56 Milliarden Euro Umsatz und über 2 Milliarden Euro Gewinn: Es sind Rekordzahlen, die Frank Appel am Mittwoch in der Frankfurter Jahrhunderthalle seinen Aktionären präsentieren wird.
Doch draußen, vor der Halle, werden Post-Mitarbeiter rote Verdi-Fahnen schwenken und demonstrieren. Denn trotz der guten Unternehmensentwicklung ist die Stimmung bei Angestellten und Anlegern gereizt. Sie reiben sich an den ehrgeizigen Zielen des Post-Chefs, der neuen Lohnpolitik und an den vielen Umstrukturierungsmaßnahmen, die er verordnet hat.
Mit diesen Problemen kämpft der gelbe Riese:
1. Der Streik
Fünf Verhandlungsrunden und über ein dutzend Streiktage haben die Deutsche Post und Verdi schon hinter sich, trotzdem ist vor der Hauptversammlung die Stimmung angespannter denn je. Die Gewerkschaft Verdi zog sogar bereits vor Gericht gegen die Post, die angeblich Beamte als Streikbrecher auf den Arbeitsplätzen von Verdi-Mitgliedern eingesetzt hat – erfolglos. Die Post legte nach und warf Verdi zuletzt vor, dass ihre Mitglieder arbeitswillige Kollegen in sozialen Netzen und am schwarzen Brett beschimpft und diffamiert hätten.
Post-Streik: Was Sie jetzt wissen müssen
Im Januar überrumpelte die Deutsche Post die Gewerkschaft Verdi mit einem ungewöhnlichen Schritt: Der Bonner Konzern gründete 49 Regionalgesellschaften mit dem Namen Delivery GmbH. Dort werden seit April Paketboten zu den Bedingungen des Logistiktarifvertrags beschäftigt. Sie erhalten damit rund 20 Prozent weniger Lohn als ihre Kollegen, die nach dem Post-Haustarif bezahlt werden.
Die Gewerkschaft Verdi fordert, dass die Post diesen Schritt wieder rückgängig macht. Seit April hat Verdi deshalb regelmäßig zu Warnstreiks aufgerufen, seit Anfang Juni führt die Gewerkschaft einen unbefristeten Streik. Mehr als 32.000 Post-Mitarbeiter haben ihre Arbeit niedergelegt.
Am 3. Juli wollen der Post-Vorstand und Verdi ihre Verhandlungen fortsetzen. Der Streik soll jedoch weiterlaufen, bis es eine endgültige Einigung gibt.
Die Lage ist unübersichtlich, aber zumindest bemüht sich die Post um die Information ihrer Kunden. Regionale Schwerpunkte gibt es bei den Streiks nicht. Auf der Internetseite der Post mit den Streikinformationen kann anhand der Postleitzahl geprüft werden, ob der Ausstand vor Ort eine Rolle spielt. Dabei können Kunden anhand der Postleitzahl prüfen, ob die Briefträger vor Ortstreiken oder ein zuständiges Briefverteilzentrum bestreikt wird, also ob beim Empfang oder dem Versand mit Verzögerungen zurechnen ist. Außerdem bietet die Deutsche Post eine Kundenhotline unter der Rufnummer 0228 /76367650 an.
Nein, zumindest nicht generell. Beim normalen Versand von Standardbriefen oder Paketen lehnt die Post seit jeher Garantien für das Einhalten eines bestimmten Lieferdatums ab. Das Risiko, dass ein Brief oder Paketrechtzeitig ankommt, trägt immer der Versender. Weil nicht überall gleichzeitig gestreikt wird, bleiben Briefe aber in der Regel nur einen Tag liegen. Wer dringende normale Briefe und Pakete ein paar Tage früher verschickt, sollte keine Probleme bekommen.
Ja, zum Beispiel beim Expressversand oder der Versendung als Einschreiben. Bei diesen Versandarten verpflichtet sich die Post dazu, einen bestimmten Zustelltermin einzuhalten. Hält sieden Termin nicht ein, muss sie für Schäden haften haften. Dafür verlangt sie auch ein deutlich höheres Porto als beim Standardversand. Die Express-Sendungen übernimmt bei der Deutschen Post ein Dienstleister, der vom Streik verschont bleibt. Allerdings haben Kunden bei Verspätungen aufgrund von Streiks auch hierkeinen rechtlichen Anspruch auf Schadenersatz, da Streiks als Haftungsgrund in den AGB der Post explizit ausgeschlossen sind. Solange die Express-Sparten nicht bestreikt werden, können sich Kunden also auf das rechtzeitige Eintreffen von Express-Sendungen verlassen.
