CWS-boco-Chef Teichner "Jedes Staubkorn ist zuviel"

Max Teichner, Chef des Handtuch- und Berufskleidungsriesen CWS-boco, über Hightech- und maßgeschneiderte Berufskleidung, den Turnaround des Unternehmens, den Zwang zur Öko-Strategie und seine Freiräume als Manager im Mutterkonzern Haniel.

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Max Teichner Quelle: Pressebild

WirtschaftsWoche: Herr Teichner, Berufskleidung hat in Deutschland und Europa häufig den Beigeschmack von Dienstuniform…

Max Teichner: …Einspruch! Bei Berufsbekleidung geht nicht nur um Dienstkleidung für Verkäufer oder Servicemitarbeiter. Wir rüsten zum Beispiel Feuerwehrleute oder Mitarbeiter auf dem Flugfeld mit Spezialkleidung aus. Und wir versorgen Chiphersteller mit Schutzkleidung für Reinräume. Wenn über einen Schutzanzug ein Staubkorn in den Reinraum eines Chipherstellers gelangt, ist die gesamte Charge hin.

Aber abgesehen von solchen Spezialfällen: Haben Ihre Kunden nicht oft Probleme mit den Mitarbeitern, wenn sie einheitliche Firmenkleidung einführen wollen?

Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Kunden, die die Verantwortung für die Dienstkleidung wieder ihren Angestellten überlassen wollen, bekommen oft Druck von Belegschaft und vom Betriebsrat. Für die Mitarbeiter ist die Bereitstellung der Arbeitskleidung von Vorteil: Sie sparen Geld, brauchen sich nicht mehr um den Einkauf und die Pflege der Kleidung zu kümmern und sie werden von einem professionellen Anbieter ausgestattet. Wir schicken eigene Fachleute in die Unternehmen, die an den einzelnen Mitarbeitern Maß nehmen und die Kleidungsstücke anpassen, wenn es sein muss. Und wir bieten deutlich mehr Konfektionsgrößen als ein klassischer Modehersteller. Unsere Sachen passen deshalb einfach besser als von den Mitarbeitern gekaufte Sachen.

Steckbrief: CWS-boco

Für die Unternehmen entstehen aber zusätzliche Kosten.

Die werden aufgewogen durch das bessere, einheitliche Erscheinungsbild und durch die Mitarbeiterbindung. Und in vielen Branchen wie in Krankenhäusern oder Hotels gibt es kaum eine Alternative zur Firmenkleidung.

Die Branche müsste folglich enorm wachsen?

Der Markt für Berufskleidung hat in den vergangenen fünf Jahren um 6,5 Prozent zugelegt in Europa – trotz Krise. Die größten Wachstumstreiber waren Krankenhaus- und Altersheimbereich mit fast neun Prozent Zuwachs und Arbeitskleidung mit rund acht Prozent Zuwachs. Unser Gesamtmarkt für unsere beiden Sparten, also Waschraumdiensten wie Handtuchspender oder Seife und Berufskleidung legen langfristig im Durchschnitt weltweit rund drei Prozent zu.

Davon hat CWS boco aber nicht immer profitieren können. Zwischen 2008 und 2010 ist der Umsatz um rund sechs Prozent gesunken. Und das operative Ergebnis fiel 2010 um 55 Prozent.

Inzwischen geht es wieder bergauf. Wir sind dabei, das Unternehmen umzubauen. Im vergangenen Jahr konnten wir den Umsatz von 734 Millionen Euro auf 748 Millionen Euro steigern. Für 2012 erwarten wir drei Prozent Zuwachs. Was noch wichtiger ist: Unser operatives Ergebnis konnten wir im vergangenen Jahr von 15 Millionen auf 41 Millionen Euro steigern.

CWS-boco auf Vordermann gebracht

Berufskleidung Quelle: Pressebild

Reicht das? Was ist ihr mittelfristiges Ziel?

Wir wollen ein jährliches Wachstum von drei bis fünf Prozent – ohne Zukäufe - erreichen und eine Umsatzrendite von mehr als zehn Prozent.

Sie sind vor zwei Jahren an die Spitze von CWS boco geholt worden, um das Untenehmen wieder hoch zu bringen. Was haben Sie verändert?

Wir haben vor allem Kundenbetreuung und Vertrieb neu aufgestellt. Durch die Finanzkrise hat sich unser Markt verändert. Die Loyalität der Kunden hat abgenommen und es ist schwerer geworden, Neukunden zu gewinnen. Und die Kunden legen noch mehr Wert auf differenzierte Betreuung. Wir haben deshalb die Vertriebe für das Waschraum- und Berufskleidungsgeschäft voneinander getrennt, ebenso wie die Betreuung von Bestands- und die Gewinnung von Neukunden. Zusätzlich haben wir unsere Vertriebsmannschaften vor allem durch Trainings qualifiziert. Einige Vertriebsleute haben wir aber auch in andere Funktionen versetzt, von anderen haben wir uns getrennt.

Was war das Ergebnis?

