Deutsche Bahn Wettbewerber fordern zwei Bahnchefs

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Unabhängige Netzsparte könnte neue Wettbewerber locken

Zwar hat sich die Situation in Deutschland deutlich verbessert. Direkte Diskriminierung gibt es heutzutage kaum. So gab es Zeiten, als die Deutsche Bahn sich weigerte, im ICE die Umstiegsmöglichkeiten für Fernreisende in Züge des konkurrierenden Nahverkehr durchzusagen.

Diese Zeiten unter der Ära von Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn sind vorbei. Die Bundesnetzagentur wacht seit Jahren darüber, dass die Deutsche Bahn in ihrer Rolle als Konkurrent und gleichzeitig Infrastukturbetreiber fair spielt. Und eigentlich macht die Behörde sogar eine ordentlichen Job. Doch die Aufgabe des Watchdogs ist immer eine Second-Best-Lösung.

Das sind die größten Baustellen der Bahn
Erst vor wenigen Tagen hat die Bahn den neuen ICE 4 vorgestellt – und sich im Fernverkehr Einiges vorgenommen. Um 25 Prozent soll das Angebot bis 2030 ausgebaut, fünfzig Millionen neue Fahrgäste gewonnen werden. Tatsächlich schafft es die Bahn mit ihrer Preisoffensive, etwa mit den 19-Euro-Tickets, mehr Fahrgäste in die Züge zu locken. Aber die Rendite leidet. Quelle: dpa
Der Güterverkehr der Bahn ist ein Sanierungsfall. Zwar verbesserte sich das Ergebnis von DB Cargo im ersten Halbjahr 2016, aber die Sparte ist defizitär– und das schon seit Jahren. Zwischen 2007 und 2015 stagnierte die Verkehrsleistung, und das in einer boomenden Wirtschaft. Private Anbieter, auch auf der Straße, machen der Bahn zunehmend Konkurrenz. Quelle: dpa
174,63 Millionen Minuten haben die Personen- und Güterzüge der Bahn 2015 an Verspätungen eingefahren. Hauptursache ist die wachsende Zahl von Baustellen. Zwar schneidet die Bahn im ersten Halbjahr 2016 besser ab. Aber: Das Bemühen um pünktliche Züge ist laut Bahnchef Grube „mit großen Kraftanstrengungen verbunden“. Quelle: picture-alliance/ dpa
Die Bahn investiert viel Geld in die Infrastruktur: Gut 5,2 Milliarden Euro flossen 2015 etwa in die Instandhaltung von Schienenwegen und Brücken. Doch es hapert bei der Koordinierung der vielen Baustellen. Und so verursacht die von Konzernchef Grube gefeierte „größte Modernisierungsoffensive in der Bahn-Geschichte“ vor allem eines: Verspätungen. Quelle: dpa
Die Bahn braucht Geld, um den Schuldenanstieg zu bremsen. Geplant war deshalb ein Verkauf von maximal 40 Prozent der britischen Tochter Arriva und des Transport- und Logistikkonzerns DB Schenker. Arriva sollte im zweiten Quartal 2017 an der Londoner Börse starten, Schenker danach in Frankfurt. Doch die Pläne sind jetzt vom Tisch. Quelle: picture alliance/dpa
Bahnchef Grube feierte kürzlich die Grundsteinlegung für den Stuttgarter Tiefbahnhof, aber das Großprojekt bleibt umstritten. Beim Volksentscheid 2011 war noch von 4,5 Milliarden Euro Kosten die Rede. Der Bundesrechnungshof hält nun offenbar zehn Milliarden Euro für möglich, Grube selbst spricht von 6,5 Milliarden Euro. Quelle: AFP

Denn es gibt auch indirekte Diskriminierung. Allein die Tatsache, dass die Wettbewerber nie wissen, ob DB Netz sämtliche Schritte zugunsten der Wettbewerber ergreifen, empfinden viele Unternehmen als Nachteil.

Vorstandsentscheidungen auf Konzernebene werden immer insgeheim berücksichtigen, dass die eigenen Transportunternehmen nicht zu stark geschädigt würden. Eine unabhängige Netzsparte hingegen könnte versuchen, neue Wettbewerber im Fernverkehr nach Deutschland zu locken. In der jetzigen Struktur ist das unwahrscheinlich.

Die Kritiker fordern deshalb in dem Brief dazu auf, dass die Politik die Chance für einen Neuanfang ergreift. „Die derzeitige Situation, dass der Finanzvorstand den Vorsitz im Konzernvorstand innehat, kann durchaus ein sinnvoller Übergangszustand sein, bis eine Konzernstruktur gefunden ist, die auf Dauer tragfähig und sinnvoll ist“, heißt es darin.

Sehr wahrscheinlich ist das zwar nicht. Die große Koalition hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie die derzeitige Struktur nicht antasten will. Auch die Europäische Kommission ist keine Hilfe,  da sie integrierte Konzerne ausdrücklich erlaubt. Aber im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn gibt es auch Kritiker der jetzigen Konzernstruktur. Und vielleicht hallen die Worte noch nach. Im September dieses Jahres ist Bundestagswahl – und dann gibt es noch einmal die Möglichkeit, ganz neu zu denken.

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