Die WLAN-Offensive der Deutschen Bahn kam überraschend. Am Dienstag kündigte der Konzern an, dass Reisende pro Tag 30 Minuten lang kostenlos per WLAN ins Internet gehen können. Das Angebot gilt an mehr als 100 Bahnhöfen. Die Bahn arbeitet mit der Deutschen Telekom zusammen, die die Infrastruktur zur Verfügung stellt.
Die WLAN-HotSpots "decken große Teile der öffentlichen Bereiche der Bahnhöfe ab", heißt es vollmundig in der Pressemitteilung. Doch wer sich oft in öffentliche WLAN-Netze einloggt, weiß, dass die HotSpots oft nur ein Umfeld von zehn bis 30 Meter abdecken. Der Hinweis, dass das WLAN "insbesondere im Umfeld von öffentlichen Telefonen" funktioniere, macht daher besonders skeptisch. Ist doch alles nur ein PR-Gag, der den Praxistest nicht besteht, weil WLAN nicht im gesamten Bahnhofsbereich zur Verfügung steht?
Die WirtschaftsWoche hat verschiedene Bahnhöfe in einem Schnelltest unter die Lupe genommen. Ist Surfen auf den Bahnsteigen möglich? Gelingt das Einloggen problemlos? Wie schnell lassen sich Daten herunter laden? Das Ergebnis: Die WLAN-Verbindungen funktionieren nicht nur besser als gedacht, sondern teilweise erstaunlich gut! Zumindest an den Berliner Bahnhöfen. Leider funktioniert das Einloggen trotzdem nicht immer problemlos. Auch in Düsseldorf und Köln hakt es manchmal.
Berlin Zoologischer Garten: Der Empfang auf den Gleisen 1 bis 4 ist gut. Auch auf den S-Bahn-Gleisen 5 und 6 hat der HotSpot noch Kraft, wenngleich etwas schwächer. Keinen Empfang gibt es auf der Zwischenebene, allerdings befinden sich dort auch keine Geschäfte. Hervorragend lässt sich dagegen in der Halle mit der DB Information surfen. Hier ist voller Empfang. Dort können Reisende auch bequem auf Bänken warten. In der Parallelhalle mit den zahlreichen Shops wie Bäckerei, Kiosk und fast Food herrscht dagegen Funkstille.
Berlin Hauptbahnhof: Die S-Bahngleise 15 und 16 haben über die gesamte Bahnsteiglänge sehr guten Empfang. Das gilt auch für die Fernverkehrsgleise 11 bis 14. Die erste Zwischenebene mit Lounge, Apotheke und Bäckerei ist sehr gut angebunden. Selbst unter dem Vordach des Hauptbahnhofes am Washingtoner Platz funktioniert der Internetzugang noch. Erstaunlicherweise lässt sich sogar noch in den hinteren Ecken der unteren Zwischenebene bei Kaiser's und McDonald's im Internet surfen. Nur der Tiefbahnhof auf den Gleisen 1 und 2 macht keinen guten Eindruck - das WLAN ist schlecht. Dafür deckt der HotSpot die Bahnsteige auf den Parallelgleisen 5 und 6 - ebenfalls Tiefbahnhof - sehr gut ab.
Berlin, Düsseldorf, Köln
Berlin Ostbahnhof: In der Eingangshalle wird das Netz mit vollen drei Verbindungsstrichen auf dem iPhone angezeigt. Doch das Einloggen per Flatrate von 30 Minuten funktioniert nicht, weil es gar nicht angeboten wird. Möglicherweise liegt das daran, dass mit dem Smartphone am Vortag eine Tagesflatrate von 4,95 Euro gekauft wurde. Weil Benutzername und Kennwort nicht gespeichert wurden, gelingt das Einloggen nicht. Auf Gleis 3 und 4 - den Gleisen mit Zugverbindungen zum Flughafen Schönefeld - ist WLAN immerhin verfügbar. Das gilt auch für die Fernverkehrsgleise 6 bis 9 sowie den S-Bahn-Gleisen 10 und 11. Hier wird jetzt auch die 30-Minuten-Flat angeboten. Doch der Zugang wird verwehrt mit dem Hinweis, "die eingegebene Nummer stimmt nicht mit dem Format überein".
