Deutsche Bahn Mehr Passagiere, mehr Pünktlichkeit, mehr Wettbewerb

Die Trassen- und Stationspreise für den Bahn-Fernverkehr sollen deutlich steigen. Gegen das geplante Gesetz wehrt sich das Management der Deutschen Bahn, denn Bahnchef Grube will mehr Pünktlichkeit und Passagierrekorde.

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Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, Rüdiger Grube, Quelle: dpa

Bahn-Chef Rüdiger Grube hat für das Jahr 2016 einen Passagierrekord angekündigt. Das Unternehmen habe von Januar bis Ende Mai einen Anstieg der Kundenzahlen um zehn Prozent auf 54,7 Millionen verzeichnet, sagte Grube der „Bild am Sonntag“. „So viele Menschen sind noch nie mit ICE und IC gefahren“, so Grube weiter. Ihren bisherigen Passagierrekord von 132 Millionen Reisenden werde die Bahn 2016 übertreffen. Gleichzeitig formulierte Grube ein klares Pünktlichkeitsziel: „In diesem Jahr müssen mindestens 80 Prozent aller Fernzüge pünktlich sein, mittelfristig sogar 85 Prozent.“

Was nach außen so optimistisch klingt, wird intern offenbar mit Skepsis gesehen. Die Deutsche Bahn fürchtet im Fernverkehr mit ICE und Intercity um ihre Konkurrenzfähigkeit, wenn die Trassenpreise für die Streckennutzung weiter steigen sollten. Es sei dann sogar möglich, dass Verbindungen gestrichen werden müssten, heißt es in einem internen Schreiben des Managements, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Hintergrund ist ein geplantes Gesetz für mehr Wettbewerb bei der Eisenbahn, über das der Bundestag voraussichtlich am kommenden Donnerstag abstimmen wird. Darin soll nach jüngstem Stand auch festgelegt werden, dass der Personenfernverkehr auf der Schiene bei künftigen Erhöhungen der Trassen- und Bahnhofsgebühren einen größeren Anteil zu tragen hat als der Regionalverkehr. Nach Berechnungen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) würde das für den Fernverkehr zu einer Mehrbelastung von 2,3 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 führen.

In dem Brief vom 13. Juni 2016, der an die Bahntochter DB Netz gerichtet ist, warnt die Vorstandschefin von DB Fernverkehr, Birgit Bohle, vor den Folgen: „Für die absehbare Zukunft sind aus dem Segment Schienenpersonenfernverkehr Trassenpreissteigerungen nicht mehr abzudecken, ohne signifikante Bereiche des Netzes in die Unwirtschaftlichkeit (und damit außerhalb der Tragfähigkeit) zu führen“, heißt es darin. „Es müsste dann - in vielen Fällen trotz steigender Reisendenzahlen - eine Einstellung von Verkehren erwogen werden.“

Bohle wies darauf hin, dass es dem Zugverkehr schon seit längerer Zeit kaum mehr gelinge, „Kostensteigerungen an den Markt weiterzugeben“. Dadurch sei die Wirtschaftlichkeit „vor allem in den Randbereichen des Netzwerks“ an einen kritischen Punkt gekommen.

Die Deutsche Bahn hatte zuletzt mehr Fahrgäste in ihre ICE und IC gelockt, vor allem mit Sonderangeboten wie dem 19-Euro-Ticket. Zwischen Januar und Mai diesen Jahres waren es nach Angaben eines Bahn-Sprechers 54,7 Millionen Passagiere - also zehn Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Zugleich kamen aber auch mehr Züge verspätet ans Ziel. Der bundeseigene Konzern hatte im vergangenen Jahr angekündigt, bis 2030 insgesamt 25 Orte ins Intercity-Netz aufzunehmen und alle zwei Stunden anzufahren. So könnten fünf Millionen potenzielle Kunden zusätzlich erreicht werden, hieß es.

