Sebastian Striebel ist Chef eines Familienbetriebs, wie es ihn 1000-fach gibt in Deutschland.
Doch für die Deutsche Bahn ist die Wilhelm Bohnert GmbH & Co. KG (Wibo) in Ottenhöfen im Schwarzwald etwas Besonderes. Seit 1926 liefert das Unternehmen Gleisschotter für das Schienennetz, den es in einem nahe gelegenen Steinbruch gewinnt. Dazu lädt Wibo den Schotter in Waggons, die die Bahn dann zu den Gleisbaustellen in ganz Deutschland fährt – eine vorbildhafte Entlastung der Straßen und der Umwelt von schweren Lkws.
Ottenhöfen und 214 weitere Verladestellen aber wollte die Deutsche Bahn nicht mehr anfahren. „Zu wenig Umsatz“, so die Begründung. Dass dies so ist, daran ist der Staatskonzern zu einem Gutteil selbst schuld. Nur noch 30 000 Tonnen Schotter transportierte Wibo-Chef Striebel 2015 über die Schiene ab, vor einigen Jahren war es viermal so viel. Dass er nun mehr auf Lkws setze, liege auch am häufigen Ausbleiben zugesagter Waggons. „Wir bekommen immer wieder Stornos rein“, beschwert sich Striebel über die Güterverkehrssparte der Bahn. Die sei schlicht „nicht zuverlässig“.
Wie die Deutsche Bahn 6,3 Milliarden Euro vergeudet
Umwandlung der Bundes- und der Reichsbahn in die Deutsche Bahn AG mit den Töchtern Fernverkehr, Regionalverkehr, Güterverkehr, Bahnhöfe und Netz.
Hartmut Mehdorn wird neuer Bahn-Chef.
Übernahme von Stinnes Logistik mit der Spedition Schenker. (Kosten: 2,5 Milliarden Euro)
Übernahme des US-Logistikdienstleisters Bax Global. (Kosten: Eine Milliarde Euro)
Ausgliederung des Beförderungs- und Transportgeschäfts in die DB Mobility Logistics AG mit dem Ziel des Börsengangs (wegen der Finanzkrise abgeblasen).
Rüdiger Grube wird neuer Bahn-Chef.
Übernahme des britischen Nahverkehrsanbieters Arriva. (Kosten: 2,8 Milliarden Euro)
Endgültiger Abschied vom Börsengang.
Schenker und Arriva sollen - zunächst in Teilen - wieder verkauft werden.
Das kleine Ottenhöfen steht für das große Scheitern, das Scheitern des Managements der Bahn und letztlich der deutschen Eisenbahnpolitik. 22 Jahre nach ihrer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft steht die Deutsche Bahn wieder am Anfang. Sie fuhr 2015 den ersten Verlust seit zwölf Jahren ein. Qualität und Pünktlichkeit sind unakzeptabel. Mitarbeiter und Kunden waren selten unzufriedener.
Die Politik hat es versäumt, klare Ziele für den Staatskonzern zu definieren. Stattdessen sollte zu Beginn des Jahrtausends der damalige Vorstandschef Hartmut Mehdorn die Bahn börsenfähig machen. Statt ins Schienennetz zu investieren und die Flotte zu modernisieren, kaufte der für Milliarden Logistikfirmen. Nachfolger Rüdiger Grube werkelte ähnlich weiter. Auch er kaufte zu, während der Schienengüterverkehr dahinsiechte und die Fernbusse immer mehr Passagiere zum Umsteigen animierten.
Allmählich erkennen Politiker, dass nur eine Neuausrichtung der Verkehrspolitik die Bahn wieder in die Spur bringen kann. „Das Parlament ist nicht mehr bereit, den Kurs mitzutragen“, sagt Martin Burkert (SPD), Vorsitzender des Verkehrsausschusses. Denkbar sei eine Grundgesetzänderung, um die „Daseinsfürsorge im Fernverkehr und im Güterverkehr“ festzuschreiben.
Dazu müssten die Verantwortlichen aber grundlegende Fehler im System beseitigen.