Düsseldorf Hauptbahnhof: Probleme gibt es auch in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. Gleis 16, kurz vor 19 Uhr. In knapp zehn Minuten wird der nächste Zug Richtung Köln hier einfahren. Zeit genug, um nochmal einen Blick ins Netz zu werfen. Die Suche nach dem Hotspot gestaltet sich anfangs schwierig. Am Anfang ist der Empfang schwach, dann etwas besser: Zwei dünne grüne Balken zeigt das Smartphone an. Es müht sich beim Netzaufbau, aber der blaue Balken, der anzeigt, wie weit der Ladevorgang der aufgerufenen Seite gediehen ist, kommt nicht recht vom Fleck. Fängt langsam an, um dann stark nachzulassen. Um nach etwa 30 Sekunden, die sich wie mehrere Minuten anfühlen, alle Bemühungen einzustellen „Fehler bei der Kommunikation. Der Server ist u.U. ausgelastet, versuchen Sie es später erneut. Falls das Problem weiterhin auftritt, wenden Sie sich an den Dienstleister.“
Köln Hauptbahnhof: Neuer Versuch, etwa eine knappe halbe Stunde später, als der Zug am Kölner Hauptbahnhof einfährt, diesmal an Gleis 8. Der Empfang ist deutlich freundlicher als in der Landeshauptstadt – allerdings sucht das Telefon Kontakt zu einem Android-WLAN-Netz. Telekom? Fehlanzeige – bis in den Bauch des Kölner Hauptbahnhofs, vorbei an Bäckereien, Buchläden, Bankschaltern. Erst an einer Espressobar klappt es mit der Verbindung. Zunächst baut sich die gleiche Fehlermeldung auf wie am Düsseldorfer Hauptbahnhof. Doch dann erscheint eine Hotspot-Startseite, die nach der Mobilnummer fragt, um den Zugang für 30 Minuten kostenlos „die ganze Vielfalt des Internets“ frei zu schalten. Nach mehreren ruckeligen Versuchen, per SMS zugeteilter Zugangsnummer den Hotspot zu nutzen, klappt die Verbindung mit dem Netz schließlich gut – zumindest im Bahnhofszentrum. Vor Gleis 4 unter hinter Gleis 8 wird der Empfang schwächer. Beim Verlassen der Bahnhofshalle am Breslauer Platz vorbei am Eingang zum U-Bahnhof bricht er ab.
Bielefeld, Frankfurt Flughafen
Bielefeld Hbf: Das WLAN funktioniert. In der Haupthalle des Bielefelder Hauptbahnhofs gibt es vollen Empfang. Der Download eines rund einstündigen Podcasts gelingt in weniger als drei Minuten. Auf den äußeren Bahnsteigen wie Gleis 8, von dem meist Privatbahnen abfahren, lag der Empfang noch bei zwei von drei Strichen. Gleiches gilt für die Fernverkehrsgleise und die Wartehäuschen auf den Bahnsteigen. Der Empfang ist also noch vorhanden, allerdings würde der Download des Podcasts wegen des deutlich schwächeren Empfangs 30 Minuten dauern. Erstaunlicherweise hat das WLAN am Bielefelder Hauptbahnhof noch einen netten Nebeneffekt. Selbst in der U-Bahn-Station, die rund 200 Meter entfernt liegt, ist noch Internetzugang möglich– obwohl die Züge dort unterirdisch fahren.
Fakten rund um LTE
LTE (Long Term Evolution) ist ein Mobilfunknetz und der Nachfolger von UMTS. LTE bietet mit bis zu 100 Megabit pro Sekunde deutlich schnellere Downloadraten.
