Doch selbst Grube, der Mehdorn nach dem abgeblasenen Börsengang 2008 und einer Spitzelaffäre 2009 ablöste, änderte an dem Kurs zunächst nichts und erwarb weiter Töchter. Erst der Einbruch im operativen Geschäft seit 2013, verursacht durch die Fernbus-Konkurrenz und notorische Verluste bei der Güterbahn, öffnete dem 64-Jährigen die Augen, dass er die Strategie stoppen muss, will er das Eisenbahngeschäft langfristig nicht aufs Spiel setzen.
Diese Gefahr ist inzwischen beträchtlich. Die Eigenmittel für Investitionen schrumpfen. Das Eisenbahngeschäft aber ist kapitalintensiv, drei Viertel des Kapitals steckt im Schienennetz, in Zügen und Bahnhöfen. Doch dessen Verzinsung sinkt, anstatt zu steigen. „Letzteres ist aber essenziell“, so Grube im Aufsichtsrat.
Ausdruck für die desolate Lage ist der Gewinn, bezogen auf das Kapital, mit dem die Bahn arbeitet. Der betrug im ersten Halbjahr 2015 nur magere fünf Prozent „und liegt damit deutlich unterhalb unserer Kapitalkosten“, sagt Finanzchef Lutz. Das heißt, die Bahn zahlt bei jedem Euro, den sie in neue Züge oder Weichen steckt, drauf.
Das Geschäftsjahr 2014 der Deutschen Bahn
Das Geschäftsjahr 2014 der Deutschen Bahn im Vergleich zum Vorjahr und zur Konzernplanung.
Quelle: PwC, Deutsche Bahn
2014: 79,8 Milliarden Personenkilometer
Veränderung zu...
2013: -0,7 Prozent
Plan: -2,3 Prozent
Quelle: PWC, Deutsche Bahn
2014: 102,8 Milliarden Tonnenkilometer
Veränderung zu...
2013: -1,4 Prozent
Plan: -2,8 Prozent
2014: 39,7 Milliarden Euro
Veränderung zu...
2013: +1,5 Prozent
Plan: k. A.
2014: 26 Prozent
Veränderung zu...
2013: -7,8 Prozent
Plan: -15 Prozent
2014: 1,3 Milliarden Euro
Veränderung zu...
2013: -7,8 Prozent
Plan: -6,2 Prozent
Grubes Pläne kosten Geld, das sie Bahn nicht hat
Gleichzeitig gelang es Grube bislang nicht, die Verschuldung zu drücken und so genügend Mittel für Investitionen in Züge freizuschaufeln. 2015 könnten die Verbindlichkeiten auf den Rekordwert von 18 Milliarden Euro steigen – ein Plus von elf Prozent innerhalb nur eines Jahres.
Wie Grube die ambitionierten Pläne erfüllen will, die er zuletzt präsentierte, ist unklar. So soll sein neuer Super-Eisenbahn-Chef Huber bis 2030 im Fernverkehr eine Leistung von 160 Millionen Zugkilometern pro Jahr schaffen, 25 Prozent mehr als heute. Dafür muss er aber 130 neue ICE-Züge für 5,3 Milliarden Euro in Dienst stellen, weitere könnten folgen. 200 Millionen Euro kostet allein die Renovierung der ICEs der dritten Generation von 2016 an. Außerdem werden 660 Millionen Euro fällig, um alte Intercitys durch Doppelstockzüge zu ersetzen. Mit insgesamt zwölf Milliarden Euro schlägt die Offensive zu Buche, hinzu kommen weitere Milliarden fürs Schienennetz.
Von 2008 bis 2015 verbrannte die Bahn eine halbe Milliarde Euro
An so viel Geld, so Grubes Einsicht, kann die Bahn nur auf drei Wegen gelangen. Entweder sie zapft den Steuerzahler an. Doch der überweist der Bahn bis 2019 schon acht Milliarden Euro mehr als in den letzten fünf Jahren – nicht machbar, auch wenn sich der Betrag teils aus der Bahn-Dividende speist. Oder die Bahn macht mehr Schulden, „was wir definitiv aber nicht vorhaben“, so Lutz.
Damit bleibt dem Bahn-Chef nur, mit der Vergangenheit aufzuräumen. Ein erster Schritt ist die Abschaffung der Zwischenholding DB Mobility Logistics, in die Vorgänger Mehdorn das Transport- und Logistikgeschäft ausgegliedert hatte, um dieses Konstrukt unabhängig vom Schienennetz an die Börse zu bringen. Durch Abschaffung der Zwischenholding spart die Bahn jährlich einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Rückblickend verbrannten Mehdorn und Grube damit von 2008 bis 2015 bis zu eine halbe Milliarde Euro.