Deutsche Post Appels Sparkurs gefährdet Service und Qualität

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Bislang ein Vorbild

Dabei gilt die Post in der Branche zurzeit noch als Vorbild. Sie zahlt mehr als zehn Euro pro Stunde und arbeitet im Gegensatz zu den Wettbewerbern bei den Zustellern kaum mit Subunternehmern und deren Niedriglöhnern. Doch mit den Plänen der Post, das Lohnniveau im Konzern zu senken, kündigten die Gewerkschaften ihren lange Zeit kooperativen Kurs auf. „Unsozial und schäbig“, wettert DPVKOM-Vorstand Volker Geyer über die Post. Das sind Worte, die zu Zeiten von Appels Vorgänger Klaus Zumwinkel unüblich waren in dem einstigen Staatskonzern, an dem der Bund über die KfW Bank bis heute 21 Prozent hält.

Ein Auslöser für den Stimmungswandel sind die 49 neuen Regionalgesellschaften, die Brief- und Paketvorstand Gerdes in den vergangenen Wochen gründen ließ. In ihnen bietet die Post Interessenten an, als Paketbote zum Tarif der Logistikbranche anzufangen, der laut Dienstleistungsgewerkschaft Verdi rund 20 Prozent unter dem Haustarif im Mutterkonzern liegt.

So haben E-Mails unser Leben verändert
Veränderung: E-Mails senken das EinfühlungsvermögenE-Mail-Schreiben macht Menschen gesichtslos. Weder sieht, noch hört man seinen Gegenüber - stattdessen hat man nur einen Bildschirm und Tasten vor sich. Daher erwartet CIA-Manager John K. Mullen, dass Computerkommunikation auf lange Sicht die Empathie senkt. Sein Argument: 55 Prozent der zwischenmenschlichen Kommunikation spielt sich nonverbal ab. Durch hauptsächlichen E-Mail-Verkehr verlieren Menschen die Fähigkeit, die Absicht anderer zu erkennen und andere zu beeinflussen.   Quelle: AP
Veränderung: E-Mails sorgen für unklare Botschaften„So meinte ich das doch gar nicht!“ Wer das nach einer geschriebenen E-Mail nicht sagen will, muss sich klar und deutlich ausdrücken. Denn bei Mails fallen Tonfall, Gesichtsausdruck & Co. weg. Auch die kurz reingrätschende Verständnisfrage des Gegenübers ist nicht drin. Das sorgt für falsch ankommende Botschaften: Autor John Freeman schreibt in seinem Buch „The Tyranny of E-Mail“, dass der Ton von E-Mails in 50 Prozent der Fälle falsch verstanden wird. Quelle: dpa
Veränderung: E-Mails machen uns zu LügnernEine Lüge abzutippen, fällt Menschen leichter, als sie mit einem Kugelschreiber aufzuschreiben. Das fanden US-Forscher in mehreren Experimenten heraus, in denen die Probanden per E-Mail oder mit Stift und Papier kommunizierten. Außerdem fühlten sich die Lügner mehr im Recht, wenn sie per E-Mail flunkerten. Quelle: Fotolia
Veränderung: E-Mails machen renitentEine unangenehme Nachricht ist leichter hingeschrieben und abgesendet, als sie seinem Gegenüber persönlich ins Gesicht gesagt. US-Forscher untersuchten, wie sich das auf Gruppenarbeit auswirkt. Ihr Ergebnis: Menschen zeigten sich bei E-Mail-Kommunikation unkooperativer und sahen sich mit diesem Verhalten auch mehr im Recht. Quelle: Fotolia
Veränderung: E-Mails stressenUrlaub von Mails entspannt: Auf Mails zu verzichten, gestatteten Forscher des U.S.-Militärs und der University of California in Irvine fünf Tage lang einigen Büromitarbeitern in einem amerikanischen Vorort. Sie arbeiteten konzentrierter und wiesen einen natürlicheren, wechselhaften Herzschlag auf. Anders ihre Kollegen, die immer wieder ins E-Mail-Postfach schauten: Diese zeigten sich weniger fokussiert, angespannter und wiesen einen konstanten Herzschlag auf. Quelle: Fotolia
Veränderung: E-Mails geben Schüchternen ein SprachrohrÜber Jahrtausende hinweg haben sich schüchterne Menschen schlecht ausgedrückt – oder einfach ihren Mund gehalten. Diese Zeiten sind dank der E-Mail vorbei. Nun können sie ihren nervigen Kollegen die Meinung sagen, ohne ihnen in die Augen sehen zu müssen. Tatsächlich bestätigt eine Studie, dass Introvertierte und Neurotiker E-Mails bevorzugen, während Extravertierte und emotional stabile Menschen lieber von Angesicht zu Angesicht kommunizieren. Quelle: REUTERS
Veränderung: E-Mails stehlen uns unsere ZeitDas gilt vor allem für ungebetene Werbemails. Spam macht laut dem Bonner Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) 70 Prozent des weltweiten Mailverkehrs aus und kostet jeden Angestellten jährlich durchschnittlich 20 Stunden seiner Zeit. Immerhin: Spam-Filter können mehr als ein Drittel dieses Zeitverlusts einsparen. Quelle: dpa

