Das Geschäft mit Umzügen Wo der Wohnungswechsel die Kasse klingeln lässt

Neun Millionen Deutsche ziehen jedes Jahr um, dabei geben sie 6,9 Milliarden Euro aus. Vom Geschäft mit Umzügen profitieren nicht nur Möbelpacker – sondern auch junge Start-ups.

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Professioneller Umzugsunternehmer schleppt Kiste Quelle: dpa

Auf der Treppe zwischen dem zweiten und dritten Stock passiert es: Der Boden des Umzugskartons gibt nach, Teller und Tassen – obwohl sorgfältig in Zeitungspapier eingewickelt – überstehen das Unglück nicht. Auch wenn es nicht Omas Erbstücke sind, der Ärger mitten im Umzugsstress sitzt tief.

Abhilfe für dieses Problem verspricht Oliver Mund. Der 34-jährige Unternehmer vermietet zusammen mit seinem Geschäftspartner Vasily Wenzel grüne Umzugskisten aus Kunststoff. „Der Boden von Pappkisten ist nicht belastbar und die Griffe können reißen. Bei Regen oder sogar in feuchten Kellern werden sie durchlässig“, sagt Mund. Seine „Turtle-Boxen“, so auch der Name des Start-ups, seien langlebig, stapelbar und vor allem stabil.

Fakten aus der Umzugsstudie

Für eine Box verlangen die beiden Jung-Unternehmer 1,75 Euro pro Woche, mit längerer Mietdauer oder größeren Mengen sinkt dieser Betrag. Damit liegt der Preis für die grünen Kunststoffboxen nur knapp über dem für Standard-Kartons aus brauner Pappe – hier werden im Schnitt rund 1,50 Euro fällig.

Neun Millionen Deutsche ziehen jedes Jahr um

Nach der Bestellung per Telefon oder Internet werden die Boxen zu einem vereinbarten Termin an der Haustüre abgeliefert und später an der neuen Adresse wieder abgeholt. „Die meisten Kunden sehen es nach einem Umzug sogar positiv, dass sie ein wenig Druck haben, alles schnell wieder auszupacken“, sagt Mund. Gegen Aufpreis wird auch ein Rollgestell passend zu den Boxen mitgeliefert, damit auch das Kistenschleppen der Vergangenheit angehört – vorausgesetzt, es ist keine Treppe im Weg.

Mit Umzügen Geld verdienen zu wollen: Keine schlechte Idee, wie die Zahlen der Umzugsstudie 2014 des Marktanalyseinstituts Umzug AG zeigen. Demnach ziehen über neun Millionen Bundesbürger pro Jahr um. Das entspricht immerhin 14 Prozent der deutschen Bevölkerung über 18 Jahre.

Was ein Wohnungswechsel kostet

Und die lassen sich ihren Wohnungswechsel einiges kosten: Jährlich geben die Deutschen rund 6,9 Milliarden Euro rund um den Umzug aus – also Renovierungsarbeiten, neue Möbel, den angemieteten Transporter oder professionelle Umzugshelfer.

Die Studie ermittelte folgende Durchschnittskosten für Deutschland: 862 Euro direkte Umzugskosten, 1133 Euro umzugsnahe Ausgaben, 503 Euro für Schönheitsreparaturen in der alten Wohnung und 1750 Euro für Investitionen, die unmittelbar aus Ausgaben nach dem Einzug abzuleiten sind.

„Nahezu jeder versucht, beim Umzug Kosten einzusparen“, sagt Jorg Mühlenberg von der Umzug AG. Daher ziehen ihm zufolge drei von vier Personen mit privater Hilfe um. Nur rund ein Viertel lässt sich von Umzugsunternehmen helfen. „Wer älter als 40 Jahre ist oder mit mehr als drei Personen umzieht, greift deutlich häufiger auf Umzugsunternehmen zurück“, sagt Mühlenberg.

Freunde sind Umzugshelfer Nummer eins

Bei jüngeren Umzugswilligen fehlt jedoch oft das Geld, um professionelle Packer zu engagieren. 15 Prozent der 30- bis 39-Jährigen geben laut der Studie finanzielle Engpässe während des Umzugs an, acht Prozent der Befragten mussten für die neue Wohnung sogar einen Kredit aufnehmen. 81 Prozent der 18- bis 29-Jährigen ziehen nur mit Hilfe von Freunden, Bekannten oder Kommilitonen um – und „bezahlen“ mit einer Kiste Bier oder tatkräftiger Beteiligung beim Umzug einer der Helfer.

Gerade bei jungen Leuten könnten die Helfer besonders häufig auf dieses Angebot zurückkommen - denn unter-39-Jährige sind für die Hälfte aller Umzüge verantwortlich. Zum Studienbeginn, nach der Abschlussarbeit oder dem Ablauf eines befristeten Vertrags will oder muss man in eine andere Stadt ziehen.

„Für die Mehrheit der Befragten steht ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis an der ersten Stelle“, sagt Claudia Frese von dem Internetportal MyHammer, das die Umzugsstudie mit initiiert hat. „Die häufigsten Umziehenden sind junge Ein-Personen-Haushalte oder Familien, deren Raumbedarf und Lebensumstände sich durch die Geburt von Kindern verändern.“

Möbeltransport nach dem Uber-Prinzip

Berufliche Gründe spielen bei der Motivation für einen Umzug eine deutlich geringere Rolle, als man zunächst annehmen würde. Lediglich in der Altersgruppe von 30 bis 39 ist diese Umzugsmotivation bedeutend höher. Im Durchschnitt liegt der Job mit rund 15 Prozent gleichauf mit familiären Gründen, zum Beispiel das Zusammenziehen mit dem Partner.