Selbst wenn es eine Versicherung gäbe, die für die Haftung infrage käme: Ein Streikgilt juristisch als höhere Gewalt. Dafür ist laut Gesetzeine Haftung ausgeschlossen, also auch wenn Postsendungen streikbedingt zu spät kommen. Wer also beispielsweise Konzertkarten per Postverschickt, die dann erst nach der Veranstaltung beim Empfängereintreffen, steht selbst in der Haftung
Verbraucherzentralen weisen etwa bei Kündigungsschreiben darauf hin, dass sich Verträge verlängern, wenn das Kündigungsschreiben erst nach Ablauf der Frist beim Empfängereintrifft. Die Regeln zu Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristensind in den Verträgen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen fixiert. Kündigungen bedürfen grundsätzlich der Schriftform, wenn es der Vertragspartner in seinen Geschäftsbedingungen nicht anders geregelt hat. Vom Streik Betroffene sollten das Vertragswerk daher prüfen und gegebenenfalls alternative Versandmethoden nutzen oder den Vertragspartner um einen Fristverlängerung bitten. Kulante Vertragspartner dürften für die Dauer des Streiks darauf eingehen.
Beiden Paketzustellern gibt es bekannte Wettbewerber wie Hermes, GLS, DPD und andere. Bei Briefen sind Alternativen für Privatkunden rar. Post-Konkurrenten wie TNT oder PIN arbeiten nur für Firmenkunden, Betriebe können sie also nutzen. Je nach Region gibt es allerdings auch für Privatpersonen alternative Briefzusteller. Eine Übersicht der Anbieter bietet zum Beispiel posttipp.de. Aber vielleicht geht es auch ohne Brief, zum Beispiel mit dem per Fax oder mitpersonifizierter und verschlüsselter DE-Mail, wie sie Telekom und Internetdienstleister wie web.de, GMX oder 1&1 anbieten. Zu den Sicherheitsstandards informiert Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik(BSI) auf seinen Online-Seiten. Wem das zu umständlich ist, kann Briefe entweder selbst beim Empfänger einwerfen - am besten im Beisein von Zeugen -oder sich beim Empfängererkundigen, ob der auch normale E-Mails akzeptiert.
Hier besteht im Prinzip kein zusätzliches Risiko. Ein Kaufvertrag über online bestellte Waren kann innerhalb von 14 Tagen widerrufen werden. Zur Einhaltung der Widerrufsfrist ist es ausreichend, wenn die Wareinnerhalb dieses Zeitraums abgeschickt wird. Allerdings sollte dann als Nachweis für den rechtzeitigen Versand der Einlieferungsbeleg aufbewahrt werden.
Zum einen setzt die Post in den Verteilzentren vorrübergehend auch Mitarbeiter der Verwaltung ein. Die noch immer rund 40.000 Beamten bei der Postdürfen nicht streiken und müssen teilweise aushelfen. In grenznahen Regionen springen auch Post-Mitarbeiteraus dem Ausland ein. Dadurch kamen am ersten Streiktag immernoch neun von zehn Postsendungen pünktlich. Zum Glück können die Sortiermaschinen in den Verteilzentren nicht streiken. Durch den Einstieg der Briefzusteller in den Streik wird es aber voraussichtlich zu deutlich mehr Verspätungen kommen.
Bei dem Streik geht es um weit mehr als nur um eine Lohnerhöhung. Eigentlich will die Gewerkschaft Vergeltung für einen gewieften Plan, mit dem die Post Lohnkosten senken will. Dazu hatte der Bonner Konzern Anfang des Jahres eine neue Tochtergesellschaft mit dem Namen Delivery GmbH gegründet. Die dort beschäftigten 6000 Paketboten muss die Post nicht nach dem Haustarifvertrag bezahlen und kann dadurch Kosten sparen.