Wir haben im vergangenen Jahr zehn Prozent mehr Neukunden gewonnen. Die Kundentreue konnten wir in einem Jahr von 90 % auf 92% steigern. Wir wollen langfristig die Haltedauer der Kunden von 12 auf 15 Jahre steigern.

Sie sitzen hier in der Hauptverwaltung der Konzernmutter Haniel. Inwieweit können Sie frei schalten und walten als CWS-boco-Chef?

Ich kann mich wirklich nicht beklagen: Bei der Neuaufstellung hat man mir viel Freiheit gelassen. Im Familienkonzern Haniel habe ich wahrscheinlich deutlich mehr Spielräume als die meisten Geschäftsführer von Töchtern börsennotierter Unternehmen. Natürlich gibt es vierteljährlich ein Treffen mit den Vorständen der Konzernmutter. Aber vieles läuft hier – auch wegen der räumlichen Nähe – über das informelle Gespräch. Die Entscheidungswege sind in einem Familienunternehmen doch viel kürzer als in Börsengesellschaften, wo letztlich die Hauptversammlung entscheidet.

An welchen weiteren Stellschrauben haben Sie gedreht, um CWS-boco auf Vordermann zu bringen?

Wir sind dabei fünf von siebzehn 55 europäischen Wasch- und Logistikzentren zu erneuern. So fassen wir die Standorte Köln und Krefeld im neuen Zentrum Neuss zusammen und sparen dort 60 Prozent der Wärmeenergie ein. In Stockholm haben wir ein neues Zentrum errichtet, das mit Holzpellets betrieben wird und so 2150 Tonnen Kohlendioxid im Jahr einspart. Das entspricht der Menge, die 17000 Kühlschränke verbrauchen. In Solingen haben wir unsere Waschanlage modernisiert. Dort werden 80 Prozent des Altwassers wieder verwendet. Wir sparen im Jahr dadurch bis zu 51 Millionen Liter Trinkwasser.

Ökologie und Innovation

CWS-boco LKW Quelle: Pressebild

Schön. Aber Öko allein genügt nicht.

Bringt aber bei der Kostenersparnis viel und ist oft die Bedingung, um überhaupt mit bieten zu können. In den Niederlanden oder den skandinavischen Ländern haben Anbieter, die ökologisch nicht zertifiziert sind, bei Ausschreibungen keine Chance. In Deutschland ist es bei Ausschreibungen für Kunden aus dem öffentlichen Sektor oder bei Großunternehmen ähnlich. Aber wir sind darüber hinaus dabei, sämtliche Prozesse zu durchleuchten. Ein Beispiel: Am Standort Wiesbaden gab es vier Arbeitsschritte für die Beschickung und Entladung der Waschmaschinen. Alle Mitarbeiter waren spezialisiert für einen Arbeitsschritt. Wir haben die Anordnung der Maschinen geändert und unsere Mitarbeiter so geschult, dass jeder Mitarbeiter alle vier Bereiche betreuen konnte. Das Ergebnis war eine Verdoppelung der Produktivität und eine deutlich höhere Zufriedenheit der Mitarbeiter, weil die Arbeit jetzt abwechselungsreicher ist.

Wie sieht es bei den Innovationen aus?

Unsere jüngste Innovation ist ein Handtuchspender, der uns über ein Funkmodul meldet, wenn die Handtuchrolle dem Ende zugeht. Die Kunden nützen diese Information zusätzlich, um in Erfahrung zu bringen wie intensiv die Nutzung ihrer Waschräume ist. Sie können damit ihre Reinigungshäufigkeiten besser planen. Das neue Produkt kommt sehr gut an. Das gleiche gilt für unsere neuen Handtuchspender mit Bildschirm für Infos und Werbung.

Müssen Sie nicht befürchten, dass die von Ihnen bevorzugte Lösung mit Textilhandtüchern auf Rolle durch neue Techniken wie optimierte Gebläsetrockner attackiert wird.

Da sind wir ziemlich selbstbewusst. Wir bieten zwar auch Papierhandtücher an. Aber Textilhandtücher bieten aus unserer Sicht die beste Kombination aus Hygiene, Komfort und Nachhaltigkeit: Die Baumwolle nimmt Nässe und Keime sehr gut auf. Zudem ist unser System geräuscharm und vermeidet Müll im Waschraum, spart also auch Entsorgungskosten.

Ihr Geschäft entfällt je zur Hälfte auf den deutschen und den ausländischen Markt. Soll das so bleiben?

Das wird nicht so bleiben. Wir sind seit fünf Jahren in China. Der chinesische Anteil am Umsatz betrug im vergangenen Jahr etwa ein Prozent, wächst aber jährlich um rund 30-50 Prozent. Wenn nichts dazwischen kommt, dürfte sich der Anteil des Umsatzes in China in vier Jahren auf etwa fünf Prozent steigern. Weitere Wachstumsmärkte sehen wir natürlich in Osteuropa und im Baltikum – in der zweiten Jahreshälfte eröffnen wir beispielsweise unseren ersten Standort in Lettland.

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