Dabei gilt die Post in der Branche zurzeit noch als Vorbild. Sie zahlt mehr als zehn Euro pro Stunde und arbeitet im Gegensatz zu den Wettbewerbern bei den Zustellern kaum mit Subunternehmern und deren Niedriglöhnern. Doch mit den Plänen der Post, das Lohnniveau im Konzern zu senken, kündigten die Gewerkschaften ihren lange Zeit kooperativen Kurs auf. „Unsozial und schäbig“, wettert DPVKOM-Vorstand Volker Geyer über die Post. Das sind Worte, die zu Zeiten von Appels Vorgänger Klaus Zumwinkel unüblich waren in dem einstigen Staatskonzern, an dem der Bund über die KfW Bank bis heute 21 Prozent hält.
Ein Auslöser für den Stimmungswandel sind die 49 neuen Regionalgesellschaften, die Brief- und Paketvorstand Gerdes in den vergangenen Wochen gründen ließ. In ihnen bietet die Post Interessenten an, als Paketbote zum Tarif der Logistikbranche anzufangen, der laut Dienstleistungsgewerkschaft Verdi rund 20 Prozent unter dem Haustarif im Mutterkonzern liegt.
Der Beschluss hat Sprengkraft genug, um die Sozialpartnerschaft aus Monopolzeiten für immer hinwegzufegen. „Wenn der Post-Vorstand nicht zur Besinnung kommt, bleibt uns nichts anderes übrig als zu streiken“, droht DPVKOM-Gewerkschafter Geyer. „Dann könnte die Post tagelang liegenbleiben.“
Geschlossene Vorstandsfront
Über Bonn braut sich ein Sturm zusammen, aber Jürgen Gerdes bleibt gelassen. Von seinem Büro oder den Konferenzräumen in der 40. Etage hat er einen ungehinderten Blick auf das Naturspektakel, das sich an diesem Morgen abspielt. Der Himmel färbt sich dunkel, tiefgraue Wolken steuern direkt auf den Post Tower zu, Wind peitscht über die Terrasse, Scheiben und Lampen zittern.
Der 50-jährige Post-Manager weigert sich, darin ein Menetekel für die kommenden Monate zu sehen. Der Sparkurs? Der sei absolut notwendig. Da gibt es keine Zweifel aus seiner Sicht. „Unser Geschäft ist sehr investitionsstark. Wir investieren aktuell bereits 750 Millionen Euro, um den wachsenden Mengen im Paketmarkt gerecht zu werden", sagt er. Das Geld muss auch in Zukunft zurückverdient werden, und deshalb müssen wir jetzt auf unsere zukünftigen Gewinne achten“
Was passiert, wenn niemand das Paket annimmt?
Hermes unternimmt bis zu vier Zustellversuche. Jedes Mal hinterlässt der Bote eine Nachricht. Kann der Zusteller das Paket nicht direkt an den Empfänger übergeben, versucht er es bei Nachbarn abzugeben. Darüber hinaus hat der Kunde die Möglichkeit, Hermes den Auftrag zu erteilen, Sendungen an einem bestimmten Ort (etwa die Garage) zu hinterlegen oder an eine andere Adresse zu liefern. Weiterhin können Kunden ihre Sendung direkt an einen Hermes PaketShop schicken lassen. Dort wird die Sendung nach der Anlieferung bis zu 10 Tage hinterlegt.
Wenn ein Empfänger nicht angetroffen wird, kann dieser sein Paket auf dem Online-Portal neuzustellung.de umleiten, z.B. an einen DPD PaketShop oder eine andere Adresse. Der Bote hinterlässt dafür eine entsprechende Nachricht. Nimmt der Kunde den angebotenen Service nicht in Anspruch, erfolgen maximal drei Zustellversuche.
Wenn niemand anzutreffen ist, versucht der GLS-Zustellfahrer zunächst das Paket bei einem Nachbarn oder in einem nahe gelegenen PaketShop abzugeben. Ist das nicht möglich, geht das Paket zurück ins Depot. In jedem Fall hinterlässt der Zustellfahrer eine Benachrichtigungskarte. Ist das Paket zurück ins Depot geliefert worden, hat der Empfänger die Möglichkeit, die Zustellung zu beeinflussen – zum Beispiel eine neue Adresse anzugeben oder einen bestimmten Liefertag auszuwählen. Meldet der Empfänger sich nicht bei GLS, erfolgt ein erneuter Zustellversuch an die ursprünglich angegebene Adresse.
Anders als viele Konkurrenten unternimmt DHL keinen zweiten Zustellversuch. Wenn der Empfänger nicht zuhause ist, er keinen Ablagevertrag mit DHL geschlossen hat und kein Nachbar das Paket entgegennimmt, wird es in die nächst gelegene Postfiliale umgeleitet oder falls verfügbar in eine umliegende Packstation eingestellt. Der Empfänger wird entsprechend per Benachrichtigungskarte über den Verbleib des Pakets informiert. In Postfiliale und Packstation wird das Paket sieben Tage für den Kunden bereitgehalten.
100 Mal hat Gerdes diese Sätze schon gesagt. Hunderte Mal wird er sie noch wiederholen, vor Kunden und Geschäftspartnern, vor allem aber vor den Mitarbeitern und Gewerkschaften. Die können das kaum noch hören. „Der Vorstand will damit nur Kapitalmarktinteressen befriedigen“, urteilt Verdi- und Post-Aufsichtsratsvize Kocsis.
Das Konfliktpotenzial ist gewaltig. Verdi und die DPVKOM, die früher die Beamten organisierten und heute viele Briefzusteller vertreten, kämpfen nicht nur gegen die Niedriglohntöchter für neue Paketboten. Sie verlangen auch höhere Löhne für die nach Haustarif bezahlten Zusteller. Zum Ende des Jahres läuft außerdem die Vereinbarung aus, in der die Post auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet. Ab dann darf der Konzern auch weitere Bezirke an Subunternehmer vergeben. Die Gewerkschaften wollen das unbedingt verhindern.
Ausgerechnet in dieser Situation ist das Klima zwischen Vorstand und Arbeitnehmervertretern auf einem historischen Tiefststand. Zum einen wäre es im vergangenen Jahr Verdi-Vertreterin Kocsis und ihren Aufsichtsratskollegen von der Arbeitnehmerbank beinahe gelungen, Brief- und Paketchef Gerdes von seinem Posten zu entfernen. Nur weil Aufsichtsratschef Wulf von Schimmelmann von seinem doppelten Stimmrecht Gebrauch machte, konnte die Post den Vertrag mit Gerdes verlängern.
Zum anderen treffen die Gewerkschaften nicht mehr auf die einstige Personalchefin Angela Titzrath, der Verdi bei den Tarifverhandlungen vor zwei Jahren Lohnsteigerungen von 5,7 Prozent abringen konnte. An ihre Stelle trat Ende Oktober Melanie Kreis, seit elf Jahren bei der Post und wie Konzernchef Appel einst Beraterin bei McKinsey. Damit sind die Reihen im Post-Vorstand, die Gewinnziele gegen die Gewerkschaften durchsetzen, dicht geschlossen.
Denn dass die von Brief- und Paketchef Gerdes angepeilte Ertragssteigerung bis 2020 letztlich nur bei den Beschäftigten zu holen ist, gilt unter Anlegern als sicher. Wenn das Gewinnziel von drei Prozent erreicht werden solle, schreibt Penelope Butcher, Analystin bei der US-Investmentbank Morgan Stanley, dann sei „der erfolgreiche Abschluss der Tarifverträge entscheidend“.