Deutsche Post Appels Sparkurs gefährdet Service und Qualität

Seite 2/4

Bei den Mitarbeitern wird als Erstes gespart

Im Gegensatz zu Mehdorn spart Appel nicht allein, um unmittelbar den Gewinn zu steigern. Er will Mittel für Investitionen freischaufeln. 750 Millionen Euro investiert der Konzern in den Ausbau des Paketnetzes, weitere 114 Millionen Euro fließen in den Bau eines neuen Luftdrehkreuzes in Brüssel zur Stärkung des Express-Versands. Um diese Investitionen zu bezahlen, musste sich die Paketsparte bisher Geld von profitableren Konzernbereichen besorgen. Damit soll nach seinem Willen Schluss sein.

Doch durch Automatisierung und höhere Effizienz kann Bereichsvorstand Gerdes kaum noch sparen. Stattdessen trifft es die Mitarbeiter – und die Kunden.

Vergrätzte Kunden

Serkan Antmen ist im Dauerstress. Seit Oktober sammelt er an seinem Schreibtisch in seinem Büro in Offenbach Beschwerden über die Deutsche Post. Immer wieder klingelt das Telefon, weil ein Verbandsmitglied von einem Vorfall berichtet.

Hoffsümmer Quelle: Robert Poorten für WirtschaftsWoche

„Viele sind richtig verärgert“, sagt Antmen. Sein Arbeitgeber ist der Deutsche Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation (DVPT). Der vertritt Kunden wie die AachenMünchener Versicherung, die Commerzbank oder die Techniker Krankenkasse. Sie sind Massenversender, deren Portoausgaben sich schnell auf mehrere Millionen Euro im Jahr summieren – und deren Vertrauen in die Post nachlässt. „Die Qualität ist in den vergangenen Monaten stark zurückgegangen“, sagt Antmen. „Firmenkunden müssen mit extremen Laufzeitverzögerungen rechnen.“

Die Unternehmen greifen deshalb zur Notwehr und wollen überprüfen, ob die Post die gesetzlichen Vorgaben einhält. Denn auch knapp zwei Jahrzehnte nach der Privatisierung hat der gelbe Riese in Deutschland noch immer eine Sonderrolle. Er gilt als Universaldienstleister und ist damit dazu verpflichtet, die gesamte Bundesrepublik mit Briefen, Paketen und der dazugehörigen Infrastruktur zu versorgen. Demnach müssen mindestens 80 Prozent der Briefe am folgenden Werktag, mindestens 95 Prozent innerhalb von zwei Werktagen nach Einwurf oder Einlieferung beim Empfänger sein. Pakete bis 20 Kilogramm müssen innerhalb von zwei Tagen zugestellt werden. Im Gegenzug befreit der Staat die Post – anders als die private Konkurrenz – bei diesen Angeboten von der Mehrwertsteuer.

Wie sich Umsatz und Gewinn verteilen

Ob diese Kriterien eingehalten werden, überwacht ein von der Post beauftragtes Institut. Ihm zufolge liegt die Quote der Briefe, die am nächsten Werktag zugestellt werden, bei 94 Prozent, teilt die Post mit. Doch daran haben nicht nur die Massenversender, sondern auch Kunden wie Pfarrer Hoffsümmer den Glauben verloren.

Der Geistliche hielt nach: Fünf Tage brauchte einer seiner Briefe ins knapp 60 Kilometer entfernte Düsseldorf, acht Tage ein Buch in den drei Kilometer entfernten Nachbarort. „Weil der Briefkasten nicht regelmäßig geleert wird“, vermutet Hoffsümmer. Das teilte er den Mitarbeitern der Kundenhotline der Post mehrfach mit. Als Antwort bekam er, ein Subunternehmer der Post leere den Briefkasten und müsse dies genau per Handscanner nachweisen. Hoffsümmer bleibt skeptisch. Denn geändert hat sich bisher nichts.

Für Großkunden-Fürsprecher Antmen liegt die Ursache in den drastischen Sparmaßnahmen der Post im Brief-Bereich. Zu wenig Zusteller, zu große Bezirke, ein zu hoher Krankenstand. Der sei im vergangenen Jahr von 9,4 Prozent auf 9,7 Prozent gestiegen, sagt die Gewerkschaft DPVKOM.

Das sind Post-Gebühren für Privatkunden ab 2015

In Hamburg warteten deshalb Tausende Postkunden in diesen Wintermonaten vergeblich auf die Post. Dann, nach vier oder fünf Tagen, quoll der Briefkasten fast über, weil die angesammelten Sendungen auf einmal zugestellt wurden. Von keinem Bundesland erhielt die Bundesnetzagentur in Bonn so viele Beschwerden.

Die Post weist die Kritik zurück. Im Vergleich zu den Millionen ausgelieferter Briefe und Kundenkontakten in den Filialen seien die 1950 Beschwerden verschwindend gering. Doch die Dunkelziffer ist unbekannt, Klagen gelten nicht nur der Zustellung, sondern auch den Filialen und Paketshops. Denn auch dort schlägt die Post mit ihrer Kostenpolitik zu.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%