Deutsche Bahn Die größten Baustellen des Konzerns

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Fehler 1: Unklare politische Vorgaben

Die Entwicklung bei der Bahn dürfe „keine Fortsetzung haben“, sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) im April. Doch klare politische Vorgaben für den Staatskonzern sind nicht erkennbar. Nur die Vertragsverlängerung für den Bahn-Chef über das Jahr 2017 hinaus wackelt.

Mal Schnecke, mal Windhund
Die Tabellen zeigen die schnellsten Verbindungen im Stundentakt (auf einzelnen Strecken verkehren dazwischen noch andere Fernzüge, die aber in der Regel langsamer sind).Quelle: Deutsche Bahn; Stand: 9.10.2013 Quelle: obs
Entfernung bis 100 km.
Entfernung bis 200 km. * Durchschnittswert
Entfernung bis 300 km. ** wegen Hochwasserschäden bis 4. November 2:09 Std.
Mehr als 300 km.

„Die Politik steuert die Deutsche Bahn nur mangelhaft“, sagt Christian Böttger, Experte für Verkehrswesen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Die Bundesregierung müsste als Eigentümerin vorgeben, welche Bahn sie sich wünscht: Eine möglichst kleine und profitable? Oder eine, die einen großen Beitrag zum Umweltschutz leistet, indem sie möglichst flächendeckend unterwegs ist?

Die Legitimation dazu hat die Politik. Immerhin hat der Steuerzahler seit dem Jahr 2000 mehr als 70 Milliarden Euro in den Erhalt sowie den Neubau des Schienennetzes gesteckt. Andernfalls hätte die Bahn nur Miese gemacht, da ihre Einnahmen durch den Fahrbetrieb nie und nimmer ausreichen, die Kosten des Netzes zu erwirtschaften. Für die Milliardenzuschüsse könnte die Politik etwa ein Qualitäts- und Pünktlichkeitsniveau vorschreiben, wie dies in Ansätzen im Personennahverkehr geschieht. Doch statt mit Steuergeldern Züge und Gleise auf Vordermann zu bringen, hat die Deutsche Bahn „in den vergangenen Jahren ihre Freiräume in der Unternehmensentwicklung zum Ausbau bahnferner Sparten genutzt“, sagt Böttger. Folge: Güter rollen auf der Straße und immer weniger auf der Schiene. Der Marktanteil der Güterbahnen in Deutschland verharrt bei 17 Prozent.

