinghäusern blendend da. Matterns Berater sind bestens gebucht - so gut, dass Mattern die Zahl der Neueinstellungen in diesem Jahr von 230 auf 250 erhöht hat.

Die Top-Beratungsmarken der Manager
Unternehmensberatung Quelle: Fotolia.com
Platz 15: Cap Gemini - der Pionier in der Kombination von IT und Change Management
Platz 14: Oliver Wyman, aus Mercer wurde 2007 Oliver Wyman – doch das hat nicht jeder Manager auch mitbekommen. Quelle: PR
Platz 13: A.D. Little ist wieder im Aufwind Quelle: Reuters
Platz 12: Deloitte ist die Beratungssparte eines globalen Wirtschaftsprüfungsgiganten Quelle: dapd
Platz 11: KPMG schaffte es als Beratungsmarke aus dem Stand heraus auf Platz 11 Quelle: AP
Platz 10: Accenture - führende Beratungsmarke für IT in Deutschland Quelle: Screenshot

Branche am Scheitelpunkt
Der Erfolg von McKinsey ist dabei weder selbstverständlich noch in Stein gemeißelt. Wie fragil das Geschäftsmodell gerade der Topberatungshäuser geworden ist, beschreibt der amerikanische Managementguru und Experte für disruptive Innovation Clayton Christensen: "Die Beraterbranche ist an einem Scheitelpunkt angelangt. Dieselben Kräfte, die schon so viele Geschäfte - von der Stahl- bis zur Verlagsbranche - umgewälzt haben, sorgen jetzt dafür, dass sich auch die Beraterbranche neu formiert".

100 Jahre immun
100 Jahre habe das Geschäftsmodell der Strategieberater darauf basiert, smarte Außenstehende für begrenzte Zeit in Organisationen zu schicken und Lösungen für die schwierigsten Probleme der Kundenunternehmen vorzuschlagen, so Harvard-Professor Christensen. 100 Jahre lang hätten die extreme Intransparenz des Projektgeschäfts und die hohe Veränderungsdynamik, die den Beraterberuf per se innewohne, quasi immun dagegen gemacht, selbst durch Neuheiten verdrängt zu werden. Indem die smarten Vordenker eine neue Idee nach der anderen formulierten, gelang es ihnen über Jahrzehnte, ein Markenimage der scheinbar unschlagbaren Überlegenheit vor sich herzutragen. Und weil sich nur schwer messen lässt, welchen Anteil Berater am Erfolg der von ihnen betreuten Unternehmen tatsächlich haben, mussten den Kunden Reputation, hohe Preise, eloquentes Auftreten und Elitedenken als Garant für Qualität in den meisten Fällen ausreichen.

consultingsearcher by cardea

Knallharter Ausleseprozess
Es mehren sich jedoch die Zeichen, dass dieser ungeschriebene Pakt zwischen den Topberatern und ihren Kunden in den Konzernen aufbricht. "Der Markt für Strategieberatung wächst zwar noch, aber nicht mehr zweistellig wie vor der Finanzkrise und mit viel stärkeren Schwankungen als früher", sagte Dietmar Fink, BWL-Professor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und Direktor der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Management und Beratung (WGMB) kürzlich der WirtschaftsWoche. In den vergangenen fünf Jahren - so der Experte für den Beratermarkt - sei das Preisniveau um gut 20 Prozent eingebrochen. Im Markt tobe ein knallharter Ausleseprozess.