Der Beschluss hat Sprengkraft genug, um die Sozialpartnerschaft aus Monopolzeiten für immer hinwegzufegen. „Wenn der Post-Vorstand nicht zur Besinnung kommt, bleibt uns nichts anderes übrig als zu streiken“, droht DPVKOM-Gewerkschafter Geyer. „Dann könnte die Post tagelang liegenbleiben.“

Geschlossene Vorstandsfront

Über Bonn braut sich ein Sturm zusammen, aber Jürgen Gerdes bleibt gelassen. Von seinem Büro oder den Konferenzräumen in der 40. Etage hat er einen ungehinderten Blick auf das Naturspektakel, das sich an diesem Morgen abspielt. Der Himmel färbt sich dunkel, tiefgraue Wolken steuern direkt auf den Post Tower zu, Wind peitscht über die Terrasse, Scheiben und Lampen zittern.

Der 50-jährige Post-Manager weigert sich, darin ein Menetekel für die kommenden Monate zu sehen. Der Sparkurs? Der sei absolut notwendig. Da gibt es keine Zweifel aus seiner Sicht. „Unser Geschäft ist sehr investitionsstark. Wir investieren aktuell bereits 750 Millionen Euro, um den wachsenden Mengen im Paketmarkt gerecht zu werden", sagt er. Das Geld muss auch in Zukunft zurückverdient werden, und deshalb müssen wir jetzt auf unsere zukünftigen Gewinne achten“

Was passiert, wenn niemand das Paket annimmt?

100 Mal hat Gerdes diese Sätze schon gesagt. Hunderte Mal wird er sie noch wiederholen, vor Kunden und Geschäftspartnern, vor allem aber vor den Mitarbeitern und Gewerkschaften. Die können das kaum noch hören. „Der Vorstand will damit nur Kapitalmarktinteressen befriedigen“, urteilt Verdi- und Post-Aufsichtsratsvize Kocsis.

Das Konfliktpotenzial ist gewaltig. Verdi und die DPVKOM, die früher die Beamten organisierten und heute viele Briefzusteller vertreten, kämpfen nicht nur gegen die Niedriglohntöchter für neue Paketboten. Sie verlangen auch höhere Löhne für die nach Haustarif bezahlten Zusteller. Zum Ende des Jahres läuft außerdem die Vereinbarung aus, in der die Post auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet. Ab dann darf der Konzern auch weitere Bezirke an Subunternehmer vergeben. Die Gewerkschaften wollen das unbedingt verhindern.

Ausgerechnet in dieser Situation ist das Klima zwischen Vorstand und Arbeitnehmervertretern auf einem historischen Tiefststand. Zum einen wäre es im vergangenen Jahr Verdi-Vertreterin Kocsis und ihren Aufsichtsratskollegen von der Arbeitnehmerbank beinahe gelungen, Brief- und Paketchef Gerdes von seinem Posten zu entfernen. Nur weil Aufsichtsratschef Wulf von Schimmelmann von seinem doppelten Stimmrecht Gebrauch machte, konnte die Post den Vertrag mit Gerdes verlängern.

Zum anderen treffen die Gewerkschaften nicht mehr auf die einstige Personalchefin Angela Titzrath, der Verdi bei den Tarifverhandlungen vor zwei Jahren Lohnsteigerungen von 5,7 Prozent abringen konnte. An ihre Stelle trat Ende Oktober Melanie Kreis, seit elf Jahren bei der Post und wie Konzernchef Appel einst Beraterin bei McKinsey. Damit sind die Reihen im Post-Vorstand, die Gewinnziele gegen die Gewerkschaften durchsetzen, dicht geschlossen.

Denn dass die von Brief- und Paketchef Gerdes angepeilte Ertragssteigerung bis 2020 letztlich nur bei den Beschäftigten zu holen ist, gilt unter Anlegern als sicher. Wenn das Gewinnziel von drei Prozent erreicht werden solle, schreibt Penelope Butcher, Analystin bei der US-Investmentbank Morgan Stanley, dann sei „der erfolgreiche Abschluss der Tarifverträge entscheidend“.

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