Deutsche Bahn Alexander Dobrindt fordert mehr Gemeinwohl

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Die schwere Krise der Bahn

Die Deutsche Bahn steckt in ihrer schwersten Krise. Die Sanierung der Güterbahn kommt nur schleppend voran und neue Wettbewerber im Nah- und Fernverkehr drücken Marktanteile und Gewinn. Die Sparpreise in den ICE- und Intercity-Zügen als Reaktion auf die Fernbusse haben zwar den Umsatz im Fernverkehr um drei Prozent erhöht. Doch das ging zulasten der Profitabilität.

Es rächt sich heute, dass der Bund die Bahn viel zu lange Zeit einfach hat machen lassen. Das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 droht aus den Fugen zu geraten. Dann kaufte der Konzern unter Grubes Ägide den Bus- und Bahnbetreiber Arriva für drei Milliarden Euro, der aber noch nie seine Kapitalkosten verdient hat. Außerdem liegt die Profitabilität von Arriva, „deutlich unter der der meisten Wettbewerber“, sagt Christian Böttger, Experte für Verkehrswesen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Nun sollen Teil der Tochter wieder verkauft werden.

Doch der Börsengang wackelt, nachdem die Briten sich in einem Referendum für den Austritt aus der Europäischen Union ausgesprochen haben. Der Brexit werde Folgen auf die Wirtschaft in Großbritannien haben, heißt es bei der Bahn. „Und die könnten auch unsere Konzerntochter Arriva treffen“, sagt Grube. „Das müssen wir im Kopf haben, wenn wir über einen Teilverkauf von Arriva nachdenken.“ Soll heißen: Der Börsengang könne verschoben werden oder gleich ganz ausfallen.

Das wäre ein Desaster. Die geplante Eindämmung des Defizits wäre dahin. 17,5 Milliarden Euro Netto-Schulden standen Ende 2015 in den Büchern des Konzerns. Grube wollte über den Teilverkauf von Schenker und Arriva die Verschuldung zumindest bei 19 Milliarden Euro deckeln. Kommt es anders, wäre das Ziel nicht mehr haltbar.

Auch für die Politik ist die Lage bei der Deutschen Bahn heikel. Im kommenden Jahr ist Bundestagswahl. Wenn die Deutsche Bahn derart ihre Ziele verfehlt, dann sind die verantwortlichen Politiker klug beraten, wenn sie nicht mehr den wirtschaftlichen Erfolg in den Vordergrund stellen, sondern das Gemeinwohl. Dobrindt müsste sich nicht so sehr für die desolate Lage bei der Bahn rechtfertigen.

Drei Ziele für Grube

Der Minister hat dem Bahnchef deshalb drei Ziele ins Stammbuch geschrieben, die leichter zu erreichen sind.

Erstens: Statt Gewinnmaximierung heißt es nun: Keine Verluste schreiben. Da Sonderabschreibungen wie im vergangenen Jahr nicht zu erwarten sind, gilt das Ziel als sicher.

Zweitens: Die Bahn muss die Pünktlichkeit der Züge verbessern. Auch das scheint erreichbar, denn die Bahn hat gerade erst eine Vielzahl von Baustellen abgemeldet, um die Stabilität im Schienennetz zu erhöhen.

Drittens: Das Unternehmen muss die Digitalisierung weiter vorantreiben. Noch in diesem Jahr sollen alle ICE-Züge mit neuen Repeatern für besseren Mobilfunkempfang und WLAN im Zug ausgerüstet werden. Ein Vertrag mit einem schwedischen Ausrüster ist unterschrieben. Das Ziel scheint realistisch.

Das sind die größten Regional-Konkurrenten der Bahn
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Grube hat es somit selber in der Hand, dass sein bis Ende 2017 laufender Vertrag noch einmal um zwei Jahre verlängert wird. Bis Ende des Jahres muss der Bund ihm Bescheid geben. Noch stehe die Entscheidung dazu nicht an, heißt es aus dem Bundesverkehrsministerium. Doch wenn Grube die Bahn verlustfrei, pünktlich und digital macht, spricht wenig gegen eine Vertragsverlängerung. Grube, der in einer Woche 65 Jahre alt wird, könnte dann bis 68 weiter machen.

Dobrindt käme das entgegen. Denn so könnte er sich zunächst vor einer unangenehmen Personaldebatte drücken. Denn wer könnte Grube als Bahnchef nachfolgen? Der bisherige Vize Volker Kefer hört bald auf, er fällt also weg. Ronald Pofalla (CDU) wäre der nächste heiß diskutierte Kandidat im Vorstand. Kurz vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 wäre eine Debatte um die Nachfolge Grubes nicht gerade das, was sich Dobrindt als Verkehrsminister wünscht.

Weniger Gewinn, mehr Gemeinwohl – die von Dobrindt neu formulierten Ziele für die Deutsche Bahn sind deshalb auch Selbstschutz im besten Sinne.

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