Corporate Health Award 2017 In Bewegung bleiben

Mit maßgeschneiderten Konzepten für das Gesundheitsmanagement in ihrem Betrieb überzeugen die Sieger des diesjährigen „Corporate Health Award“. Ausgezeichnet wurden 22 Firmen - darunter erstmals sechs Mittelständler.

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Joggingtour in der Mittagspause. (Foto: Bosch)

Köln Ein Kurs zum Thema „Bücken und Heben“? Als sich ein Sportlehrer beim Kölner Dachdeckerbetrieb Scholl & Briller ankündigte, waren die Mitarbeiter mehr als skeptisch: „Was soll der uns schon Neues erzählen?“ Auf Drängen von Geschäftsführer Thomas Briller nahmen die Handwerker trotzdem teil - und forderten den Trainer mit einer 50 Kilogramm schweren Bleirolle heraus. „Der Mann bekam einen hochroten Kopf, aber er hat die Rolle heben können“, erinnert sich Briller. „Gespottet hat dann keiner mehr.“ Stattdessen nahmen die Mitarbeiter dankbar die Experten-Tipps an.

Zehn Jahre liegt der Kurs zurück, inzwischen finden Veranstaltungen wie diese in Kooperation mit der Krankenkasse IKK Classic regelmäßig bei Scholl & Briller statt - außerhalb der Arbeitszeit. Ob Bewegungstherapie, Ernährungsberatung oder Suchtprävention: Laut Briller sind meist alle 20 Mitarbeiter dabei. Erfolgsentscheidend: Über das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) befindet nicht allein der Chef. Stattdessen wird darüber freitags in den Teamtreffen diskutiert. „Wenn man die Leute einbezieht, schwinden viele Vorbehalte“, sagt Briller.

Die Gesundheit der Mitarbeiter fördern - nach Einschätzung von Experten gelingt Scholl & Briller das in herausragender Weise: Der Kölner Betrieb ist Preisträger der Sonderkategorie „Gesundes Handwerk“ beim diesjährigen Corporate Health Award, den das Beratungs- und Marktforschungsunternehmen EuPD Research, der BGM-Dienstleister ias-Gruppe und das Handelsblatt gestern vergeben haben. Ausgezeichnet wurden insgesamt 22 Firmen - darunter erstmals sechs Mittelständler unterschiedlicher Branchen.

„Auch kleinere und mittlere Unternehmen haben zahlreiche Möglichkeiten für Gesundheitsmanagement“, sagt Thomas Olbrecht, Leiter des Bereichs Sustainable Management bei EuPD Research. „Jedoch denken viele Unternehmen dabei lediglich an einen Obstkorb für die Mitarbeiter.“ Eine Studie der Techniker Krankenkasse aus dem Mai bestätigt das: Von den 800 befragten Unternehmen gab zwar die Mehrheit an, dass ab und an einzelne Aktionen stattfinden. Aber erst ein Drittel hatte ein ganzheitliches BGM - bei Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern ist der Anteil noch geringer.


Es gibt kein Patentrezept

Nach Einschätzung Olbrechts geht es für die Unternehmen nicht nur darum, Krankenstände zu senken. „In Zeiten des Fachkräftemangels ist es eine Frage der Zukunftsfähigkeit, für das Wohlergehen der Mitarbeiter zu sorgen.“ Eine erste Anlaufstelle können die Krankenkassen sein. Sie sind seit Anfang 2016 verpflichtet, mehr Geld für Prävention zu investierten - und beraten Unternehmen bei der betrieblichen Gesundheitsförderung. Die Herausforderung: „Es gibt kein Patentrezept“, sagt Olbrecht. „Jedes Unternehmen muss ein Programm entwickeln, das passend für die eigene Belegschaft ist.“

Weitgehend unabhängig gemacht von den Krankenkassen hat sich Ritter Sport - ebenfalls Preisträger beim Corporate Health Award. Der Schokoladenhersteller mit Sitz in Waldenbuch betreibt eine eigene Sanitätsstelle, die für die 1.040 Mitarbeiter manchen Gang zum Hausarzt ersetzt. Hinzu kommen kostenlose Sportgruppen und Kurse, die das Unternehmen zur Hälfte finanziert. Zwei angestellte Fitnesstrainer bieten ein Personaltraining an. „Einmal im Jahr einen Gesundheitstag zu machen bringt kaum etwas“, sagt Gabriele Noack, Leiterin des betrieblichen Gesundheitsmanagements. „Wir wollen die Mitarbeiter dauerhaft sensibilisieren.“

Steigt die Krankenquote oder melden Mitarbeiter Belastungen am Arbeitsplatz, so sind das Warnsignale. „In einem Fall stellte sich heraus, dass die Klimaanlage den Mitarbeitern immer in den Nacken blies, woraufhin sofort technische Abhilfe geschaffen wurde“, sagt Noack. In einem anderen Fall halfen Teambuilding-Events, um Spannungen zu überwinden. Die Gesundheitsmanagerin sucht auch das Gespräch mit Mitarbeitern, die oft krank sind. „Es geht darum, Unterstützung anzubieten“, sagt Noack. So bezahle man in Einzelfällen Bewegungsangebote - teils auch während der Arbeitszeit. „Mitunter können wir Menschen für Sport begeistern, für die das nie ein Thema war“, sagt Noack.

