Deutsche Bahn und EVG Ringen um neuartiges Tarifsystem

Gut ein Jahr nach Ende des vergangenen, schweren Tarifkonflikts verhandelt die Bahn wieder mit beiden Gewerkschaften im Staatskonzern. Die Eisenbahn- und Verkehrsgesellschaft fordert nun neue Wahlrechte.

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Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG verhandelt mit der Deutschen Bahn. Quelle: dpa

Zum Auftakt der neuen Tarifrunde mit der Bahn hat die Eisenbahn- und Verkehrsgesellschaft (EVG) ihre Forderung nach einem neuartigen Tarifsystem für die rund 100 000 Beschäftigten unterstrichen. Die EVG fordere nicht nur 4,5 Prozent mehr Gehalt, sondern erstmals ein Wahlrecht für die Mitglieder, sagte Verhandlungsführerin Regina Rusch-Ziemba am Montag in Frankfurt. Sie sollten entscheiden können, ob sie sechs Tage mehr Urlaub im Jahr, eine Stunde weniger Wochenarbeitszeit oder weitere 2,5 Prozent mehr Geld haben wollen. „Das ist einmalig und zeitgemäß“, sagte sie.

Ziel der Verhandlungen seien nicht die Bahn-Kunden, erklärte Rusch-Ziemba. „Wir wollen jetzt nicht in den Arbeitskampfmodus gehen.“ Bis Weihnachten seien drei Gesprächsrunden angesetzt. „Spätestens dann sollten wir Klarheit darüber haben, ob wir ein Ergebnis am Verhandlungstisch erzielen können.“ Streiks schloss sie indes nicht aus. „Wenn nötig sind wir zu allem entschlossen.“

Die Deutsche Bahn werde die Forderungen bis zum nächsten Verhandlungstermin am 9. November auf Machbarkeit für den Bahnbetrieb prüfen und im Einzelnen bewerten, teilte der Konzern nach ersten Gesprächen am Nachmittag mit. „Kunden- und Mitarbeiterinteressen in Einklang mit der wirtschaftlichen Lage zu bringen, ist unsere Verantwortung am Verhandlungstisch“, sagte Personalvorstand Ulrich Weber.

Wo Kunden zufrieden sind – und wo nicht
Pünktlichkeit: Jeder fünfte ICE kam 2015 mindestens sechs Minuten zu spät an. Die Leistungen entsprechen nicht annähernd den Zielen der Deutschen Bahn. Sie will in diesem Jahr eine Pünktlichkeitsquote von 80 Prozent erreichen, langfristig sogar auf 85 Prozent hoch kommen. Die Tendenz 2016 bleibt jedoch weiter schwach. Im Januar lag die Pünktlichkeitsquote bei 77 Prozent. Quelle: AP
Preise: Die Zeiten der jährlichen Preiserhöhung wegen „gestiegener Energie- und Personalkosten“ sind vorbei. Zumindest im Fernverkehr blieben die Preise seit zwei Jahren stabil - den Fernbussen sei Dank. 19-Euro-Sparpreise locken inzwischen selbst Schüler und Studenten. Die neue Devise des Vorstands: lieber volle Züge statt leerer Kassen. Preislich ist die Bahn inzwischen wettbewerbsfähig. Quelle: dpa
ICE-Restaurant: Leider ist die Küche zu oft kaputt. Mal bleiben die Getränke warm oder der Kaffee kalt. Mitunter fehlen die angepriesenen Snacks wegen schlechter Logistik. Dennoch: Wenn es läuft, dann ist ein Sitz im ICE-Restaurant der schönste Platz im Zug – gerne auch bei einem der guten Weine.Urheber: Volker Emersleben // Deutsche Bahn AG
WLAN: In der zweiten Klasse eines ICE ist WLAN noch immer nicht kostenlos und in der ersten Klasse funktioniert der Download alles andere als einwandfrei. Als 2010 zahlreiche ICE grundsaniert wurden, verzichtete das Unternehmen sogar auf den Einbau der WLAN-Technik. So viel Behäbigkeit wird nun bestraft. Die Fernbusse machen der Bahn in Sachen WLAN was vor. Erst Ende 2016 soll es auch im ICE besser werden. Viel zu spät. Quelle: dpa
Information: Schon mal in Bielefeld am Bahnhof gewesen? Seit Jahren fallen die Anzeigentafeln immer wieder aus. Bielefeld gibt es leider auch anderswo. Und wenn die Anzeigen am Bahnsteig funktionieren, dann korrespondieren sie oft nicht mit den Informationen der Bahn-Apps. In den Zügen sollte die Bahn mal ihre Durchsagen auf Relevanz überprüfen. Immerhin am Bahnsteig soll es bald Entwirrung geben. Die Bahn will Multi-Zug-Anzeigen einsetzen: mit drei Zügen auf dem Display. Das klingt gut. 40 von insgesamt 120 Fernbahnhöfen sind bereits umgerüstet. Quelle: dpa
Apps: Nicht jede Frage an @DB_Bahn beantwortet das Twitter-Team zwar zu voller Zufriedenheit. Dennoch zeigen die Twitterer der Deutschen Bahn, wie schnell und effektiv ein Konzern mit seinen Kunden kommunizieren kann. Eine starke Leistung. Auch der DB Navigator bietet echten Mehrwert. Die Deutsche Bahn beweist mit ihren Apps, dass auch traditionelle Konzerne digitale Maßstände setzen können.   Quelle: dpa
Lounges: Ein großzügiger Service für Vielfahrer: kostenloser Kaffee, Tee, Wasser und Softdrinks. In der ersten Klasse erhalten Fahrgäste auch Bier, Wein und Snacks. Leider ist die zweite Klasse oft zu voll. Die Deutsche Bahn prüft den Aufbau zusätzlicher Lounges in ein bis zwei Städten. Quelle: dpa

Die EVG erklärte, sie erwarte schon bei der nächsten Verhandlungsrunde in Berlin konkrete Vorschläge der Bahn. Auch wenn der Konzern versucht habe, den Eindruck zu erwecken, dass die wirtschaftliche Lage der Bahn nur wenig Verteilungsspielräume biete, rücke die Gewerkschaft keinesfalls von ihrer Forderung ab.

Parallel verhandelt die Bahn seit etwa einer Woche mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Während sie auf das Zugpersonal beschränkt ist, vertritt die EVG alle Beschäftigtengruppen. Beide Gewerkschaften konkurrieren beim Zugpersonal. Das hatte die letzte Tarifrunde so kompliziert gemacht. Mit neun Streiks der GDL war es der härteste Tarifkonflikt in der Geschichte der Bahn. Wie schon 2015 muss sie nun wieder getrennte Verhandlungen führen, will aber inhaltsgleiche Tarifverträge abschließen.

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