Deutschlands bester Sommelier Die ganze Weinwelt im Kopf

Der Sommelier ist der Mitarbeiter, der den Gästen im Restaurant zu allen Fragen zu den Getränken mit Rat, Tat und einem gut gefüllten Weinkeller zur Seite stehen sollte. Nun wurde der beste deutsche Sommelier gekürt. Und der machte einen Riesenfehler.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die ganze Weinwelt im Kopf Quelle: PRESSEFOTO

Der Sieger verschätzt sich: um ziemlich genau 5200 Kilometer. So weit liegt das von ihm vermutete Wallis vom Weingut Shaw and Smith im südlichen Australien in der Region Adelaide entfernt. Torsten Junker schaut das Rubinrot des Weines im Glas an, schnuppert mit der Nase daran und nimmt schlussendlich einen Schluck, den er kaut, schlürft und im Mund umspült, um mit möglichst viel Luft viele Aromen aus dem Wein zu lösen – und dann zu erkennen.

Er tut das vor 140 Gästen und den neun Mitgliedern der Jury im Grandhotel Schloss Bensberg. Fünf Minuten hat er Zeit, den Wein zu beschreiben, möglichst genau zu erkennen und im besten Falle sogar das Weingut und den Jahrgang exakt zu bestimmen. Junker macht vieles richtig, die Jury wird ihm viele Punkte gutschreiben im Finale der Sommelier Trophy 2015, die seit 2011 alle zwei Jahre den besten Sommelier Deutschlands sucht. Junker vertut sich eben nur um einen Kontinent.

Sommelier – das ist der Mitarbeiter im Restaurant, der den Gast berät, wenn es darum geht, welchen Wein er wählen soll. Sommelier nennen darf sich jeder, die Berufsbezeichnung ist ungeschützt. Der Zusatz IHK für Industrie- und Handelskammer signalisiert dem Gast erst, dass der Weinberater nach einer Ausbildung im Gastgewerbe noch die Zusatzausbildung zum Sommelier absolviert hat. Rund 1000 Mitglieder zählt die deutsche Sommelier-Union, die Ausrichterin der Trophy.

Weintipps der Sommeliers für unter 10, 20 und 30 Euro

Mehr als nur Wein

Bernd Glauben, Präsident der Sommelier-Union,  nennt den Sommelier gerne auch Genussmanager, der den Gast durch die gesamte Palette der Getränke führen kann. Die Anforderungen reichten von der Betriebswirtschaft im Hinterkopf, wenn es um die Kalkulation der Weinpreise geht, über „perfekten Service ohne Anstrengung“ bis zum Beeindrucken mit Fachwissen, ohne zu belehren und das alles nur zu einem Zwecke: „Es zählt das Glück des Gastes.“ Und wer der beste unter ihnen ist, das wird in einem mehrstufigen Verfahren ermittelt, dessen Höhepunkt die Gala im Schlosshotel Bensberg ist.

Kostenlose Wein-Apps

Sebastian Georgi betreibt in Köln das 485°, halb Trattoria, halb Stehpizzeria, die mit 700 Positionen auf der Weinkarte längst vom Insidertipp zum erfolgreichen Konzept gereift ist. Er ist nicht zum ersten Mal dabei, zwei zweite Plätze hat er schon. Wochenlang hat er sich neben dem laufenden Betrieb, der Planung für die Eröffnung einer weiteren deutlich größeren  Filiale, täglich mehrere Stunden vorbereitet. Am Montag früh von acht bis 13 Uhr sitzt er als einer von sechs Halbfinalisten am Tisch über 30 Fragen aus der Welt des Weines, später geht es darum, eine Magnum Flasche Schaumwein in einer bestimmten Frist gerecht auf 13 Gläser zu verteilen oder einen Martini sehr trocken zu mixen. Georgi braucht solches Wissen selten, aber können soll er es. „In meinem Betrieb trinken gut 80 Prozent der Gäste Wein und es geht um eines: Er soll den Menschen schmecken.“

Ruhe bewahren!