Aufklären und Interesse wecken: Auch die Targobank mit Sitz in Düsseldorf versucht, Sportmuffel zu begeistern. Um Mitarbeiter zu animieren, den Aufzug links liegen zu lassen, hat die Bank etwa Schrittzähler verteilt. Im Treppenhaus des Duisburger Standorts wurde auf wechselnden Stockwerken ein als Roboter verkleideter Chipleser versteckt. Wer regelmäßig seine Karte gescannt hatte, nahm an einem Gewinnspiel teil.

„Wir gestalten die Angebote so, dass sie Spaß machen“, sagt Personaldirektor Jürgen Reinhold. „In Bewegung kommen müssen die Leute aber selbst.“ Eine Schwierigkeit: Die deutschlandweit 7.000 Mitarbeiter sind auf über 360 Filialen verteilt. Die Targobank setzt deswegen ein „Gesundheitsmobil“ ein, wo Mitarbeiter einen Gesundheitscheck machen können und individuelle Empfehlungen bekommen. Zudem wurden 50 Personalreferenten und Betriebsräte ausgebildet, die vor Ort eigene Aktionen planen.


Wenn der Führungsstil krank macht

2011 startete die Targobank ihr BGM-Programm, es heißt: „Ça va - Wie geht's?“ „Das Bewusstsein für die Wichtigkeit des Themas war vorher eher gering“ sagt Reinhold. Den Anstoß gab eine neue Unternehmenssoftware: Die offenbarte, dass die Zahl der Krankheitstage viel höher war als gedacht - so waren vorher ein- und zweitägige Krankmeldungen ohne Arztbesuch nicht erfasst. „Ich habe die Fehlzeiten dann in einen Gewinnverlust übersetzt“, berichtet Reinhold. „Das hat alle Entscheider neben dem Wunsch nach gesunden Mitarbeitern sofort davon überzeugt, dass wir etwas tun müssen.“

Wirksames Gesundheitsmanagement braucht den Rückhalt der Unternehmensspitze. Davon ist auch Lars Kutschke, Leiter Gesundheit und Diversity bei Tui überzeugt. Der Touristikkonzern mit deutschlandweit 10.000 Mitarbeitern hat das BGM zum Teil seiner HR-Strategie gemacht - mit konkreten Zielen etwa zur Mitarbeiterzufriedenheit.

„Gerade in der Konzernwelt ist es wichtig, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen“, sagt Kutschke. Welche konkreten Gesundheitsangebote vor Ort umgesetzt werden, entscheiden bei der Tui ähnlich wie bei der Targobank lokale Ausschüsse, in die auch Mitarbeitervertreter einbezogen sind.

Alle Unternehmen, die beim Corporate Health Award ausgezeichnet wurden, nehmen ihre Führungskräfte stark in die Pflicht. Bei der Tui trainieren Manager in Schulungen etwa Mitarbeitergespräche. „Das Thema muss Teil der Führungskultur sein“, sagt Kutschke.

Auch die Targobank hat nach und nach alle 780 Manager in Sachen BGM geschult, berichtet Personaldirektor Reinhold. „Wenn der Führungsstil Mitarbeiter krank macht, kann man mit einem Äpfelchen auf dem Schreibtisch wenig bewegen.“

Corporate Health Award

Der Preis: Firmen, die in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter investieren, sind besser für die Zukunft gewappnet: Sie steigern die Arbeitgeber-Attraktivität, verbessern das Betriebsklima und erhöhen die Produktivität. Der „Corporate Health Award 2017“ zeichnet Unternehmen für hervorragendes betriebliches Gesundheitsmanagement aus. EuPD Research Sustainable Management, die ias-Gruppe und das Handelsblatt haben den Preis gestern im neunten Jahr verliehen, dieses Mal in 22 Branchen- und Sonderkategorien.

Die Bewertung: Die Jury des Corporate Health Awards untersucht die Strategien der Teilnehmer mithilfe schriftlicher Auskünfte der Unternehmen und durch Audits. Zugrunde liegt ein Qualitätsmodell, das EuPD Research gemeinsam mit Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie dem Bildungs- und Gesundheitswesen entwickelt hat. Es verbindet wissenschaftlichen Anspruch mit der täglichen Anwendung im Unternehmen. Forschungsergebnisse und Erkenntnisse aus der Unternehmenspraxis werden laufend integriert. So wird sichergestellt, dass das Modell aktuell bleibt.

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