Viel wichtiger als Beruf oder Familie ist der eigene Anspruch. „Bei rund der Hälfte aller Umzüge ist die Motivation, die persönliche Wohnsituation zu verbessern“, sagt Mühlenberg. Der Anspruch steigt mit dem Alter: Während es bei den 30- bis 39-Jährigen 47 Prozent sind, gaben bei der Generation 50+ über 64 Prozent den Wunsch nach Verbesserung als Hauptmotivation an. Dabei geht es oft aus der hektischen Großstadt auf das ruhige Land. Anders bei jungen Umzugsplanern: „Für junge Leute ist dazu nicht unbedingt ein Ortswechsel nötig, sie ziehen häufig in der eigenen Stadt um.“

Umsatz der Branche Umzugstransporte in Deutschland

Vor allem bei Unter-30-Jährigen hat das Internet die klassische Zeitungsannonce als Informationsmedium Nummer eins bei Umzügen abgelöst – mehr als die Hälfte sucht und findet die neue Wohnung inzwischen online. Portale wie Immobilienscout24, Immonet und Immowelt bieten meist mehr Angebote als das örtliche Anzeigenblatt.

Zudem ist es bei Umzügen quer durch die Republik bedeutend einfacher, über das Internet an Infos zu kommen als sich Zeitungsausgaben aus einer weit entfernten Stadt zu besorgen. Dennoch reisen laut der Umzugsstudie 51 Prozent der Menschen vor dem Ortswechsel in die neue Stadt, um sich lokal zu informieren. Überraschend: Jeder Fünfte wird über eine persönliche Empfehlung auf die neue Wohnung aufmerksam – noch vor der Zeitungsannonce.

Umzugswagen per Smartphone-App

Dabei lohnt es sich oft, nicht den bequemsten Weg über gesponserte Angebote zu gehen, sondern selbst Preise zu vergleichen. Beim einen Anbieter ist der Kleintransporter für ein paar Kartons, Tisch und zwei Stühle günstiger, beim anderen ist der Tarif für den 7,5-Tonner für den Familienumzug unschlagbar günstig.

Noch günstiger will das Start-up „Buddytruk“ seine Kunden vermitteln – vorerst aber nur in Los Angeles. Das Prinzip ist vergleichbar mit dem umstrittenen Taxi-Konkurrenten Uber, nur werden bei Buddytruk Fahrten mit Möbeln anstatt mit Personen organisiert. Das entsprechende Möbelstück wird fotografiert und per App mit der Umwelt geteilt.

Verfügt ein Fahrer über einen passenden Transporter, kann er den Auftrag annehmen und erhält 80 Prozent der Bezahlung, der Rest geht an Buddytruk. Der Preis wird jedoch nicht verhandelt, sondern von einem patentierten Algorithmus festgelegt, der Dauer und Fahrtstrecke berücksichtigt.

Doch das Internet bietet eine weitere Möglichkeit, die es vor einigen Jahren noch nicht gab. „Das eigene Umzugsvorhaben lässt sich heute im Web ausschreiben, konkrete Kostenvoranschläge von Unternehmen erhält man anschließend per E-Mail“, sagt Umzugsforscher Mühlenberg. „Das ist ein riesengroßer Vorteil gegenüber dem klassischen Weg via gedrucktem Branchenverzeichnis.“

Ebenfalls fortgeschritten sind in den vergangenen Jahren die Entwicklungen im Bereich „E-Government“. Heute ist es bei vielen Meldeämtern kein Problem mehr, etwa ein Wunschkennzeichen online zu reservieren oder sich die nötigen Formulare vorab runterzuladen und so den Aufenthalt im Amt deutlich zu beschleunigen. Bis zu einer reinen „Online-Ummeldung“ ist es aber noch ein weiter Weg. Denn dazu müsste unter anderem das Meldegesetz angepasst werden.

„Die Verbesserungen im Bereich der kommunalen Ummeldungen sind im vergangenen Jahrzehnt hierzulande enorm gewesen“, sagt Mühlenberg. „Bundesweit lassen sich ferner bei allen namhaften Vertragspartnern inzwischen Adressaktualisierungen quasi per Mausklick vornehmen. Besonders Infrastrukturdienstleister, also Telekommunikationsanbieter, Stromversorger, Finanzdienstleister und Anbieter von Gas, Wasser und TV profitieren hiervon.“ Dazu kommt: Wenn der Kunde seine neuen Adressdaten online selbst eingibt, muss kein Mitarbeiter mehr das Schreiben bearbeiten und die Daten einpflegen – Zeit ist Geld.

Nur einen Trend sieht Mühlenberg ungebrochen: Es wird mehr umgezogen. Im Schnitt wechselt der Deutsche alle sieben Jahre seine Wohnung. Wenn junge Unternehmen wie Turtle-Box in diesem Markt schnell wachsen und auf sich aufmerksam machen, lockt eine lukrative Übernahme: Zahlreiche andere Start-ups wie umzugsauktion.de oder umzug-easy.de wurden von von Branchengrößen wie Immobilienscout24 und Immonet geschluckt und werden seitdem unter der bekannteren Dachmarke angeboten. Für die Gründer sicher kein schlechtes Geschäft.

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