Cyber Security Summit Gegen die Bedrohung aus dem Internet

Im Silicon Valley suchen hochrangige Vertreter aus Regierung und Industrie nach Mitteln gegen die Propaganda im Internet. Doch die hierarchische Struktur in Behörden behindert mögliche Maßnahmen.

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Experten suchen nach Möglichkeiten, der Bedrohung aus dem Internet entgegenzuwirken. Quelle: AP

Palo Alto Die Elite-Universität Stanford im Silicon Valley hat sich in jüngster Zeit zu einer Art Wallfahrtsort für alles entwickelt, was auch nur entfernt mit digitalen Themen zu tun hat. Nahezu wöchentlich pilgern Reisegruppen mit Managern aus Deutschland über den Campus, lassen sich von der kalifornischen Sonne bescheinen und hoffen auf Erleuchtung.

Meist geht es den Valley-Touristen um neue Geschäftsmodelle für ihre Industrien, deren Erlösquellen durch die Digitalisierung wegbrechen, hin und wieder aber auch um die ganz großen politischen Fragen. So wie beim ersten „Cyber Security Summit“, zu dem Münchner Sicherheitskonferenz und Deutsche Telekom für zwei Tage nach Stanford luden.

Eine intime, internationale Runde von 140 hochrangigen Teilnehmern aus Regierung, Sicherheit, Militär und Industrie – davon 30 Gäste aus Deutschland – diskutierte über neue Bedrohungsszenarien aus dem Internet. „Was uns bislang fehlte, ist eine internationale Diskussion über Cybersicherheit. Dieser Austausch ist aber erforderlich ist, weil Cyberattacken keine Grenzen kennen“, sagte Telekom-Vorstand Thomas Kremer dem Handelsblatt zum Hintergrund der Idee.

Besonders deutlich zeigte sich das erst jüngst: Nach massiven Angriffen auf die digitale Infrastruktur der Demokratischen Partei in den USA, hinter denen die Regierung russische Hacker vermutet. Wenige Tage vor der Nominierungsparteitag der Demokraten im Juli, der Krönungszeremonie von Kandidatin Hillary Clinton, veröffentlichte die Enthüllungsplattform Wikileaks E-Mails von Servern des „Democratic National Committee“. Sie zeigten, dass die Parteiführung, die eigentlich neutral sein sollte, Clinton den Vorzug gegenüber ihrem Rivalen Bernie Sanders gab.

Der Skandal war da; Kandidatin und Partei waren beschädigt. Debbie Wasserman Schultz, Vorsitzende der Demokraten, trat in der Affäre zurück. Die IT-Firma CrowdStrike fand nach eigenen Angaben Hinweise auf zwei Hackergruppen aus Russland. Die Regierung Putin wies den Vorwurf zurück.

Wer auch immer hinter dem Angriff steckte, IT-Experten sehen darin die nächste Eskalationsstufe. „Kriminelle oder Staaten versuchen, durch Hacks und gezieltes Streuen von Falschinformationen politische Prozesse zu beeinflussen“, hieß es dazu auf der Konferenz aus amerikanischen Sicherheitskreisen. „Wir hatten auch in der Vergangenheit mit gezielten Hacks auf unsere Kampagnen zu tun, dies ist aber nun das erste Mal, dass diese Informationen öffentlich werden.”

In der Geschichte der Internetkriminalität ist das ein Wandel. Den Angreifern geht es nicht länger um Diebstahl und Kopieren von Daten wie im Fall von Wirtschaftsspionage, Erpressung oder gezielte Schädigung von Unternehmen. So wie in der Vergangenheit etwa bei Sony, das nach einem Einbruch in die konzerneigene Infrastruktur vor einem Milliardenschaden stand. Der moderne Krieg wird im Netz ausgetragen, die Waffen sind Informationen.

„Das Prinzip der demokratischen Wahl und das Vertrauen in die Demokratie als solche wird von unten angebohrt, indem Misstrauen gesät wird”, sagte Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz. Es sei wie bei einem Schiff, das langsam voll läuft und zu sinken beginnt. Die Politik merkt es erstmal gar nicht, erst, wenn das Wasser oben an Bord gluckert. Dann sei es natürlich zu spät.


Propaganda im Netz unterbinden

Es gebe keinen Grund, warum diese “brutalen Methoden” vor Grenzen halt machen sollten. „Wir haben diesen Informationskrieg nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland”, sagt Ischinger. „Wir haben auch Fälle gehabt, in denen etwa mit Schadsoftware der Deutsche Bundestag attackiert worden ist und Missinformationen oder Propaganda im deutsch-russischen Verhältnis eine Rolle gespielt haben.”

Ischinger fordert mehr zu tun, um dem bewusste Streuen von Fehlinformationen im Netz entgegenzuwirken. Vor allem in den sozialen Medien aktiver werden. Natürlich seien neben russischen, auch westliche Geheimdienste daran beteiligt, eine „potenzielle Eskalationsspirale in Gang zu setzen”, meint er. Deshalb sei die Suche nach Regelwerken, nach belastbaren und verifizierten Regeln für den Umgang mit Informationen im digitalen Zeitalter so wichtig.

Damit steht auch die Frage im Raum, ob und wie die Verbreitung falscher Informationen oder Propaganda von Terrororganisationen wie dem IS im Netz unterbunden werden soll. Und da ist es wohl kein Zufall, dass die Veranstalter die Debatte ausgerechnet nach Stanford, ins Zentrum von Silicon Valley getragen haben. Dort wo mit Google, Facebook und Co. die Betreiber der entsprechenden Infrastrukturen sitzen, der Konferenz aber offenbar 

fern geblieben sind. Sollen Regierungen Unternehmen etwa zwingen, sich selbst zu zensieren?

Telekom-Vorstand Kremer, beim deutschen Provider verantwortlich für Datenschutz, widerspricht: „Regulierung kann immer nur ein letztes Mittel sein. Wir müssen immer wieder die richtige Balance zwischen Persönlichkeitsschutz und Sicherheitsinteressen finden. Das geht nicht ohne eine politische Diskussion, was der richtige Weg ist und wer was kontrolliert, wo die Aufgaben der Provider enden und wo staatliche und polizeiliche Maßnahmen nötig sind.”

Statt auf das Netz zu schimpfen oder nach Zensur zu rufen, empfiehlt Joelle Jenny, Director of International Security and Crisis Management beim Europäischen Auswärtigen Dienst, einer diplomatischen Beratungseinrichtung der EU, eine ganz andere Strategie: „Es gibt da draußen sehr viel Propaganda, wir machen keine Anti-Propaganda. Stattdessen erhöhen wir das Volumen positiver Nachrichten und versuchen das Narrativ der Terroristen zu verändern.”

Das sei ein richtiger Ansatz, bestätigt Peter Neumann, Direktor des International Centre for the Study of Radicalisation, am King’s College in London. Doch er sei lange nicht ausreichend. „Wenige Twitter-Accounts im Netz, das ist doch nur ein Tropfen im Ozean und nichts gegen den Schwarm von Leuten, die rund um die Uhr radikale Ideen verbreiten.” Top-Extremisten produzierten 25 Hass-Videos pro Tag.

Es fehle den Sicherheitsbehörden einfach an der richtigen Einstellung, kritisiert Neumann. „All diese Diskussionen und Debatten werden doch bei FBI und Co. hierarchisch geführt. Das ist aber das Gegenteil davon, wie das Internet funktioniert.“ 

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