In Punkto Kundennähe bekam der Weltluftfahrtverband IATA gerade schmerzhafte Nachhilfe. Anfang vergangener Woche schlug die Organisation vor, dass die ihr angeschlossenen Fluglinien künftig nur noch deutlich kleineres Handgepäck zulassen sollten. Ende voriger Woche beteuerte sie dann wiederholt, alles sei nur freiwillig. Mittwoch Abend legte sie die Initiative schließlich ganz auf Eis. IATA erlitt 70 Jahre nach seiner Gründung sein wohl größtes Debakel.
Kein Wunder: Beim Ausarbeiten der Gepäck-Idee hatte der sonst vor allem beim Verfassen technischer Standards aktive Airline-Verband zwar an vieles gedacht, allen voran seine Mitglieder und deren Flugbegleiter. Aber leider nicht an die rund 3,5 Milliarden Kunden, die in diesem Jahr irgendwo auf der Welt ein Flugzeug besteigen. Prompt stiegen die auf die Barrikaden und das besonders in den USA. „Die Reaktion lag irgendwo zwischen Häme und blankem Entsetzen“, so ein führender Manager einer US-Linie, die samt und sonders den Vorschlag bekämpften.
Zwar könnte bei dem kleineren Kofferformat jeder Passagier bei fast allen Flügen sein Gepäck in den Fächern über dem Sitz unterbringen. Heute schaffen das in der Regel nur die ersten zwei Drittel der Reisenden und der Rest muss seinen Koffer irgendwo im Flieger unterbringen oder nachträglich aufgeben. „Doch offenbar ist den meisten Passagiere der Kampf am Gate um die Führung beim Einsteigen lieber als leicht zu packen“, so der US-Airliner.
Passagiere und Verbraucherschützer vermuteten vielmehr eine Art Abzocke zu ihren Lasten. Weil in die Koffer der neuen IATA-Norm bis zu 40 Prozent weniger rein passt als in die bislang zugelassenen Kabinentrolleys, müssten die Reisenden öfter Gepäck aufgeben. Damit – so der Verdacht – wollten sich die Airlines hohe Zusatzeinnahmen sichern.
Top 10 Fluglinien nach der Anzahl der Passagiere weltweit
Air China
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 54,58 Millionen
Quelle: IATA / STATISTA
Lufthansa
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 59,85 Millionen
Easyjet
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 62,31 Millionen
China Eastern Airlines
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 66,17 Millionen
Ryanair
Anzahl der Passagiere im Jahr 2013: 86,37 Millionen
American Airlines
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 87,83 Millionen
United Airlines
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 90,44 Millionen
China Southern Airlines
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 100,68 Millionen
Southwest Airlines
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 129,09 Millionen
Delta Air Lines
Anzahl der Passagiere im Jahr 2014: 129,43 Millionen
Die Zurückhaltung, den Koffer aufzugeben, ist nicht unbegründet. Nicht nur Billigflieger, sondern auch die etablierten Linien der USA wie Delta oder United haben aufgegebenes Gepäck zuerst kostenpflichtig gemacht und dann die Gebühren kräftig erhöht. Dem Beispiel folgen nun auch Lufthansa, Air France und British Airways mit eigenen „nur-Handgepäck“-Tarifen.
Darüber hinaus kostet es nicht nur Geld, Gepäck aufzugeben, sondern auch Zeit. In vielen Flughäfen wie Berlin-Tegel dauert die Rückgabe der Koffer oft länger als die anschließende Taxifahrt in die Stadt. Wer richtig Pech hat, bei dem gehört der Koffer zu dem knapp einem von Tausend, der nicht mitgekommen ist oder in einer anderen Stadt landet. Wer kann, reist also mit Handgepäck.
Dabei hätten die Fluglinien auch andere Möglichkeiten, an Bord mehr Handkoffer unterzubringen: indem sie nicht nur Regeln für Handgepäck verkünden und an die Schalter Metallrahmen mit der maximalen Größe stellen, sondern die Regeln auch mal durchsetzen. Stattdessen lassen besonders US-Airlines geschätzt die Hälfte der Kunden an Bord mit Gepäck in der Größe eines kleineren Gefrierschranks – und gerne noch einer zweiten Reisetasche. Und seit die Airlines an vielen Orten indirekt an den Flughafenshops mit verdienen, auch noch eine Tüte aus den Airport-Läden.
