Deutsche-Post-Streik Die wichtigsten Antworten zum Post-Streik

Warum stellen nun Taxi-Fahrer Pakete zu? Mit wie viel Verspätung kommen Briefe an? Und wie lange dauert der Tarifkampf eigentlich noch? Nach drei Wochen Poststreik wächst der Fragenberg. Die wichtigsten Antworten.

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Deutsche Post, Streik Quelle: dpa

1. Wen betrifft der Streik?

Jeden. Mittlerweile sind nach Angaben der Gewerkschaft Verdi mehr als 32.000 Post-Mitarbeiter in den Ausstand getreten. Damit sind laut Post zwar nur drei Viertel aller Standorte betroffen. Doch weil sich Verdi bei dem Streik auch auf die Verteilzentren konzentriert, in denen Pakete und Post vorsortiert werden, erreichen viele Sendungen auch die Briefträger an den Zustellbasen, an denen normaler Betrieb herrscht, nur mit Verzögerung.

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2. Wie viel Verspätung haben die Sendungen?

Laut Angaben der Post kommen noch immer rund 80 Prozent der Briefe und Pakete pünktlich an. Die Gewerkschaft zweifelt allerdings an dieser Darstellung. Bei einer Stichprobe des Fernsehsenders NDR in Norddeutschland erreichten nur 38 von 100 Briefen innerhalb von drei Werktagen die Empfänger.

Generell sind Paketsendungen an vielen Standorten noch nicht so stark vom Streik betroffen wie die Brief-Zustellung. Das liegt auch an den 49 neuen Tochtergesellschaften mit dem Namen Delivery, die Auslöser des Tarifkonflikts zwischen der Post und Verdi sind. Die Post beschäftigt dort mittlerweile 6000 Mitarbeiter, die nicht unter den Haustarif fallen. Die Delivery-Zusteller erhalten deshalb weniger Lohn und dürfen sich auch nicht an dem aktuellen Streik beteiligen. Verdi fordert, dass diese Mitarbeiter wieder zurück in den Haustarif geholt werden.

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Eine Hand steckt eine Karte in ein Arbeitszeiterfassungsgerät, eine so genannte Stechuhr. Quelle: dpa
Ein Mann telefoniert am Arbeitsplatz Quelle: dpa
Ein Zusatzschild eines Verkehrsschildes zeigt eine Familie mit Kinderwagen. Quelle: dpa
Eine Frau sitzt am 26.09.2007 mit ihrem Kind vor einem Laptop und telefoniert mit einem Handy. Quelle: dpa
Nachtschicht geht diese VW-Mitarbeiter durch das Tor 17 in das VW-Stammwerk in Wolfsburg. Quelle: dpa
Ein Kunde nimmt in Düsseldorf eine Broschüre zum Thema Kurzarbeit aus dem Regal. Quelle: dpa
Anteil der Zeitarbeiter in DeutschlandDer Anteil von Zeitarbeit in Deutschland ist zwar zurückgegangen, aber immer noch höher als in anderen europäischen Staaten. Der Gesamtanteil liegt bei rund drei Prozent, von den 15- bis 24-Jähringen sind 4,5 Prozent in Zeitarbeit beschäftigt. Nur in Frankreich gibt es noch mehr junge Menschen, die über eine Zeitarbeitsfirma den Einstieg ins Berufsleben versuchen. Quelle: Fotolia

3. Erhalten bestimmte Post-Kunden eine Vorzugsbehandlung?

Die Post bestreitet das. Doch Mitarbeiter berichten, dass zumindest Pakete des Online-Händlers Amazon schon in den Sortierzentren herausgepickt würden, um diese schneller abzuarbeiten. An manchen Standorten hat die Post außerdem extra Taxi-Fahrer angeheuert, um Amazon-Pakete auszutragen - zum Beispiel in Frankfurt. Das bestätigte eines der beteiligten Taxi-Unternehmen auf Anfrage der WirtschaftsWoche. Bei den Paketen handelt es sich laut Angaben von Post-Mitarbeitern allerdings vor allem um die Sendungen der Kunden des Bezahlservices Amazon Prime. Gegen eine monatliche Grundgebühr garantiert Amazon diesen Kunden eine Zustellung innerhalb von zwei Werktagen. Bei einem Vertragsbruch könnten auf die Post heftige Strafzahlungen zukommen, sagen Branchenkenner.

Sonntagsdienste und Briefgeheimnis

4. Wer sind die Zusteller, die jetzt unterwegs sind?

Natürlich vor allem Post-Mitarbeiter, die nicht streiken. Auch Beamte und Manager des Bonner Konzerns sind im Einsatz. Aber die Post sucht auch Hilfe an ganz anderer Stelle: Taxi-Fahrer oder Kurierdienste teilen Pakete aus, Leiharbeiter aus Polen und Rumänien treffen in Bussen an den Verteilzentren ein, Mitarbeiter von Großkunden helfen in den Sortierzentren, auch Studenten spricht die Post ganz gezielt an.