Unzuverlässige Alumni

Deutschlands beste Unternehmensberater
Ziel des Wettbewerbs, der die Leistung der Berater mit einer ausgeklügelten wissenschaftlichen Methode misst: Mehr Transparenz in eine für ihre Diskretion bekannte Branche zu bringen. "Transparenz erhöht Ihr Geschäft", rief Professor Lars Wellejus (im Bild), der den Wettbewerb wissenschaftlich begleitet hatte, den Beratern zu. Und hatte für alle, die dieses Mal nicht auf dem Treppchen gelandet waren, einen Trost parat: "Wer von seinen Kunden zu gute Noten bekommt, ist eindeutig zu billig." Quelle: Robert Poorten
Marcus Engel, René Vogel, Dr. Michael Hartmann (v.l.n.r.), Solution Providers Quelle: Robert Poorten
Hanjo Arms, A.T. Kearney Quelle: Robert Poorten
Martin Hentschel, Intargia, Dr. Robert Kuhn, Universität Kassel, Matthias Ukrig, Intargia, Silke Weißenborn, Universität Kassel, Christian Schauß, Intagria, Dr. Thomas Jurisch, Intargia (v.l.n.r.) Quelle: Robert Poorten
Alexander Nedelchev, Barkawi Management Consultants, Franz Rother, stellv. Chefredakteur WirtschaftsWoche, Wolfgang Schuerholz, Barkawi Management Consultants, Tobias Krauss, Barkawi Management Consultants(v.l.n.r.) Quelle: Robert Poorten
Dr. Heike Wiegand, Allianz Inhouse Beratung, Franz Rother, stellv. Chefredakteur WirtschaftsWoche Quelle: Robert Poorten
Dr. Michael Kieninger, Horváth & Partner GmbH, Thomas Hintermeier Südwestbank AG, Dr. Andreas Maurer, Südwestbank AG, Rainer Zierhofer, Horváth & Partner GmbH, Dr. Oliver Greiner, Horváth & Partner GmbH (v.l.n.r.) Quelle: Robert Poorten

Als Fluch und Segen zugleich erweisen sich die vielen Ex-Strategieberater, die mittlerweile auf der anderen Seite des Schreibtisches - bei den Kunden - sitzen. Marktforscher Kennedy Research schätzt die jährliche Fluktuation in den Topberatungshäusern über alle Hierarchieebenen hinweg auf rund 20 Prozent. Zusammengenommen kämen die drei Größten der Branche - McKinsey, BCG und Bain - so schätzt Kennedy, auf 50.000 Alumni weltweit. Allein das Ehemaligen-Netzwerk von McKinsey soll 27.000 Ex-Berater zählen. Deren Bereitschaft, Aufträge an ihre Ex-Kollegen zu vergeben, ist sicherlich hoch einzustufen. Doch die Insider entpuppen sich mehr und mehr als unzuverlässige Kantonisten. Selbst Vorstände, die in den letzten Jahren noch die Preisdrückerei der Konzern-Einkaufsabteilungen verurteilten und bei der Vergabe von Aufträgen an Berater immer mal wieder großzügig ausscherten, sind mittlerweile zurückhaltend geworden. Die Topmanager stehen selbst unter zu hohem Ergebnisdruck, kaum einer will und kann es sich im Compliance-Zeitalter mehr leisten, dafür verantwortlich gemacht zu werden, dass wegen ihm Beraterkosten aus dem Ruder laufen. Der Bostoner Wissenschaftler Christensen geht davon aus, dass der gestiegene Kostendruck bei den Klienten langfristig dazu führt, dass die simple Gleichung "hohe Preise = hohe Qualität" als Argument ausgedient hat.

Knallharte Selektion
Gleichzeitig fordern die Ex-Consultants ihren Beraterkollegen immer mehr Leistung für ihr Geld ab. "Wer selbst aus einer Topberatung kommt, selektiert sehr genau, welche Arbeiten intern erledigt werden können und bei welchen Fragen das Unternehmen auf keinen Fall auf externe Berater verzichten kann", so Eva Manger-Wiemann. Die Partnerin der Metaconsultingfirma Cardea unterstützt Unternehmen seit knapp 15 Jahren bei der Auswahl geeigneter Berater und der Steuerung von Beratungsprojekten. Für ihre Auftraggeber sondiert sie den Beratermarkt laufend nach den Perlen unter den hoch spezialisierten, kleineren Beratungshäusern, überprüft und zertifiziert deren Kompetenz und sorgt neuerdings über die Suchmaschine Consultingsearcher dafür, dass Unternehmen kostenlos selbst die besten Branchen- und Fachspezialisten im Beratungsmarkt ausfindig machen können.

"Große Teile der aufwändigen Analysearbeiten, die früher den externen Strategieberatern gutes Geld einbrachten, erledigen die Kunden zunehmend selbst", sagt die Branchenkennerin. "Es ist längst Standard, größere Projekte in verschiedene Phasen zu stückeln und nach jedem erreichten Meilenstein, neu darüber nachzudenken, welchem Berater der nächste Projektschritt anvertraut werden soll".
Diese Zersplitterung der Beratungsprojekte ermögliche es den Unternehmen, Teilprojekte an kleinere Spezialisten-Boutiquen zu vergeben, die früher fast ausschließlich großen Häusern vorbehalten waren.