Das geschieht angeblich aus Freundlichkeit – und weil besonders das Personal am Flugsteig den Ärger mit den Multi-Koffer-Kunden gern den Kollegen an Bord überlässt. Doch mit der Nachlässigkeit fördern die Fluglinien die ohnehin hohen Ansprüche ihrer Kundschaft. Denn auch 20 Jahren nach Beginn des Billigflugbooms erwarten Verbraucher bei Flugreisen mehr als bei anderen Einkäufen. Während es bei Autos oder Computern jeder Käufer gewohnt ist, sich aus einem Sammelsurium von Möglichkeiten sein Wunschprodukt zusammen zustellen, tun sich Flugreisende immer noch schwer mit dem Grundsatz, dass zusätzliche Leistungen mehr kosten.
So vermeiden Sie Buchungsfallen
Das rührt zum einen aus der Historie der Branche, wo noch bis in die neunziger Jahre hinein jede Fluglinie zumindest bei der Economy-Klasse innerhalb Europas mehr oder weniger das gleiche bieten musste. Ob Urlauber mit zwei Koffern und Billigticket oder Geschäftsmann mit Handgepäck und Flugschein: "Jeder bekam das Gleiche, egal, was er bezahlt hatte. Und jeder musste für alles zahlen, egal, ob er die Dinge brauchte oder nicht", spottet Germanwings-Chef Thomas Winkelmann.
"Und zu guter Letzt haben wir das, was den Kunden einen Aufpreis wert war – wie Sitze im vorderen Flugzeugteil oder in Reihen mit größerer Beinfreiheit – nach dem Zufallsprinzip verschenkt." Das führte – wie beim Gepäck – zu einem Windhund-Prinzip, wo sich alle freuten, die bessere Plätze und Raum im Gepäckfach erobern konnten.
Der einfachere Weg wäre es, wie alle anderen Branchen für besseren Service zu kassieren. Das klappt erstaunlich gut, wenn es um besseres Essen geht oder wer auf den geräumigeren Stühlen am Notausgang sitzen darf. Vielleicht sollten die Fluglinien auch mal beim Handgepäck versuchen, für zu große Stücke einen Aufpreis zu verlangen. Das verhindert nicht nur das Gedränge an Bord. Wer das System geschickt nutzt und Fallen vermeidet, kann davon profitieren.
5 Wege gegen Buchungsfallen
So sehr das Fernweh auch inspiriert: Auch wer spontan verreist, sollte kurz überlegen, was er braucht.
1. Vor der Buchung überlegen, wieviel Service soll es sein
Denn während der Buchung werben die Airlines geschickt mit Zusatzangeboten. Davon gilt es, sich nicht beirren zu lassen und zu überlegen, ob es etwa beim Shoppingurlaub auf dem Hinflug lohnt, das Sparangebot nur mit Handgepäck zu nutzen. In jedem Fall gilt: Es ist billiger, den Koffer gleich mit dem Flug zu buchen als nachträglich am Airport. Dazu bieten Fluglinien wie Ryanair auch die Möglichkeit, kleinere Koffer mit 15 Kilogramm aufzugeben statt der üblichen Standardgröße von 23 Kilo.
2. Servicepakete prüfen
Viele Airlines wie Germanwings bieten Pakete, wo sie neben dem Koffer auch eine Gratisreservierung für den Sitzplatz anbieten. Das in der Regel billiger als die Bestandteile einzeln zu buchen. Dank der vielen Sonderangebote können auch etablierte Fluglinien am Ende günstiger sein als Billigflieger–Tickets mit Extras.
3. Vorsicht bei Extras anderer Anbieter
Fast alle Fluglinien vermitteln im Laufe der Buchung auch Leistungen anderer Unternehmen wie Versicherungen, Mietwagen oder Hotel. Einige, wie zusätzliche Krankenversicherungen, sind oft überflüssig oder anderswo billiger. Wer sicher sein will, sucht am besten in einem anderen Browserfenster nach Alternativen.
4. Bei der Buchung nicht ablenken lassen
Obwohl es gegen EU-Recht ist, setzen immer noch Fluglinien automatisch Häkchen bei manchen Extras. Darum vor dem Weiterklicken immer genau auf die Seite schauen, ob sich da kein unerbetenes Kreuzchen eingeschlichen hat.
5. Die richtige Buchungsseite nutzen
Vor der Suche auf der Airline-Seite bei neutralen Portalen schauen. Manche wie Kayak bieten auch die Möglichkeit, gezielt nach Tarifen mit bestimmten Extras wie mit oder ohne Gepäck zu suchen.