So hat der Konzern auch Freiwillige eingespannt: Rund 11.000 Helfer waren nach Angaben der Post an den vergangenen zwei Sonntagen im Einsatz, um den Rückstau in den Zustellbasen aufzuarbeiten. Vorher hatten Vorgesetzte in Rundmails ihre Mitarbeiter gezielt gebeten, Freunde und Bekannte anzusprechen. Auf Plakaten, die der WirtschaftsWoche vorliegen, versprach die Post außerdem "100 Euro netto bar auf die Hand" für diejenigen, die bei der Zustellung am Sonntag halfen.

5. Dürfen die Zusteller die Briefe und Pakete überhaupt am Sonntag austeilen?

Eigentlich ist in Deutschland Sonntagsarbeit verboten, Ausnahmen von dieser Regel müssen die Unternehmen in den meisten Bundesländern vorher beantragen. Das hat die Post anscheinend aber nicht überall getan: In Brandenburg ermittelt deshalb nun das Landesamt für Arbeitsschutz gegen den Bonner Konzern. Auch Niedersachsen will die Verstöße gegen das Sonntagsarbeitsverbot aufarbeiten. In Hamburg hingegen sollen Beamte der Post eine Ausnahmegenehmigung erteilt haben. Auch das bayrische Arbeitsministerium erklärte, die Post habe die Notwendigkeit der Sonntagsarbeit plausibel dargestellt. Das spräche dafür, dass die Verzögerungen viel gravierender seien als die Post verbreite, sagte ein führendes Mitglied von Verdi in Hessen.

6. Gefährdet die Post das Briefgeheimnis, wenn sie so viele externe Kräfte und Freiwillige einsetzt?

Das fürchtet zumindest die Gewerkschaft DPV, deren Mitglieder wie bei Verdi ebenfalls in einem unbefristeten Streik sind. Die Post allerdings erklärte, alle Mitarbeiter seien verpflichtet, auf das Briefgeheimnis zu achten - auch wenn diese nur kurzfristig als Aushilfen beschäftigt seien. Juristen sehen darin kein Problem, solange die neuen Hilfskräfte geeignete Maßnahmen - wie zum Beispiel eine kurze Belehrung über das Briefgeheimnis - erhalten hätten.

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7. Versucht die Post, den Streik zu brechen?

Mit diesem Vorwurf wehrt sich die Gewerkschaft Verdi gegen dein Einsatz von Leiharbeitern und anderen Hilfskräften. Nach Angaben von Verdi nutzt die Post dazu auch Tochterunternehmen, die wiederum Zeitarbeitsfirmen und Leiharbeiter anheuern, um diese in den bestreikten Betriebsstätten einzusetzen. Damit umgehe die Post eine Regelung der Gewerkschaft DGB. Leiharbeitsfirmen, die dort Mitglied sind, dürfen ihre Mitarbeiter eigentlich nicht in bestreikte Betrieben einsetzen.

Ein weiterer Streitpunkt ist der Einsatz von Beamten: Bereits zum zweiten Mal hat die Gewerkschaft Verdi heute versucht, eine einstweilige Verfügung gegen die Post zu erwirken. Im ersten Verfahren hatten die Bonner Richter den Einsatz der Beamten für zulässig erklärt, solange die Beamten freiwillig für ihre streikenden Kollegen einspringen. Verdi hat nun eidesstaatliche Erklärungen von Beamten vorgelegt, in denen diese erklären, dass sie gegen ihren Willen auf den Arbeitsplätzen der Streikenden arbeiten sollten. Die Post verwies darauf, dass sie bisher alle entsprechenden Verfahren für sich entschieden habe und sich beim Einsatz von Aushilfskräften an die rechtlichen Regeln halte.

Verspätungen und Streikdauer

8. Welche Rechte habe ich, wenn meine Post verspätet ankommt?

Verbraucher können leider kaum etwas gegen die verspäteten Briefe und Pakete unternehmen. Haften muss die Post für die Verzögerungen nicht, aus juristischer Sicht gelten Streikfolgen als höhere Gewalt. Der Versender ist alleine dafür verantwortlich, dass bestimmte Fristen eingehalten werden. Verbraucher müssen also auf teurere Produkte mit fest garantierten Lieferzeiten ausweichen, wie zum Beispiel den Express-Versand. Dann haben sie auch einen Anspruch auf Schadensersatz.

Die zweiwöchige Widerrufsfrist beispielsweise für Bestellungen von Onlineshops ist durch den Streik allerdings nicht betroffen. Die Frist gilt erst ab dem Tag, an dem die Lieferung beim Kunden angekommen ist. Um sich abzusichern, sollten Verbraucher aber auf jeden Fall den Lieferungsbeleg aufbewahren.

Vor allem viele Kleinunternehmer fürchten mittlerweile um ihre Existenz: Das Berliner Unternehmen Studimed, das Studienplätze im Ausland vermittelt, hat große Probleme, weil die Bewerbungsunterlagen der Studenten in den Systemen der Post festhängen. Studimed ist deshalb vor Gericht gezogen, um eine einstweilige Verfügung gegen die Post zur Herausgabe der Briefe zu erwirken. Ob dieser Versuch erfolgreich ist, muss sich erst noch zeigen.