Verdi kann diesen Schritt kaum noch rückgängig machen. Doch die Gewerkschaft hat sich vorgenommen, der Post ihre ganze Macht zu demonstrieren: Verhandlungsführerin Andrea Kocsis fordert 5,5 Prozent mehr Lohn und eine Verkürzung der Arbeitszeit um 2,5 Stunden die Woche bei einem vollen Lohnausgleich. Das käme 12 Prozent Lohnerhöhung und damit Kosten von 600 Millionen Euro gleich, erklärt die Post. Alleine deshalb macht der Streit den Aktionären zunehmend Sorgen.
2. Zu hohe Löhne
Bisher bleibt Post-Chef Frank Appel weiter hart: Er will die Gehaltskosten auf jeden Fall senken. Denn der Bonner Konzern zahlt wesentlich höhere Löhne als die meisten Wettbewerber. Und Appel hat vorgerechnet: Dieser Abstand muss sich verringern, wenn die Post wettbewerbsfähig bleiben will.
Im vergangenen Jahr hat die Sparte mit dem Namen "PeP" (Post - eCommerce - Parcel) zwar 1,3 Milliarden Euro Gewinn geschrieben. Doch die Margen in der Sparte gehen immer weiter zurück. Und ein Großteil des Profits kommt aus dem Briefgeschäft, das nicht zu den zukunftsträchtigen Geschäftsfeldern zählt. In das Paketgeschäft hingegen investiert die Post Milliarden. Das Geld für diese Investitionen soll auch in Zukunft weiter in die Kasse laufen. Auch dafür ist die Post in den Kampf mit Verdi gezogen.
Doch in anderen Unternehmensteilen ist die Schieflage bereits viel deutlicher sichtbar.
3. Großes Computerchaos
Seit Jahren ist das Speditionsgeschäft (Global Forwarding and Freight) die Problemsparte im Haus. Grund dafür ist ein überambitioniertes Umstrukturierungsprojekt, mit dem der ehemalige Spartenvorstand Roger Crook die Prozesse und auch die IT im Haus umbauen wollte. Doch das Projekt mit dem Namen "New Forwarding Enviroment" (NFE) sorgte sechs Quartale in Folge nur für sinkende Gewinne. Die Umstellung auf ein modernes IT-System kam in der noch sehr papierlastigen Luft- und Seefracht einfach nicht in Gang. Im vergangenen Jahr sank das Ergebnis in der 15 Milliarden Umsatz schweren Sparte um 39 Prozent auf nur 293 Millionen Euro.
Das sind Post-Gebühren für Privatkunden ab 2015
Der Brief wird ab 2015 teurer. Die Post hebt die Portogebühren für den Standardbrief zum Jahreswechsel – und das nicht zum ersten Mal. In den vergangenen drei Jahren hat die Deutsche Post die Preise erst von 55 auf 58 Cent, dann auf 60 Cent, und nun sogar auf 62 Cent erhöht.
Schon in der Vorweihnachtszeit bieten Post und DHL Privatkunden ein neues Angebot für kleinere Sendungen: Päckchen bis 1 Kilogramm (max Größe 30 x 30 x 15 cm) können ab dem 15. November für 3,79 Euro verschickt werden. Der Haken an der Sache: Das Angebot gilt erstmal nur für Kunden, die die DHL Online Frankierung auf der Unternehmenswebsite nutzen. Ab dem 1. Januar 2015 ist das Angebot auch in den Postfilialen und DHL Paketshops verfügbar – kostet dann aber 3,95 Euro.
Ab Januar 2015 kostet das DHL Päckchen bis 2 Kilogramm (max Größe 60 x 30 x 15 cm) online 4,29 Euro, statt bisher 3,99 Euro. Beim Kauf in der Filiale werden künftig 4,40 Euro fällig, statt bisher 4,10 Euro. Wer ein Paket gleicher Größe verschicken will, zahlt 4,99 Euro.
DHL führt neben dem neuen Päckchen zum 1. Januar auch eine neue Gewichtsstufe für Pakete bis 5 Kilogramm (max Größe 120 x 60 x 60 cm) ein. Der Preis liegt bei 5,99 Euro in der Online Frankierung und 6,99 Euro in der Filiale.
Pakete bis 10 Kilogramm (max Größe 120 x 60 x 60 cm) können ab einem Preis von 7,49 Euro versendet werden (Online-Frankierung). In der Filiale kostet der Versand 8,49 Euro.
