Die Entwicklung bei der Bahn dürfe „keine Fortsetzung haben“, sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) im April. Doch klare politische Vorgaben für den Staatskonzern sind nicht erkennbar. Nur die Vertragsverlängerung für den Bahn-Chef über das Jahr 2017 hinaus wackelt.
„Die Politik steuert die Deutsche Bahn nur mangelhaft“, sagt Christian Böttger, Experte für Verkehrswesen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Die Bundesregierung müsste als Eigentümerin vorgeben, welche Bahn sie sich wünscht: Eine möglichst kleine und profitable? Oder eine, die einen großen Beitrag zum Umweltschutz leistet, indem sie möglichst flächendeckend unterwegs ist?
Die Legitimation dazu hat die Politik. Immerhin hat der Steuerzahler seit dem Jahr 2000 mehr als 70 Milliarden Euro in den Erhalt sowie den Neubau des Schienennetzes gesteckt. Andernfalls hätte die Bahn nur Miese gemacht, da ihre Einnahmen durch den Fahrbetrieb nie und nimmer ausreichen, die Kosten des Netzes zu erwirtschaften. Für die Milliardenzuschüsse könnte die Politik etwa ein Qualitäts- und Pünktlichkeitsniveau vorschreiben, wie dies in Ansätzen im Personennahverkehr geschieht. Doch statt mit Steuergeldern Züge und Gleise auf Vordermann zu bringen, hat die Deutsche Bahn „in den vergangenen Jahren ihre Freiräume in der Unternehmensentwicklung zum Ausbau bahnferner Sparten genutzt“, sagt Böttger. Folge: Güter rollen auf der Straße und immer weniger auf der Schiene. Der Marktanteil der Güterbahnen in Deutschland verharrt bei 17 Prozent.
Wie ein Mahnmal für diese Fehlentwicklung steht Reutlingen. Die Stadt am Rand der Schwäbischen Alb verfügte einst über einen Güterbahnhof mit 17 Gleisen. Doch die Bahn baute vor acht Jahren das letzte Gleis ab. Stattdessen sollten dort Hotels, Geschäfte und Wohnungen entstehen. Die Stadt klagte gegen die Bahn und kaufte das Areal 2010 zurück. Zurzeit planen die Schwaben auf dem Gelände ein Logistikzentrum – mit neuem Gleisanschluss. Es sei „paradox“, dass „die Stadt gegen die Bahn für die Schiene gekämpft hat“, sagt Oberbürgermeisterin Barbara Bosch.
Wie politische Vorgaben für die Bahn aussehen könnten, zeigt die Schweiz. Deren Bewohner haben die Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf die Schiene in die Verfassung geschrieben. Deshalb zahlt jeder Schweizer 351 Euro pro Kopf für das Schienennetz, rund siebenmal so viel wie ein Deutscher. Mit Bravour haben die Schweizer etwa die 57 Kilometer Gotthard-Basistunnel durch die Alpen fertiggestellt, früher als geplant und im Kostenrahmen. Der Marktanteil der Schiene am alpenquerenden Güterverkehr beträgt 69 Prozent.