Die größten Pannen der Deutschen Bahn
Juli 2015Wegen der großen Hitze sind die Luftkühlungen mehrerer IC-Züge ausgefallen. Anders als im Sommer 2010 reagierte die Bahn diesmal schnell: Sie stellte für die besonders betroffene Linie Berlin-Amsterdam zwei Ersatzzüge bereit. Sie sollen eingesetzt werden, wenn die Luftkühlung in anderen IC auf der Strecke versagt, wie ein Sprecher mitteilte. Außerdem wurden in Osnabrück mehrere Busse stationiert. Dort mussten insgesamt mehrere Hundert Fahrgäste in nachfolgende Züge umsteigen, weil in ihren Zügen die Klimaanlage ausgefallen war. Es habe aber kein Fahrgast gesundheitliche Probleme bekommen, so der Sprecher. Bei etwa einem Dutzend älterer Intercitys auf der Linie Berlin-Amsterdam hatten die Klimaanlagen ihre Arbeit eingestellt. Quelle: dpa
Oktober 2014Ein Warnhinweis sorgt für Lacher, Spott und eine Entschuldigung der Deutschen Bahn: „Cannstatter Wasen: Es ist mit Verspätungen, überfüllten Zügen und verhaltensgestörten Personen zu rechnen“ ist am Samstag auf den Anzeigetafeln an mehreren Bahnhöfen in der Region Stuttgart zu lesen gewesen, wo das Volksfest an seinem letzten Wochenende in diesem Jahr wieder Tausende Besucher anlockte. „Wir entschuldigen uns dafür“, sagte eine Bahn-Sprecherin am Sonntag und bestätigte Online-Berichte der „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Stuttgarter Zeitung“. Ein Mitarbeiter habe den Text entgegen aller Vorgaben verfasst. Er werde Anfang der Woche zum Rapport bestellt. Dann solle auch der gesamte Vorgang aufgeklärt werden. Quelle: dpa
August 2013Ein ungewöhnlich hoher Krankenstand in der Urlaubszeit sorgte im August 2013 für ein Fahrplanchaos am Mainzer Hauptbahnhof - und für massiven Ärger bei den Fahrgästen. Die Deutsche Bahn hat für das Chaos am Mainzer Hauptbahnhof wegen massiver Personalprobleme auf Facebook um Entschuldigung gebeten. „Für die derzeitigen Einschränkungen möchte ich mich entschuldigen“, antwortete ein Mitarbeiter in dem Sozialen Netzwerk auf Beschwerden einer Nutzerin. Die Situation sei „wahrlich nicht schön“. Quelle: dpa
August 2013Um dem Problem der häufig verstopften und verdreckten Zugtoiletten Herr zu werden, setzt die Bahn ab sofort neue Reinigungskräfte, sogenannte Unterwegsreiniger, in ICE-Zügen ein. Die Reinigungskolonne, die auf der Fahrt die Toiletten putzt, wird um 50 Beschäftigte auf 250 aufgestockt, wie der Vorstandsvorsitzende DB Fernverkehr, Berthold Huber, ankündigte. Die Mitarbeiter sollen zugleich stärker entsprechend der Zugauslastung eingesetzt werden. Damit würden die Toiletten in besonders gefragten Bahnen mindestens zweimal und damit doppelt so oft auf der Fahrt gereinigt wie bisher. Der Fahrgastverband Pro Bahn und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) lobten die Initiative, wiesen aber zugleich auf andere Probleme hin. „Neben den kaputten oder dreckigen Toiletten gibt es tagtägliche Kundenbeschwerden vor allem über die Klimaanlagen und Verspätungen“, sagte Pro-Bahn-Bundessprecher Gerd Aschoff. Und das sind nicht die einzigen Pannen der Deutschen Bahn... Quelle: dpa
November 2011Nach der persönlichen Anmeldung im neuen elektronischen Ticketsystem „Touch & Travel“ waren für nachfolgende Nutzer die Kundendaten sichtbar. Quelle: dpa
Juli 2010Am einem Wochenende fallen in mehreren ICE-Zügen die Klimaanlagen aus. Fahrgäste kollabierten, Schüler mussten dehydriert ins Krankenhaus eingeliefert werden. Im Zuge der Panne wurde bekannt, dass die Klimaanlagen der Bahn nur bis 32 Grad funktionieren. Damals fielen in Dutzenden Zügen die Klimaanlagen aus. Quelle: dpa
April 2010 - ICE verliert TürBei voller Fahrt verliert ein ICE auf dem Weg von Amsterdam nach Basel eine Tür. Das Stahlteil schlägt in einen entgegenkommenden ICE ein. Auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Frankfurt und Köln werden sechs Menschen leicht verletzt. Ursache für den Unfall ist eine lose Stellmutter an der Verriegelung. Foto: dpa

Wie ein Mahnmal für diese Fehlentwicklung steht Reutlingen. Die Stadt am Rand der Schwäbischen Alb verfügte einst über einen Güterbahnhof mit 17 Gleisen. Doch die Bahn baute vor acht Jahren das letzte Gleis ab. Stattdessen sollten dort Hotels, Geschäfte und Wohnungen entstehen. Die Stadt klagte gegen die Bahn und kaufte das Areal 2010 zurück. Zurzeit planen die Schwaben auf dem Gelände ein Logistikzentrum – mit neuem Gleisanschluss. Es sei „paradox“, dass „die Stadt gegen die Bahn für die Schiene gekämpft hat“, sagt Oberbürgermeisterin Barbara Bosch.

Wie politische Vorgaben für die Bahn aussehen könnten, zeigt die Schweiz. Deren Bewohner haben die Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf die Schiene in die Verfassung geschrieben. Deshalb zahlt jeder Schweizer 351 Euro pro Kopf für das Schienennetz, rund siebenmal so viel wie ein Deutscher. Mit Bravour haben die Schweizer etwa die 57 Kilometer Gotthard-Basistunnel durch die Alpen fertiggestellt, früher als geplant und im Kostenrahmen. Der Marktanteil der Schiene am alpenquerenden Güterverkehr beträgt 69 Prozent.

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