Im Gegensatz zu Mehdorn spart Appel nicht allein, um unmittelbar den Gewinn zu steigern. Er will Mittel für Investitionen freischaufeln. 750 Millionen Euro investiert der Konzern in den Ausbau des Paketnetzes, weitere 114 Millionen Euro fließen in den Bau eines neuen Luftdrehkreuzes in Brüssel zur Stärkung des Express-Versands. Um diese Investitionen zu bezahlen, musste sich die Paketsparte bisher Geld von profitableren Konzernbereichen besorgen. Damit soll nach seinem Willen Schluss sein.
Doch durch Automatisierung und höhere Effizienz kann Bereichsvorstand Gerdes kaum noch sparen. Stattdessen trifft es die Mitarbeiter – und die Kunden.
Vergrätzte Kunden
Serkan Antmen ist im Dauerstress. Seit Oktober sammelt er an seinem Schreibtisch in seinem Büro in Offenbach Beschwerden über die Deutsche Post. Immer wieder klingelt das Telefon, weil ein Verbandsmitglied von einem Vorfall berichtet.
„Viele sind richtig verärgert“, sagt Antmen. Sein Arbeitgeber ist der Deutsche Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation (DVPT). Der vertritt Kunden wie die AachenMünchener Versicherung, die Commerzbank oder die Techniker Krankenkasse. Sie sind Massenversender, deren Portoausgaben sich schnell auf mehrere Millionen Euro im Jahr summieren – und deren Vertrauen in die Post nachlässt. „Die Qualität ist in den vergangenen Monaten stark zurückgegangen“, sagt Antmen. „Firmenkunden müssen mit extremen Laufzeitverzögerungen rechnen.“
Die Unternehmen greifen deshalb zur Notwehr und wollen überprüfen, ob die Post die gesetzlichen Vorgaben einhält. Denn auch knapp zwei Jahrzehnte nach der Privatisierung hat der gelbe Riese in Deutschland noch immer eine Sonderrolle. Er gilt als Universaldienstleister und ist damit dazu verpflichtet, die gesamte Bundesrepublik mit Briefen, Paketen und der dazugehörigen Infrastruktur zu versorgen. Demnach müssen mindestens 80 Prozent der Briefe am folgenden Werktag, mindestens 95 Prozent innerhalb von zwei Werktagen nach Einwurf oder Einlieferung beim Empfänger sein. Pakete bis 20 Kilogramm müssen innerhalb von zwei Tagen zugestellt werden. Im Gegenzug befreit der Staat die Post – anders als die private Konkurrenz – bei diesen Angeboten von der Mehrwertsteuer.
Wie sich Umsatz und Gewinn verteilen
Umsatz: 15,7 Milliarden Euro (28 Prozent des Konzernumsatzes)
Gewinn: 1,3 Milliarden Euro (44 Prozent des Konzerngewinns)
Stand: Gesamtjahr2014; Quelle: Unternehmen, eigene Berechnungen
Umsatz: 12,5 Milliarden Euro (22 Prozent des Konzernumsatzes)
Gewinn: 1,3 Milliarden Euro (44 Prozent des Konzerngewinns)
Umsatz: 14,9 Milliarden Euro (26 Prozent des Konzernumsatzes)
Gewinn: 293 Millionen Euro (10 Prozent des Konzerngewinns)
Umsatz: 10,74 Milliarden Euro (26 Prozent des Konzernumsatzes)
Gewinn: 465 Millionen Euro (16 Prozent des Konzerngewinns)
Umsatz: 56,6 Milliarden Euro
Gewinn: 2,97 Milliarden Euro
Ob diese Kriterien eingehalten werden, überwacht ein von der Post beauftragtes Institut. Ihm zufolge liegt die Quote der Briefe, die am nächsten Werktag zugestellt werden, bei 94 Prozent, teilt die Post mit. Doch daran haben nicht nur die Massenversender, sondern auch Kunden wie Pfarrer Hoffsümmer den Glauben verloren.