Neben Üben braucht es bisweilen auch Fortune, er schafft es nicht in die Runde der letzten drei, seine Enttäuschung ist ihm anzusehen, wie auch den beiden Teilnehmerinnen Stefanie Hehn und Helga Schröder, die zuschauen, wie Junker und die beiden weiteren Finalisten Marc Almert aus Hamburg und Tommy Hergenhahn aus Münster im wahrsten Sinne des Wortes auf der Bühne vorgeführt werden.

Almert, 23 Jahre jung und im Hotel Vier Jahreszeiten am Hamburger Jungfernstieg tätig, zeigt sich im Gegensatz zu seinen Mitbewerbern ungerührt von Prüfungssituation, Lampenfieber und Nervosität. In aller Seelenruhe seziert er nicht allein die Aromen des Australiers, den er für einen Chilenen hält, sondern gibt in zweiten Teil der Blindverkostung auch nach jeweils wenigen Sekunden mit der Nase im Glas, eine Antwort, was für eine Spirituose er in den jeweils drei Gläsern vermutet. Den Safran-Gin wird am Ende keiner der Kandidaten erkannt haben, zu sehr haben die Jurymitglieder die Kandidaten damit aufs Glatteis geführt.

Wo die Deutschen ihren Wein kaufen

Zwei Teile umfasst der Wettbewerb, nach der Blindprobe muss Tommy Hergenhahn die 14 Fehler finden, die Juryvorsitzender Frank Kämmer in eine Weinkarte hineingeschrieben hat. Dass der Ort "Graach" mit zwei A geschrieben wird, erkennt er ebenso wie seine Mitbewerber. Dass der Oeil de Perdrix als Rosé nicht in die Abteilung Weißwein gehört, entdeckt hingegen keiner. Auch die falsche Schreibweise von Alvarinho entgeht den Prüflingen. Zu finden sind die weiteren Stolpersteine wie Château Montrose, das zum Anbaugebiet Saint-Estéphe und nicht Saint-Julien gehört. Kenntnisse des Weinrechts in Deutschland sind gefordert, um zu sehen, dass ein sogenanntes 'Großes Gewächs' aus Rheinhessen nicht aus Weißburgunder gemacht sein darf, sondern ausschließlich aus Riesling und Spätburgunder.

Zurück in den Betrieb

Der Sieger, Torsten Junker, arbeitet sichtlich nervös doch dafür umso konzentrierter die Liste ab, alle Fehler entdeckt auch er nicht. Es ist ihm und den zwei anderen Teilnehmern anzusehen, wie sie aufatmen, als sie zurück sind in ihrem Element: Das Servieren eines Rotweins. Drei Juroren simulieren die Gäste. Christine Balais lenkt sie mit einer Frage ab, während es gilt, den Rotwein über eine Kerze so zu dekantieren, dass kein Sediment in die Karaffe kommt. Den Lippenstift am Glas gilt es zu finden und festzustellen, dass die von den Gästen bestellte Flasche 1999 gar nicht da ist, sondern nur der von 1998. Eine kurze Rücksprache mit seinem Gast - und Torsten Junker öffnet routiniert die Flasche. Die Spindel des Korkenziehers dreht er nur soweit rein, dass sie nicht den Korken auf der Unterseite zerstört - so können keine Brösel in die Flasche fallen.

Für Junker, der im Rollenspiel das professionelle Lächeln abrufen kann, löst sich die Spannung nicht mal, als er schon als gekürter Sieger im Konfettiregen steht. Die Anstrengung steht ihm ins Gesicht geschrieben, die Freude muss sich noch die Bahn brechen: Wein ist auch Entspannung, nicht jedoch, wenn man viel drüber wissen muss. "Ich muss das erst sacken lassen", sagt Junker, der als frisch gekürter Sieger schon diese Woche wieder seinen Gästen im Hotel Louis C. Jacob Wein einschenken wird. Nur wenige werden ahnen, wie anstrengend diese Arbeit wirklich sein kann.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%