Das Schwergewicht: Pakete bis 31,5 Kilogramm (max Größe 120 x 60 x 60 cm) kosten künftig ab 13,99 Euro. Wer auf die Online-Frankierung verzichtet und in die Filiale geht, zahlt einen Euro mehr. Die Gewichtsstufe bis 20 Kilogramm entfällt für den privaten Paketversand übrigens völlig.
Kurz vor der Hauptversammlung zog sich der zuständige Vorstand Roger Crook deshalb endgültig von seinem Posten zurück – offiziell "aus persönlichen Gründen". Post-Vorstandsvorsitzender Appel hat das Problem nun zur Chefsache erklärt und verantwortet die Sparte bis auf weiteres selbst. In einem Brief an seine Anleger schrieb er: "Seien Sie versichert: Ich persönlich leiste meinen Beitrag dazu, diese schwierige Phase erfolgreich zum Abschluss zu bringen." Seine erste Amtshandlung: Er stoppte die Umsetzung von NFE.
4. Gewagte Umstrukturierung
Auch in der Sparte Supply Chain, deren Geschäft vor allem aus Lager- und Logistikdienstleistungen für andere Konzerne besteht, rumort es. Bei der Vorlage der ersten Quartalszahlen für das laufende Geschäftsjahr musste der Vorstand einen Gewinneinbruch von 38 Prozent verkünden, die Einnahmen reichten nicht aus, um die Ausgaben zu decken. Innerhalb von drei Monaten sammelte die Sparte so 112 Millionen Euro Verluste an. Das sei nur ein einmaliger Effekt, versprach Finanzvorstand Larry Rosen.
Wie sich Umsatz und Gewinn verteilen
Umsatz: 15,7 Milliarden Euro (28 Prozent des Konzernumsatzes)
Gewinn: 1,3 Milliarden Euro (44 Prozent des Konzerngewinns)
Stand: Gesamtjahr2014; Quelle: Unternehmen, eigene Berechnungen
Umsatz: 12,5 Milliarden Euro (22 Prozent des Konzernumsatzes)
Gewinn: 1,3 Milliarden Euro (44 Prozent des Konzerngewinns)
Umsatz: 14,9 Milliarden Euro (26 Prozent des Konzernumsatzes)
Gewinn: 293 Millionen Euro (10 Prozent des Konzerngewinns)
Umsatz: 10,74 Milliarden Euro (26 Prozent des Konzernumsatzes)
Gewinn: 465 Millionen Euro (16 Prozent des Konzerngewinns)
Umsatz: 56,6 Milliarden Euro
Gewinn: 2,97 Milliarden Euro
Die Post habe gezielt Verluste in Kauf genommen, um die Sparte schnell und effektiv umbauen zu können. Denn Appel fordert mehr Standardisierung und eine schlankere Struktur – und damit auch mehr Profitabilität. Doch die Gefahr besteht, dass der Vorstand die Komplexität der Umstrukturierung ein weiteres Mal unterschätzt und dann dauerhaft Gewinneinbrüche melden muss.
5. Neue Konkurrenten
Richtig gut läuft dagegen die Express-Sparte, in der die Post ihr Geschäft mit zeitsensiblen und Eil-Sendungen zusammenfasst. Der zuständige Vorstand Ken Allen hat im vergangenen Jahr eine Gewinnmarge von zehn Prozent herausgeschlagen und damit sein Ziel ein Jahr früher als geplant umgesetzt. Die Post zählt damit zu den Branchenbesten.
Doch ein neuer Konkurrent positioniert sich in Europa: Der US-Expressriese Fedex hat angekündigt, dass er den niederländischen Konkurrenten TNT aufkaufen will. Mit vereinten Kräften würden Fedex und TNT die Deutsche Post DHL als globalen Marktführer überholen. Bisher gibt sich die Post zwar gelassen: Erstmal müssten die beiden Konzerne die Fusion abschließen und danach muss Fedex auch die Integration von TNT noch gelingen – das könnte Jahre dauern.
Doch den Wettbewerb in Europa und auch in Asien wird die Fusion auf jeden Fall anheizen, vermuten Experten – und damit auch den Preiskampf. Ob Ken Allen dann seine zehn Prozent Marge noch halten kann, ist fragwürdig.