Der Geistliche hielt nach: Fünf Tage brauchte einer seiner Briefe ins knapp 60 Kilometer entfernte Düsseldorf, acht Tage ein Buch in den drei Kilometer entfernten Nachbarort. „Weil der Briefkasten nicht regelmäßig geleert wird“, vermutet Hoffsümmer. Das teilte er den Mitarbeitern der Kundenhotline der Post mehrfach mit. Als Antwort bekam er, ein Subunternehmer der Post leere den Briefkasten und müsse dies genau per Handscanner nachweisen. Hoffsümmer bleibt skeptisch. Denn geändert hat sich bisher nichts.
Für Großkunden-Fürsprecher Antmen liegt die Ursache in den drastischen Sparmaßnahmen der Post im Brief-Bereich. Zu wenig Zusteller, zu große Bezirke, ein zu hoher Krankenstand. Der sei im vergangenen Jahr von 9,4 Prozent auf 9,7 Prozent gestiegen, sagt die Gewerkschaft DPVKOM.
Das sind Post-Gebühren für Privatkunden ab 2015
Der Brief wird ab 2015 teurer. Die Post hebt die Portogebühren für den Standardbrief zum Jahreswechsel – und das nicht zum ersten Mal. In den vergangenen drei Jahren hat die Deutsche Post die Preise erst von 55 auf 58 Cent, dann auf 60 Cent, und nun sogar auf 62 Cent erhöht.
Schon in der Vorweihnachtszeit bieten Post und DHL Privatkunden ein neues Angebot für kleinere Sendungen: Päckchen bis 1 Kilogramm (max Größe 30 x 30 x 15 cm) können ab dem 15. November für 3,79 Euro verschickt werden. Der Haken an der Sache: Das Angebot gilt erstmal nur für Kunden, die die DHL Online Frankierung auf der Unternehmenswebsite nutzen. Ab dem 1. Januar 2015 ist das Angebot auch in den Postfilialen und DHL Paketshops verfügbar – kostet dann aber 3,95 Euro.
Ab Januar 2015 kostet das DHL Päckchen bis 2 Kilogramm (max Größe 60 x 30 x 15 cm) online 4,29 Euro, statt bisher 3,99 Euro. Beim Kauf in der Filiale werden künftig 4,40 Euro fällig, statt bisher 4,10 Euro. Wer ein Paket gleicher Größe verschicken will, zahlt 4,99 Euro.
DHL führt neben dem neuen Päckchen zum 1. Januar auch eine neue Gewichtsstufe für Pakete bis 5 Kilogramm (max Größe 120 x 60 x 60 cm) ein. Der Preis liegt bei 5,99 Euro in der Online Frankierung und 6,99 Euro in der Filiale.
Pakete bis 10 Kilogramm (max Größe 120 x 60 x 60 cm) können ab einem Preis von 7,49 Euro versendet werden (Online-Frankierung). In der Filiale kostet der Versand 8,49 Euro.
Das Schwergewicht: Pakete bis 31,5 Kilogramm (max Größe 120 x 60 x 60 cm) kosten künftig ab 13,99 Euro. Wer auf die Online-Frankierung verzichtet und in die Filiale geht, zahlt einen Euro mehr. Die Gewichtsstufe bis 20 Kilogramm entfällt für den privaten Paketversand übrigens völlig.
In Hamburg warteten deshalb Tausende Postkunden in diesen Wintermonaten vergeblich auf die Post. Dann, nach vier oder fünf Tagen, quoll der Briefkasten fast über, weil die angesammelten Sendungen auf einmal zugestellt wurden. Von keinem Bundesland erhielt die Bundesnetzagentur in Bonn so viele Beschwerden.
Die Post weist die Kritik zurück. Im Vergleich zu den Millionen ausgelieferter Briefe und Kundenkontakten in den Filialen seien die 1950 Beschwerden verschwindend gering. Doch die Dunkelziffer ist unbekannt, Klagen gelten nicht nur der Zustellung, sondern auch den Filialen und Paketshops. Denn auch dort schlägt die Post mit ihrer Kostenpolitik zu.