,LTE läuft je nach Region über unterschiedliche Frequenzen (Nordamerika: 700 MHz und 2100 MHz, Westeuropa, Mittlerer Osten und Afrika: 800 MHz 1800 MHz, 2000 MHz und 2600 MHz, Osteuropa: 800 MHz, 1800 MHz, 2300 MHz und 2600 MHz, Asia-Pazifik: 1800 MHz und 2100 MHz). Apples "neues iPad" beispielsweise unterstützt nur LTE in den Frequenzbereichen 700 und 2100 MHz und ist daher in Europa bisher nur ohne LTE-Funktion erhältlich.
Von April bis Mai 2010 versteigerte die Bundesnetzagentur LTE-Frequenzen für den drahtlosen Netzzugang an Telekommunikationsdienste. Über den Tisch gingen die Frequenzen 800 MHz, 1800 MHz (bis dahin vor allem von der Bundeswehr genutzt), 2000 MHz (die ehemaligen Quam- und Mobilcom-Lizenzen für UMTS) und 2600 MHz. Die Bereiche 800 MHz und 2600 MHz werden von den vier deutschen Mobilfunkanbietern (Telekom, Vodafone, E-Plus und O2) für LTE genutzt. Die Deutsche Telekom verwendet zusätzlich 1800 MHz.
Vodafone bietet seit März 2012 mit dem HTC Velocity 4G das erste LTE-Smartphone Deutschlands an. Das Gerät wurde für die Frequenzbereiche 800 bis 2600 MHz auf den Markt gebracht. Da damit die von der Telekom unterstützten Bereiche im Stadtgebiet mit einer Frequenz von 1800 MHz nicht genutzt werden konnten, folgte im Juni das HTC One XL, das auch auf den Frequenzen 1800 MHz und 2600 MHz funktioniert.
LTE wurde ursprünglich ausgebaut, um die Breitbandversorgung auf dem Land zu sichern. Seit 2011 ist LTE auch in den ersten Großstädten gestartet. Anfangs standen weiter Gebiete ohne DSL-Breitbandanbindung im Fokus. Doch seit 2012 werden sukzessive immer mehr Städte mit LTE versorgt. Inzwischen wird das Netz in folgenden Städten angeboten: Aachen, Augsburg, Berlin, Bochum, Bonn, Bremen, Darmstadt, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Duisburg, Erfurt, Frankfurt, Hannover, Hamburg, Köln, Karlsruhe, München, Rostock, Leipzig, Münster und Stuttgart.
LTE übernimmt im wesentlichen die Infrastrukturen der UMTS-Technologie. Die Technik wurde lediglich erweitert, um so zügig vom 3G- zum 4G-Standard zu gelangen. Dadurch sollen die Smartphones und Tablets permanent mit dem Internet verbunden sein können. Vor allem für die mobile Kommunikation, wie Video-Telefonie, wäre das ein riesiger Fortschritt. Branchenkenner vermuten, dass die bestehenden Netze innerhalb der nächsten zehn Jahre auf LTE umgerüstet sein könnten.
Frankfurt Flughafen Bahnhof: Auch dort funktionierte der WLAN-Empfang auf dem Bahnsteig. Das Netz wirkte sogar noch bis 30 Sekunden nach Abfahrt des Zugs.
Alles in allem ist das WLAN-Angebot von Deutsche Bahn und Telekom wirklich nützlich. Das ist Mobilität des 21. Jahrhunderts! Technisch sollte die Telekom an dem ein oder anderen Bahnhof aber noch nachrüsten. Denn Reisende, die auf den Bahnsteigen warten, können nicht überall kostenloses WLAN nutzen.
Die 30 Minuten gelten übrigens pro Tag, nicht pro Bahnhof. Pendler, die sich etwa morgens in Köln einloggen, können abends nicht mehr in Düsseldorf surfen. Möglich ist dann der Kauf einer Tagesflatrate für 4,95 Euro bei der Deutschen Telekom. Damit kann der Nutzer an sämtlichen Bahnhöfen per WLAN surfen. Auch in den ICE-Zügen der Deutschen Bahn, die mit WLAN-Hotspots ausgerüstet sind, wird der Internetzugang freigeschaltet.