Hausgemachte Konkurrenz
Laut Clayton Christensen, früher selbst bei Boston Consulting Group als Berater tätig, geht von den Tausenden von Alumni jedoch noch eine ganz andere Gefahr aus: der Aufstieg neuer Konkurrenten wie Eden McCallum und Business Talent Group (BTG). Diese Firmen stellen für Mandanten schlankere Projektteams aus Freelancer-Beratern zusammen und berechnen dafür nur einen Bruchteil der Kosten der traditionellen Wettbewerber. Der britische Anbieter Eden McCallum und das amerikanische Haus BTG sprechen dafür aktiv ehemalige Topberater an, die sich zuvor bei McKinsey, BCG oder Bain einen Namen gemacht haben und dann dort ausgeschieden sind. So können sie beim Kunden mit erfahrenen Branchenkoryphäen und hochkarätigen Fachspezialisten auftrumpfen, die miteinander harmonieren, weil sie alle über eine ähnliche Ausbildung und denselben Stallgeruch verfügen. Und sie können die Beraterteams viel billiger anbieten, weil sie - anders als die traditionellen Strategieberatungshäuser - weder Geld für Aus- oder Weiterbildung ausgeben müssen noch hohe Fixkosten für Innenstadtbüros und Berater zu tragen haben, die gerade mal nicht ausgebucht sind.

Entzauberte Berater

Die meist bewunderten Unternehmen der Welt
fedex Quelle: dapd
Platz 9Auf dem neunten Rang findet sich die Walt Disney Company. Das Unternehmen wird vor allem darum bewundert, dass es immer wieder zahlreiche erfolgreiche Zukäufe verbuchen konnte. Zuletzt übernahm das Medien-Imperium etwa LucasFilm und damit die "Star Wars"-Blockbuster unter seine Fittiche. 2006 übernahm Disney die Pixar Animation Studios, die durch Filme wie "Toy Story" oder "Monster AG" bekannt sind. Neben den Kinoerfolgen kann Disney auch mit seinen Vergnügungsparks glänzen. Finanziell gesehen sind die Disney-Parks und -Resorts im vergangenen Jahr stark gewachsen (9 Prozent mehr Einkommen gegenüber 2011) und stellen damit den größten Geldbringer. Quelle: REUTERS
Platz 8Die Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway landet auch Rang acht. Nicht zuletzt wegen ihrem international angesehenen Kopf Warren Buffett. Das 83 Jahre alte "Orakel von Omaha", wie Buffett auch genannt wird, hat es nicht nur geschafft, ein Unternehmen mit rund 250.000 Mitarbeitern zu errichten, er spendet auch die Hälfte seines enormen Reichtums für wohltätige Zwecke. Berkshire Hathaway machte zuletzt Schlagzeilen mit der Übernahme von Heinz. Quelle: REUTERS
Platz 7Southwest Airlines, eine US-amerikanische Billig-Fluggesellschaft, ist gemessen an der Zahl der beförderten Passagiere die zweitgrößte Fluggesellschaft der Welt. Der Konzern macht sich vor allem durch Service beliebt, indem er an Grundsätzen wie kostenfreiem Umbuchen eines Fluges oder der kostenfreien Beförderung von Gepäck festhält, die man bei anderen Airlines vergeblich sucht. Quelle: dapd
Platz 6Der IT-Gigant IBM sichert sich den sechsten Platz im Ranking der meist-bewunderten Unternehmen. Obwohl es der IT-Branche derzeit nicht besonders gut geht, kann IBM sich weiter behaupten und solide Einkommen in verschiedenen Geschäftssegmenten vorweisen, etwa beim Cloud Computing. Und IBMs berühmtes Computerprogramm "Watson", das seine künstliche Intelligenz 2011 in einer "Jeopardy"-Quizsendung unter Beweis stellte und zwei menschliche Gegner besiegte, soll nun im medizinischen Bereich eingesetzt werden und Ärzte dabei unterstützen, große Mengen historischer Daten zu verarbeiten, um bessere Diagnosen stellen zu können. Quelle: dapd
Platz 5Starbucks hat eine sagenhafte Expansion in aller Welt hingelegt, vom kleinen Kaffee- und Gewürzgeschäft in Seattle im Jahr 1971 hin zur weltgrößten Kaffee-Kette mit 17.000 Filialen weltweit im Jahr 2011. Seitdem hat die Welt bislang unbekannte Genüsse und Wort-Ungetüme wie den "Großen Soja-Karamel Macchiato" kennengelernt. Das reicht für Rang fünf. Quelle: REUTERS
Platz 4Der Getränke-Riese Coca-Cola liegt nicht nur in den USA auf dem ersten Platz der meistverkauften Softdrinks und verweist den Erzrivalen Pepsi in die Schranken - auch international kann der Brause-Hersteller noch immer wachsen. So legte zuletzt das Indien- und Thailandgeschäft kräftig zu. Neben Cola breitet sich der Konzern auch in weiteren Getränkebereichen aus, etwa im Geschäft mit Mineralwasser, vitaminisiertem Wasser und den Minute-Maid-Säften. Und damit nicht genug: In diesem Jahr stieg Coca-Cola mit dem Kauf eines Aktienpakets von Fair Oaks Farms Brands, einer Firma, die Protein-Shakes vertreibt, auch noch ins Molkerei-Geschäft ein. Quelle: dpa