Die längsten Streiks Deutschlands
GDL gegen die Deutsche BahnSechs Tage streikten die Lokführer der Bahn, um ihre Forderungen durchzusetzen. Nur ein Drittel der Züge im Personenverkehr fuhr. Der Güterverkehr wurde noch einen Tag länger bestreikt. Es handelte sich um den längsten Streik in der Geschichte der Bahn - was aber bei einem ehemaligen Staatsbetrieb nicht weiter erstaunlich ist. In anderen Wirtschaftszweigen und Unternehmen haben Tarifkonflikte zu weit längeren Arbeitsniederlegungen geführt. Nachfolgend die zehn längsten Streiks in der Geschichte der Bundesrepublik. Quelle: dpa
Eine Anästhesistin überwacht während einer Operation den Patienten. Quelle: dpa
Einsatzkräfte der Polizei Quelle: dpa
An Naben für Windkraftanlagen arbeiten Monteure Quelle: dpa
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Mitarbeiter der Firma SH Natursteine GmbH befestigt ein Seil an einem Block Granitporphyr Quelle: ZB
Mitarbeiter der Berliner Verkehrsbetriebe geht an mehreren Omnibussen entlang. Quelle: dpa

9. Welche Alternativen gibt es zur Post?

Pakete können Kunden zum Beispiel auch mit Hermes, UPS oder DPD verschicken. Das machen auch viele große Online-Händler, die oft ohnehin auf ein Netz aus mehreren Versandfirmen vertrauen. Die Konkurrenten berichten, dass die Nachfrage stark angestiegen sei und sich viele neue Auftraggeber meldeten.

Bei Briefen gibt es weniger Alternativen, in dem Markt hat die Post als ehemaliger Monopolist noch immer einen Anteil von über 80 Prozent. Viele Brief-Unternehmen bieten ihre Dienste nur lokal an. Die Pin AG beispielsweise stellt Briefe in Berlin und den neuen Bundesländern zu. Eine Möglichkeit ist die "Mail Alliance", in der sich 120 private Briefdienstleister zusammengeschlossen haben und so fast das gesamte Bundesgebiet abdecken.

Die Post selbst wirbt mit dem sogenannten E-Postbrief, mit dem sich vertrauliche Dokumente per E-Mail versenden lassen. Doch wirklich elektronisch wird die Post nur übermittelt, wenn sowohl der Sender als auch der Empfänger für den E-Postbrief registriert sind. In den meisten Fällen aber speisen die Absender den E-Postbrief nur elektronisch in die Systeme der Deutschen Post ein. Der Konzern druckt die Schreiben dann aus und stellt sie als Briefe zu - damit sind auch ein Großteil der E-Postbriefe vom Streik betroffen.

10. Wie lange wird der Streik noch dauern?

Nach vier Wochen Streik wollen Verdi und die Post nun am Freitag, den 3. Juli, wieder die Verhandlungen aufnehmen. Den ersten Vorstoß dazu machte die Gewerkschaft Verdi, die den Post-Vorstand zum Fortsetzen der Verhandlungen aufforderte. Zwei Verhandlungstage sind angesetzt. Verdi betonte jedoch, dass der Streik fortgesetzt werden soll, bis eine endgültige Einigung erzielt sei.

Wie diese Einigung aussehen kann, ist jedoch unklar. Die bisher von der Post und später von Verdi vorgelegten Vorschläge kritisierte die jeweils andere Seite beide Male als "Mogelpackung". Die Gewerkschaft Verdi hat mehrfach deutlich gemacht, dass es für sie die Rückführung der Mitarbeiter der Niedriglohn-Töchter namens Delivery in den Haustarifvertrag höchste Priorität hat.

Die Post hält gegen: "Wie wir unser Unternehmen organisieren, ist eine unternehmerische Entscheidung" , sagte der für den Brief- und Paket-Bereich zuständige Vorstand Jürgen Gerdes. Eine Gewerkschaft könne diese Entscheidungen nicht treffen und deshalb sei auch eine Schlichtung undenkbar, proklamierte der Post-Vorstand.

Der Vorstand will durch die Delivery GmbH die Lohnkosten in dem Bereich sinken, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Konkurrenten wie Hermes oder DPD beschäftigen ihre Zusteller über Subunternehmer, die oft nur den Mindestlohn zahlen. Man habe lange versucht, gemeinsam mit Verdi eine Lösung für dieses Problem zu finden, heißt es aus dem Post-Vorstand. Die Gewerkschaft aber wollte darauf nicht eingehen, weil der Konzern bisher hohe Gewinne und gute Margen vorweisen kann. Außerdem geht es in dem Tarifkonflikt auch um das sogenannte Fremdvergabeverbot, dass der Post es verbietet, Zustellbezirke in großem Maßstab an Fremdunternehmen zu vergeben. Verdi fordert, dass der zum Ende des Jahres auslaufende Vertrag verlängert wird.

"Wir wollen eine Lösung, die alle Aspekte umfasst", verlangt die Verdi-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis. Viele Beteiligte erwarten deshalb, dass eine Lösung des Konfliktes möglicherweise nur durch eine völlige Überarbeitung des Haustarifvertrages herbeigeführt werden kann.

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