Wo Kunden zufrieden sind – und wo nicht
Pünktlichkeit: Jeder fünfte ICE kam 2015 mindestens sechs Minuten zu spät an. Die Leistungen entsprechen nicht annähernd den Zielen der Deutschen Bahn. Sie will in diesem Jahr eine Pünktlichkeitsquote von 80 Prozent erreichen, langfristig sogar auf 85 Prozent hoch kommen. Die Tendenz 2016 bleibt jedoch weiter schwach. Im Januar lag die Pünktlichkeitsquote bei 77 Prozent. Quelle: AP
Preise: Die Zeiten der jährlichen Preiserhöhung wegen „gestiegener Energie- und Personalkosten“ sind vorbei. Zumindest im Fernverkehr blieben die Preise seit zwei Jahren stabil - den Fernbussen sei Dank. 19-Euro-Sparpreise locken inzwischen selbst Schüler und Studenten. Die neue Devise des Vorstands: lieber volle Züge statt leerer Kassen. Preislich ist die Bahn inzwischen wettbewerbsfähig. Quelle: dpa
ICE-Restaurant: Leider ist die Küche zu oft kaputt. Mal bleiben die Getränke warm oder der Kaffee kalt. Mitunter fehlen die angepriesenen Snacks wegen schlechter Logistik. Dennoch: Wenn es läuft, dann ist ein Sitz im ICE-Restaurant der schönste Platz im Zug – gerne auch bei einem der guten Weine.Urheber: Volker Emersleben // Deutsche Bahn AG
WLAN: In der zweiten Klasse eines ICE ist WLAN noch immer nicht kostenlos und in der ersten Klasse funktioniert der Download alles andere als einwandfrei. Als 2010 zahlreiche ICE grundsaniert wurden, verzichtete das Unternehmen sogar auf den Einbau der WLAN-Technik. So viel Behäbigkeit wird nun bestraft. Die Fernbusse machen der Bahn in Sachen WLAN was vor. Erst Ende 2016 soll es auch im ICE besser werden. Viel zu spät. Quelle: dpa
Information: Schon mal in Bielefeld am Bahnhof gewesen? Seit Jahren fallen die Anzeigentafeln immer wieder aus. Bielefeld gibt es leider auch anderswo. Und wenn die Anzeigen am Bahnsteig funktionieren, dann korrespondieren sie oft nicht mit den Informationen der Bahn-Apps. In den Zügen sollte die Bahn mal ihre Durchsagen auf Relevanz überprüfen. Immerhin am Bahnsteig soll es bald Entwirrung geben. Die Bahn will Multi-Zug-Anzeigen einsetzen: mit drei Zügen auf dem Display. Das klingt gut. 40 von insgesamt 120 Fernbahnhöfen sind bereits umgerüstet. Quelle: dpa
Apps: Nicht jede Frage an @DB_Bahn beantwortet das Twitter-Team zwar zu voller Zufriedenheit. Dennoch zeigen die Twitterer der Deutschen Bahn, wie schnell und effektiv ein Konzern mit seinen Kunden kommunizieren kann. Eine starke Leistung. Auch der DB Navigator bietet echten Mehrwert. Die Deutsche Bahn beweist mit ihren Apps, dass auch traditionelle Konzerne digitale Maßstände setzen können.   Quelle: dpa
Lounges: Ein großzügiger Service für Vielfahrer: kostenloser Kaffee, Tee, Wasser und Softdrinks. In der ersten Klasse erhalten Fahrgäste auch Bier, Wein und Snacks. Leider ist die zweite Klasse oft zu voll. Die Deutsche Bahn prüft den Aufbau zusätzlicher Lounges in ein bis zwei Städten. Quelle: dpa

Die EVG hat für Montag vor dem Bundesverkehrsministerium in Berlin eine Protestkundgebung gegen die Pläne der Bundesregierung angekündigt. Sie befürchtet auch den Verlust von Arbeitsplätzen. Die Gewerkschaft fordert statt einer Erhöhung eine Senkung der Trassenpreise. Nur so könne die Bahnbetreiber im Wettbewerb mit dem Straßen- und Luftverkehr bestehen.

Die Deutsche Bahn betreibt das gut 33.000 Kilometer lange Schienennetz und stellt dafür allen Anbietern Gebühren in Rechnung - auch den eigenen Nahverkehrs- und Fernzügen. Der Regionalverkehr wird von den Bundesländern bestellt, einen Großteil der Kosten übernimmt der Bund. Den Fernverkehr betreibt die Bahn in eigener Verantwortung.

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