Auch das Argument der Topstrategieberater, ihre weltweiten Research-Abteilungen und exklusiven Benchmark-Datenbanken lieferten den Kunden einzigartige Erkenntnisse über Märkte und Wettbewerber, verliert an Zugkraft. Schon seit geraumer Zeit lagern die Unternehmen solche Aufträge an Marktforschungsunternehmen wie Gartner oder Forrester aus. Im Trend liegen - so argumentiert Christensen - zudem Netzwerke wie Gerson Lehman Group (GLG), die den Informations- und Wissensaustausch mit Industrieexperten ermöglichen oder auch Database-Provider wie ISM Health, die rund um die Uhr hoch fundierte und hoch spezialisierte Markt- und Branchenanalysen liefern, auf Wunsch auch auf mobile Geräte. Einige dieser Datenanbieter versuchten sich sogar gerade selbst als spezialisierte Berater aufzustellen.

Welche Rolle(n) Berater heute spielen

Globale Größe gefragt
Hinzu kommt: Die global tätigen Konzernkunden pochen gegenüber den großen Strategieberatern auf Größe und globale Lieferfähigkeit. "Immer weniger Kunden sind bereit, hier Abstriche zu machen", sagt Manger-Wiemann. Der Kostendruck, der dadurch entsteht, ist enorm. Branchenexperten wie Dietmar Fink, gehen davon aus, dass dieser Kraftakt nur ein, zwei, maximal drei Häusern wirklich durchgängig gelingen wird. "Die anderen werden Abstriche bei der regionalen oder inhaltlichen Abdeckung machen müssen".

Innovation in eigener Sache

Marktführer McKinsey ist sich offenbar der Verletzlichkeit seines klassischen Geschäftsmodells schon seit längerem bewusst – und hat seine Aktivitäten in den vergangenen Jahren sukzessive ausgebaut. Laut Clay Christenson heißt der wichtigste Schachzug des Marktführers dabei: "McKinsey Solutions". Seit 2007 hat McKinsey unter diesem Arbeitstitel für 14 verschiedene Branchen- und Themenschwerpunkte - vom Krankenhausmanagement über die Bergbauindustrie bis hin zum Supply Chain Management - Standard-Pakete für Unternehmen entwickelt.

Die Idee dahinter: Wenn Kunden uns in Zukunft weniger maßgeschneiderte Diagnosen und Lösungen abkaufen, sollten wir sie wenigstens mit strukturiertem und erprobtem Wissen versorgen, mit dem sie weniger komplexe Probleme mit Hilfe standardisierter Prozesse anpacken können. McKinsey zeigt seinen Kunden so auch, wie Probleme durch den gezielten und vor allem reduzierten Einsatz von McKinsey-Beratern kostengünstiger gelöst werden können. So behält McKinsey als Berater seinen Fuß in der Tür und sorgt gleichzeitig selbst für die disruptive Innovation, die der Beraterbranche ohnehin blüht.

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